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Politik

Pandora Papers: Wie Prominente Steueroasen nutzen

Pelin Ünker | Serdar Vardar
3. Oktober 2021

Millionen geleakter Dokumente verraten die Finanzgeheimnisse von Spitzenpolitikern und anderer Prominenter aus aller Welt. Ob Tony Blair, Wolodymyr Selenskyj oder Shakira: Sie alle nutzen Steueroasen.

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EINSCHRÄNKUNG & SPERRFRIST | Banner Projekt mit dem International Consortium of International Journalists (ICIJ)

Die größte journalistische Partnerschaft in der Geschichte hat mithilfe der durchgesickerten Dokumente die Finanzgeheimnisse von 35 aktuellen und ehemaligen Staats- und Regierungschefs aufgedeckt. Darunter sind der ehemalige britische Regierungschef Tony Blair, der König von Jordanien und der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta.

Neben insgesamt mehr als 330 Spitzenpolitikern und hohen Beamten in über 90 Ländern beschäftigen sich die Pandora Papers auch mit den Steuertricks von Milliardären, Sportstars und Größen aus dem Showgeschäft. Im Zentrum der weltweiten Recherche stehen heimliche Offshore-Deals und das große Geschäft mit den Steueroasen. 

Infografik Pandora-Paper Karte DE

Konten in Überseegebieten, sogenannte Offshore-Konten, werden oft eingesetzt, um möglichst unerkannt größere Summen zu transferieren und damit den Reichtum bestimmter Personen zu verschleiern.

Die Pandora Papers werden vom Internationalen Konsortium Investigativer Journalistinnen und Journalisten (International Consortium of Investigative Journalists, ICIJ) koordiniert. 150 Medienhäuser haben sich daran beteiligt - darunter die türkische Redaktion der Deutschen Welle.

Die geleakten Dokumente zeigen, in welchem Ausmaß solche geheimen Transaktionen in der globalen Finanzwelt stattfinden. Danach haben die Finanzminister von Pakistan, den Niederlanden und Brasilien Verbindungen zu Offshore-Firmen, ebenso die ehemaligen Finanzminister Maltas und Frankreichs - darunter auch der Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn.

Das Konsortium ICIJ legt nahe, dass diverse mächtige Leute, die dabei hätten helfen können, dem Offshore-Treiben ein Ende zu setzen, stattdessen von eben jenem System profitierten. Vermögenswerte wurden in verschleierten Firmen oder Treuhandbetrieben geparkt, während die zuständigen Regierungen wenig dafür taten, den globalen Strom des illegalen Geldes zu stoppen. Ein System, das Kriminelle immer reicher und Nationen immer ärmer macht.

Von Blair bis Babis: Europas Elite entlarvt

Jahrzehntelang wetterte Großbritanniens Ex-Premierminister Tony Blair gegen Tricks zur Steuervermeidung. Doch die geleakten Dokumente zeigen, dass er und seine Frau selbst ein 8,8-Millionen US-Dollar (7,6 Millionen Euro) teures Gebäude in ihren Besitz bringen konnten, indem sie eine Offshore-Immobilienfirma kauften.

Verkäufer war die Familie von Bahrains Industrie- und Tourismusminister Zayed bin Rashid al-Zayani. Indem sie Anteile an der Firma kauften - statt direkt die Immobilie - vermieden Blair und seine Frau Cherie Grundsteuern in Höhe von rund 400.000 US-Dollar. Die Blairs und die Familie al-Zayani sagen, zunächst nichts davon gewusst zu haben, dass die jeweils andere Familie in die Transaktion einbezogen war. Cherie Blair sagt, ihr Mann habe mit der Transaktion nichts zu tun gehabt. Die Firma ist inzwischen erloschen.

Tony Blair, ehemaliger Premierminister Großbritannien | Porträt
Tony Blair war von 1997 bis 2007 britischer PremierministerBild: Dan Kitwood/Getty Images

Der tschechische Premierminister Andrej Babis, ein Milliardär, der 2017 mit dem Versprechen, Korruption zu bekämpfen, an die Macht kam, wird ebenfalls in den Pandora Papers genannt. Die geleakten Dokumente zeigen, dass er 2009 rund 22 Millionen US-Dollar in ein Netz von Briefkastenfirmen steckte, um eine Villa mit zwei Swimming-Pools und einem Kino zu kaufen, gelegen auf einem Hügel an der französischen Mittelmeerküste nahe Cannes. ICIJ-Partner Investigace.cz fand heraus, dass der Besitz der Briefkastenfirmen und der Immobilie nicht in den von ihm übermittelten Vermögenserklärungen gelistet ist. Babis hat Anfragen, die sich auf diesen Umstand beziehen, nicht beantwortet.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident Ukraine | Porträt
Vom Schauspieler zum Politiker: Wolodymyr SelenskyjBild: Anna Moneymaker/Getty Images

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj besaß einen Anteil an einer Briefkastenfirma, die auf den Britischen Jungferninseln registriert war. Einen Monat vor seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2019 verkaufte der ehemalige Schauspieler lautlos seine Anteile an Maltex Multicapital Corp als sogenannter "wirtschaftlich Berechtigter" - also als jemand, der berechtigt ist, an der Börse Aktientransaktionen zu tätigen - an seinen engen Freund und Businesspartner Sergej Schefir.

Ein Dokument von Juni 2019 zeigt, dass Schefir seinen Anteil an Maltex Multicapital Corp auch dann noch behielt, als er Selenskyjs Regierung als Top-Berater beitrat.

Im September überlebte Schefir einen Anschlag, bei dem sein Fahrer schwer verletzt wurde. Selenskyj und Schefir haben beide noch nicht auf Anfragen von Partnern des ICIJ reagiert.

Familie Kenyatta

Kenias Präsident Uhuru Kenyatta, der einer der bekanntesten kenianischen politischen Dynastien entstammt, hatte sich Transparenz und den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben. Doch geleakte Aufzeichnungen in den Pandora Papers zeigen, dass er und seine Mutter Begünstigte einer geheimgehaltenen Stiftung in Panama sind.

Andere Familienmitglieder, darunter drei Geschwister, besitzen demnach Offshore-Firmen mit Vermögenswerten von mehr als 30 Millionen US-Dollar. Kenyatta und seine Familie haben bislang nicht auf Anfragen des ICIJ geantwortet.

Arabische Königshäuser involviert

Die Pandora Papers entlarven die wahren Besitzer von mehr als 29.000 Offshore-Firmen. Manche dieser Firmen werden dazu genutzt, um den Besitz anonymer Bankkonten, von Privatjets, Yachten, Villen oder auch Kunstwerken von Picasso oder Banksy zu verschleiern.

König Abdullah II von Jordanien kaufte sich über Offshore-Firmen drei Villen direkt am Strand von Malibu im Wert von 68 Millionen US-Dollar - und das pikanterweise während des Arabischen Frühlings, gerade, als die Bürgerinnen und Bürger in Jordanien auf die Straße gingen, um gegen Korruption und Arbeitslosigkeit zu demonstrieren. 

Anwälte des Königs betonten in einer Erklärung, dass der Monarch keine öffentlichen Gelder missbraucht habe. Sie bestritten außerdem jeglichen unzulässigen Besitz von Immobilien-Eigentum über Offshore-Gesellschaften.

Prinzessin Lalla Hasna von Marokko | Porträt
Von Beruf Prinzessin: Lalla Hasnaa aus der marokkanischen KönigsfamilieBild: Fadel Senna/AFP/Getty Images

Auch Marokkos Prinzessin Lalla Hasnaa taucht in den Papieren auf: Sie ist Inhaberin einer Briefkastenfirma, die ein 11 Millionen US-Dollar teures Haus im Zentrum Londons kaufte, nahe des Kensington-Palasts. Beim Kauf nutzte Hasnaa laut der Pandora Papers Kapital der "Marokkanischen Königsfamilie" und gab als Beruf "Prinzessin" an. Fragen, die der Partner von ICIJ, Le Desk, an den Palast geschickt hat, blieben bislang unbeantwortet.

Mohammed bin Rashid Al Maktoum, Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate sowie des Emirats Dubai, war Shareholder von drei Firmen, die in Ländern registriert waren, in denen ein steuerliches Bankgeheimnis gilt.

Der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, nutzt bis heute Offshore-Firmen, um Investitionen zu tätigen, seine Reichtümer zu managen und das Familienvermögen zu sichern. 

Pop- und Sportstars mit Offshore-Konten

Die kolumbianische Sängerin Shakira und der ehemalige indische Cricket-Superstar Sachin Tendulkar gehören ebenfalls zu den zahlreichen Namen, die in den Pandora Papers genannt und mit Offshore-Vermögen in Verbindung gebracht werden.

Super Bowl LIV Halftime Show - J. Lo und Shakira
Shakira bei der Halbzeitshow des Super Bowl 2020Bild: Reuters/S. Stapleton

Shakiras Anwalt lässt mitteilen, dass die Offshore-Konten der Sängerin ordnungsgemäß offengelegt worden seien und ihr dadurch keinerlei Steuervorteile entstanden seien.

Tendulkars rechtliche Vertreter sagen auf Anfrage, das Investment ihres Mandanten sei legal gewesen und den zuständigen Steuerbehörden gemeldet worden.

Mehr als 130 Milliardäre setzten auf Offshore

Der Tscheche Babis ist nicht der einzige Milliardär, der in den Pandora Papers vorkommt. Mehr als 130 andere aus der Türkei, Russland, Indien, den USA, Mexiko und anderen Nationen hatten ebenfalls Verbindungen zu Offshore-Bankkonten.

Der türkische Baumogul Erman Ilicak wird mit zwei Offshore-Firmen in Verbindung gebracht - bei beiden wurde 2014 seine Mutter als Besitzerin eingetragen. In beiden wurden Vermögenswerte des familieneigenen Bau-Konglomerats gesteckt.

Eine der beiden Firmen, Covar Trading Ltd., schüttete allein im ersten vollen Geschäftsjahr eine Dividende von 105,5 Millionen US-Dollar aus. Das geht aus vertraulichen finanziellen Statements hervor. Das Geld wurde zunächst auf einem Schweizer Bankkonto geparkt, blieb dort allerdings nicht lange.

Noch im gleichen Jahr, so geht es aus den Unterlagen hervor, gab die Firma fast die kompletten 105,5 Millionen US-Dollar als "Spende" aus. Gelistet wurde die Transaktion als "außergewöhnliche Ausgabe". An wen diese Spende ging, ist unbekannt. Bislang hat Ilicak sich nicht zu den Vorwürfen geäußert und Anfragen unbeantwortet gelassen.

Türkei - Palast des tuerkischen Praesidenten in Ankara 2015
Erdogans Präsidentenpalast in AnkaraBild: Imago/photothek/T. Trutschel

Die Firma des türkischen Baulöwen, die Rönesans Holding, war in der Vergangenheit für ein ziemlich bekanntes Bauprojekt verantwortlich: den 1150-Zimmer-Präsidentenpalast von Recep Tayyip Erdogan.

Die türkische Redaktion der Deutschen Welle ist das einzige türkischsprachige Medium, das an der investigativen Recherche der Pandora Papers mitgearbeitet hat. In der Türkei selbst werden unabhängige Nachrichtenorganisationen und Journalisten nach wie vor rigoros unter Druck gesetzt.

Wieso Steuerparadiese problematisch sind

Doch wie funktionieren Offshore-Firmen überhaupt? Für Preise, die bei ein paar hundert Dollar starten, gründen Vermittler für die Kunden Briefkastenfirmen, deren tatsächliche Besitzer geheim bleiben. Als Alternative können sie für 2000 bis 25.000 US-Dollar einen Trust gründen, der es den Begünstigten unter bestimmten Umständen erlaubt, ihr Geld zu kontrollieren, ohne vor dem Gesetz für ihr Tun verantwortlich zu sein. Ein wenig Kreativität und schon kann man so Vermögen vor Kreditgebern, Strafverfolgungsbehörden, dem Finanzamt oder ehemaligen Ehe-Partnern verschleiern.

Offshore-Firmen zu besitzen und Finanztransaktionen über diese Steuerparadiese laufen zu lassen, ist in vielen Ländern vollkommen legal - doch die Praxis gerät zunehmend unter Beobachtung. Diejenigen, die solche Firmen benutzen, sagen, sie bräuchten sie für die Arbeit ihrer Unternehmen. Kritiker sagen, Transaktionen über Offshore-Firmen müssten stärker kontrolliert werden, um Korruption, Geldwäsche und globale Ungleichheit zu bekämpfen.

Gabriel Zucman, Experte für Steuerparadiese und Professor an der Universität Berkeley im US-Bundesstaat Kalifornien, schätzt, dass Geld im Wert von rund zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts in Steueroasen lagert.

Lakshmi Kumar, Direktorin des Think Tanks "Global Financial Integrity" mit Sitz in Washington D.C., ist sich im Interview mit dem ICIJ und den mit ihm verbundenen Medienhäusern sicher: Wenn die Reichen durch Steuervermeidung dem Gemeinwesen Geld vorenthalten, hat das unmittelbaren Einfluss auf das Leben vieler Menschen. "Es hat direkten Einfluss auf den Zugang Ihres Kindes zu Bildung, auf die Gesundheitsversorgung, auf den Zugang zu Wohnungen."

Symbolbild Geld Steuer Steueroase
Die Britischen Jungferninseln gelten als bekanntes SteuerparadiesBild: Hedelin F/Andia/Imago Images

Doch wie viel Geld strömt in Steueroasen - und wo? Aufgrund der komplexen und logischerweise weitestgehend geheimniskrämerischen Natur des Offshore-Systems ist es nicht möglich, genau zu beziffern, um wie viel Geld es tatsächlich beim Thema Steuervermeidung geht, oder wie viel davon an Behörden gemeldet wird.

Auch, wie viel Geld aus Ländern mit höheren Steuersätzen in Länder mit niedrigeren Steuersätzen abwandert, lässt sich nicht beziffern. Eine Studie der "Organisation für ökonomische Kooperation und Entwicklung" (OECD) mit Sitz in Paris ging im vergangenen Jahr davon aus, dass mindestens 11,3 Billionen US-Dollar "offshore" lagern.          

Viele Leute denken beim Wort "Steuerparadies" an sonnige Karibikstaaten. Die Pandora Papers zeigen allerdings, dass das Offshore-System weltumspannend ist und auch Länder wie Singapur, die Niederlande und Irland, die Finanzmetropole Hongkong und sogar einige US-Bundesstaaten umfasst.

Wie wurden die Leaks beschafft und verifiziert?

Das ICIJ hat den Schatz von rund 11,9 Millionen vertraulicher Dateien in Empfang genommen und ein Team von mehr als 600 Journalisten aus 150 Medienorganisationen angeführt. Diese arbeiteten zwei Jahre lang die Unterlagen durch, verfolgten Quellen nach und recherchierten in Gerichtsakten und anderen öffentlichen Aufzeichnungen. Die geleakten Dokumente stammen von 14 Offshore-Service-Firmen aus aller Welt, die für ihre Kunden Briefkastenfirmen gründen und andere Nischen in Übersee schaffen.

Die Pandora Papers werden jetzt, fünf Jahre nach den bahnbrechenden Panama Papers, veröffentlicht. Diese hatten 2016 die Welt erschüttert. Die damaligen Enthüllungen hatten weltweit zu Polizeirazzien geführt. In Dutzenden von Ländern wurden neue Gesetze erlassen. Nicht zuletzt verloren verschiedene Spitzenpolitiker ihre Ämter, darunter die Regierungschefs von Island und Pakistan.

Friedel Taube hat diesen Text aus dem Englischen übersetzt.

Anmerkung der Redaktion (6. Oktober 2021): In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise, dass der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, eine Yacht über Offshore-Gesellschaften verwaltet. Die "Panama Papers" hatten enthüllt, dass es Hamad bin Jassim bin Jaber Al Thani war, der ehemalige Ministerpräsident von Katar, der eine 300-Millionen-Dollar-Superjacht über Offshore-Gesellschaften verwaltete.