Palin schlägt sich besser als erwartet
3. Oktober 2008Die Erleichterung am Ende der Debatte war Sarah Palin anzusehen – und auch innerhalb des Wahlkampfteams von John McCain hat man sicherlich aufgeatmet. Denn die Gouverneurin von Alaska hat sich besser geschlagen, als viele befürchtet hatten. Peinlichkeiten und Fehler wie in einigen ihrer früheren Interviews blieben aus. Sie zeigte zwar inhaltliche Schwächen bei vielen Themen, ging damit jedoch sehr offensiv um und sagte einmal an Senator Joe Biden gewandt: "Ich beantworte die Fragen vielleicht nicht so, wie die Moderatorin oder Sie es gerne hätten, aber ich wende mich direkt an das amerikanische Volk und erkläre ihnen, was ich erreicht habe."
Das TV-Duell am Donnerstag (3.10.2008, Ortszeit) war das einzige der "Running Mates" der Präsidentschaftskandidaten John McCain (Republikaner) und Barack Obama (Demokraten) vor der Wahl am 4. November. Entsprechend groß war das Interesse der Öffentlichkeit.
In der lebhaft aber höflich geführten Debatte griffen sich die beiden Running Mates persönlich kaum an, sondern versuchten die TV-Zuschauer davon zu überzeugen, dass ihr jeweiliger Präsidentschaftskandidat am besten geeignet sei, die Vereinigten Staaten in den gegenwärtigen turbulenten Zeiten zu führen.
Zwei "Running Mates" aus dem Volk
Die Kontrahenten präsentierten sich dabei als Politiker, die Sorgen und Nöte des amerikanischen Durchschnittsbürgers verstünden. So betonte die 44-jährige Palin, sie habe eine Verbindung zu den Menschen im Herzen Amerikas, als Mutter eines Sohnes, der im Irak diene, und die ein behindertes Kind habe.
Doch im 65-jährigen Biden hatte Palin einen Gegner, der sie nicht nur an politischer Erfahrung und Eloquenz übertraf. Der Senator aus Delaware, der ebenfalls aus einfachen Verhältnissen stammt, hatte auch ihrer Bodenständigkeit etwas entgegenzusetzen: "Ich weiß, was es heißt, ein alleinerziehender Vater zu sein. Als meine Frau und meine Tochter bei einem Unfall starben und meine beiden Söhne schwer verletzt waren, habe ich erfahren müssen wie es ist, wenn man sich fragt, ob die Kinder überleben werden."
Streit über Irak-Politik
Zur größten Kontroverse zwischen den beiden Vizepräsidentschaftskandidaten kam es in der Irak-Politik. Palin warf den Demokraten vor, sie wollten "die weiße Fahne der Kapitulation" aufziehen. Sie kritisierte Obama für seinen Widerstand gegen die Aufstockung der US-Truppen im Irak. Dabei habe gerade dieser Schritt zur Eindämmung der Gewalt im Irak geführt.
Biden entgegnete, die Republikaner lägen mit ihrer Politik absolut falsch. McCain habe bislang nicht nachweisen können, dass seine Pläne für den Nahen und Mittleren Osten sich auch nur im geringsten von denen seines Parteifreundes, Präsident George W. Bush, unterschieden.
Kontroverse um Politikwechsel
Beide Politiker sprachen dem jeweiligen Gegner dessen Anspruch ab, mit seinem Präsidentschaftskandidaten für einen wirklichen Politikwechsel in Washington zu stehen. Palin warf Obama und Biden vor: "Für ein Team, das über den Wechsel reden und in die Zukunft blicken will, sind mir das zu viele rückwärtsgewandte Schuldzuweisungen, um glaubhaft den Wechsel zu vertreten. Wir werden überparteilich arbeiten, dafür ist John McCain seit vielen Jahren bekannt. Er ist der Außenseiter, er hat sich unbeliebt gemacht. Der Wechsel kommt!"
Joe Biden betonte, dass John McCain in den Fragen, die die Bürger beträfen, kein Außenseiter sei und die Vergangenheit auch ein Prolog sein könne: "Wir dagegen werden gravierende Änderungen vornehmen, damit wir wieder die Nation sind, vor der die Welt am meisten Respekt hat."
Zuschauer sehen Biden vorn
Am Ende waren beide Lager zufrieden. Die Republikaner, weil nach dieser Debatte zumindest niemand mehr eine Ablösung Sarah Palins als Vizepräsidentschaftskandidatin fordern wird. Und die Demokraten, weil Joe Biden seine Erfahrung und Kompetenz zeigen konnte, dabei aber nicht arrogant oder herablassend gewirkt hatte.
Nach einer Umfrage des Senders CNN unmittelbar nach der Debatte kam Biden bei den Zuschauern besser an. 51 Prozent der Befragten gaben an, er habe das TV-Duell gewonnen. Nur 36 Prozent sagten dies über Palin. Allerdings äußerten 84 Prozent, Palin habe sich besser geschlagen als erwartet.
Die Aufmerksamkeit wird sich jetzt wieder verstärkt auf die eigentlichen Kontrahenten richten: Barack Obama und John McCain, die am kommenden Dienstag (07.10.2008) ihre nächste Debatte bestreiten.