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"Palästina will sich bestätigen lassen"

Diana Hodali5. März 2015

Am 1. April werden die Palästinenser Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs sein. Mahmud Abbas wolle mit dieser Aktion Flagge zeigen, sagt Nahost-Expertin Margret Johannsen.

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Abbas nach der Rückkehr nach Ramallah: UN Anerkennung (Foto: AFP)
Bild: AHMAD GHARABLI/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Warum wollen die Palästinenser Israel vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen?

Margret Johannsen: Palästina geht unter anderem vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), um sich als Staat zu positionieren. Palästina ist ein Staat. Er hat zwar nicht die vollen Mitgliedsrechte in der UNO, ist aber inzwischen von 135 anderen Staaten anerkannt. Palästina versucht jetzt über die Vereinten Nationen sein Profil als Staat deutlich und öffentlich bestätigen zu lassen. Dazu gehört eben auch der Gang zum Internationalen Strafgerichtshof. Dort will man als Staat einen anderen Staat für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen.

Welche Auswirkungen würde der Gang vor den IStGH auf das israelisch-palästinensische Verhältnis haben?

Aus der Sicht Israels ist das eine unilaterale Handlungsweise. Die Möglichkeiten, den Konflikt zu lösen, sieht Israel einzig und allein auf dem Verhandlungsweg. Die Palästinenser sehen sich hingegen zu dem Gang zur UNO genötigt, weil die bilateralen Verhandlungen bisher immer gescheitert sind, zuletzt im April 2014 - vor dem letzten Gaza-Krieg. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat kürzlich erklärt, auch nach den Wahlen in Israel wäre er selbstverständlich bereit, erneut zu verhandeln. Er ist aber der Meinung, dass die UNO die Verhandlungen moderieren sollte und nicht mehr die USA. Das wiederum würde Israel nicht wollen. Es traut der UNO nicht und sie wird daher aus dem Verhältnis Israel-Palästina herausdefiniert.

Margret Johannsen Universität Hamburg (Foto: privat)
Margret Johannsen von der Universität HamburgBild: IFSH

Aber wäre dann die Klage vor dem IStGH nicht eher eine Eskalation der Lage?

Aus israelischer Sicht ist die Anrufung des IStGH eine Provokation. Die Israelis haben darauf sehr empfindlich reagiert und haben dann gesagt: Dann werden wir aber auch die Hamas anklagen, die ja auch nach israelischer Auffassung Kriegsverbrechen begangen hat. Und das Abfeuern von Raketen auf Zivilisten ist in der Tat eine schwere Rechtsverletzung.

Warum will Mahmud Abbas das dann machen?

Man kann darüber spekulieren, warum Mahmud Abbas das macht - will er möglicherweise Druck auf Israel ausüben? Will er zeigen, dass er es ernst meint mit der Staatlichkeit? Er will das aber vor allem dem eigenen Publikum zeigen. In der Wahrnehmung der Palästinenser haben die palästinensischen Milizen den Gaza-Krieg gewonnen. Insbesondere hat die Hamas, obwohl der Gazastreifen in Trümmern liegt, an Respekt und Anerkennung in der palästinensischen Gesellschaft gewonnen. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass Mahmud Abbas als der Vertreter der so genannten "gemäßigten Palästinenser", als "Fatah-Mann", Flagge zeigen will. Es geht eben nicht nur um ein Verhältnis Israel-Palästina. Es geht auch um das inner-palästinensische Verhältnis zwischen den konkurrierenden Fraktionen Hamas und Fatah.

Wie steht die Hamas zu diesem Vorhaben, immerhin ist sie nicht Mitglied der PLO?

Die Hamas hat erklärt, dass sie es begrüßt. Das Risiko, dass sie selbst ins Fadenkreuz gerät, geht sie erklärtermaßen ein. Es ist sogar denkbar, dass die Hamas in diesem Risiko auch die Möglichkeit sieht, sich ihrerseits gegenüber ihren radikaleren Konkurrenten im Gazastreifen zu behaupten.

Hätte so eine Klage Bestand?

Es kommt weniger darauf an, ob letztlich jemand verurteilt wird. Es kommt darauf an, dass Kriegsverbrechen aufgearbeitet werden. Es gab seit 2005, als Israel den Gazastreifen räumte, mehrere militärische Operationen Israels. Im Grunde genommen wird der Gazastreifen alle zwei Jahre mit Krieg überzogen. Der Gaza-Krieg 2014 war bis dato der schwerste und verheerendste, was die Zahl der Opfer und Zerstörungen angeht. Es gibt dann immer den Vorwurf von Kriegsverbrechen, dann gibt es eine Untersuchung seitens der israelischen Armee. Diese Untersuchung ist vermutlich nicht unparteiisch. Dass jetzt über den IStGH eine unparteiische Untersuchung vonstatten geht, ist sinnvoll.

Wie steht es dann um die weiteren Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern?

Verhandlungen sind sicher notwendig, um letztlich diesen Konflikt zu regeln. Ich würde nie in Frage stellen, dass der IStGH und seine Untersuchung aus israelischer Sicht eine Belastung darstellen. Es handelt sich beim IStGH aber um eine zivilisatorische Errungenschaft. Man will auf Dauer mit dieser Strafgerichtsbarkeit vor Kriegsverbrechen abschrecken. Und dass diese Errungenschaft außer Kraft gesetzt werden soll, weil es bilaterale Verhandlungen geben soll, ist ein Diskurs, den ich absurd finde.

Warum lässt sich Mahmud Abbas als Präsident der Palästinenser sein Vorhaben von der PLO absegnen?

Die PLO vertritt offiziell alle Palästinenser, sowohl die, die in der Westbank und im Gazastreifen leben, als auch die, die in der Diaspora leben. Die PLO ist gegründet worden, als es die Hamas noch nicht gab, und sie kann formal nur ihre Mitgliedsorganisationen vertreten. Es ist ein selbsterhobener Anspruch der PLO, den aber so gut wie alle Palästinenser akzeptieren. Seit es die Palästinensische Autonomiebehörde gibt, also seit 1994 im Zuge der Oslo Verhandlungen, ist eine Art Doppelstruktur entstanden. Da herrscht aber keine Konkurrenz, weil Mahmud Abbas der Vorsitzende der PLO ist und der Präsident der PA. So ist die Rolle der PLO die Rolle des Legitimationsgebers. Es gibt eine inner-palästinensische Spaltung, die zwar formal aufgehoben ist, weil es eine Einheitsregierung gibt, aber trotzdem gibt es eine Spaltung zwischen der Westbank und dem Gazastreifen. Umso wichtiger ist es, eine Organisation wie die PLO im Rücken zu wissen, die für sich beansprucht, für alle zu sprechen. Auch die Hamas hat nie bestritten, dass die PLO für alle Palästinenser sprechen kann.

Margret Johannsen ist Nahost-Expertin und Friedensforscherin am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).