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Papst im Kongo: Friedenspredigt trotz Krieg

Jonas Gerding Kinshasa | Waakhe Simon Wudu Juba
2. Februar 2023

Papst Franziskus predigt in der Hauptstadt des Kongo vom Frieden - während im Osten des Landes gekämpft wird. Im Wahljahr kommt seiner Kirche eine wichtige Bedeutung zu. Für den Papst geht es weiter in den Südsudan.

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Junge Menschen drängen sich hinter einem Absperrgitter bei der Papstmesse in Kinshasa
"Wir wollen Frieden im Osten" - diesen Wunsch hat ein Mann schriftlich zur Papstmesse mitgebrachtBild: Jonas Gerding/DW

Bereits am Morgen scheint die Sonne erbarmungslos. Séraphine Nlandu wedelt sich mit einem Fächer Luft zu. Sie hat das Eingangstor des Flughafengeländes hinter sich gelassen und blickt auf die Wiese, auf der sich Hunderttausende, vielleicht auch mehr als eine Million Menschen einfinden. Gleich wird Papst Franziskus winkend in seinem papamobile über die Landefläche hin zu einer massiven Tribüne chauffiert werden. Eine lang ersehnte Messe wird er hier in Kinshasa halten, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.

"Wir sind vor allem glücklich", sagt Nlandu, Mutter von drei Kindern über die Papstmesse. "Wir wollen hoffen, dass die Anwesenheit des Papstes den Frieden im Land herstellen wird." Sie lebt in Ngiri-Ngiri, einem jener Viertel, in dem sich zugebaute Parzellen dicht an dicht reihen. Viel kann sich ihre Familie im teuren Kinshasa nicht leisten, auch wenn sie mit Gelegenheitsjobs etwas zum Beamtengehalt ihres Mannes hinzuverdient. "Unser Land ist groß, reich, potenziell reich. Aber die Bevölkerung hat nichts davon", sagt sie.

Die junge Kongolesin Séraphine Nlandu steht an einer Nebenstraße und blickt in die Kamera
Séraphine Nlandu ist aus dem dicht bebauten Viertel Ngiri-Ngiri zur Papstmesse angereistBild: Jonas Gerding/DW

Krieg im Osten des Landes

Immerhin herrscht Frieden in der Hauptstadt - im Gegensatz zum Osten des Landes, wo die Congo Research Group mehr als 120 Rebellengruppen zählt. Eine schwierige Konfliktlage, die sich in bald 30 Jahren verselbständigt hat. Denn Rebellen, Militärs, Unternehmer und Politiker profitieren oft mehr von Krieg als von Frieden. Eine der bewaffneten Gruppen, die M23, sorgt aktuell mit einer Offensive für Schlagzeilen. Das Nachbarland Ruanda unterstützt nach Ansicht der EU und anderer Beobachter die Rebellen. Und als wäre das nicht schon heikel genug, sollen Ende des Jahres auch noch Präsident und Parlament neu gewählt werden.

Die Messe hält der 86-jährige Papst im Sitzen. Nur ein einziges Mal nennt der Papst den Krieg beim Namen. Er will den Opfern Trost spenden, sie zur Vergebung aufrufen und an die Verantwortung des Einzelnen appellieren.

Papst Franziskus macht mit der rechten Hand ein Kreuzzeichen, während er von einem Gehilfen im Rollstuhl auf einer Bühne umhergefahren wird. Im Hintergrund stehen Bischöfe in einheitlichen Gewändern und Mitren
Wegen eines Knieleidens war Papst Franziskus auch während der Messe auf einen Rollstuhl angewiesenBild: Jerome Delay/AP Photo/picture alliance

Von Christen als "Missionare der Liebe" spricht er. "Jesus sagt heute zu jeder Familie, jeder Gemeinde, jeder ethnischen Gruppen, jedem Viertel und jeder Stadt dieses großen Landes: 'Der Friede seit mit euch'". Dies sind Andeutungen in einem Land, in dem Konflikte auch entlang ethnischer Identitäten ausgetragen werden.

Nach jedem größeren Gedanken setzt das Kirchenoberhaupt aus, damit Übersetzungen aus dem Italienischen ins Französische folgen können. Und so lauschen die Gläubigen über weite Strecken still. Erst als der Papst sich mit seinen abschließenden Worten in der Landessprache Lingala an die Menschen wendet, brandet Applaus auf.

Der Papst als politischer Mahner

Ganz anders der Ton am Abend der Ankunft. Im Garten des Amtssitz des Präsidenten wandte sich Franziskus an die politischen Entscheidungsträger, an Vertreter der Zivilgesellschaft und Botschafter. Der Kongo kämpfe darum, "seine Würde und territoriale Integrität gegen verachtenswerte Versuche der Fragmentierung des Landes zu schützen". Ein Fingerzeig auf Ruandas Unterstützung für die M23, was die Regierung in Kigali jedoch abstreitet.

Aber nicht nur: Aus einem politischen sei ein "ökonomischer Kolonialismus" geworden, der den Kongo und seine Ressourcen plündere, empörte sich der Papst: "Lasst die Finger von der Demokratischen Republik Kongo, lasst die Finger von Afrika! Hört auf, den Kontinent zu unterdrücken."

Papst Franziskus und der kongolesische Präsident Felix Tshisekedi sitzen auf Stühlen vor den Fahnen des Vatikans, der Afrikanischen Union und der DR Kongo
Offizieller Staatsbesuch am Vorabend der Messe: Papst Franziskus beim kongolesischen Präsidenten Felix TshisekediBild: Arsene MPIANA/AFP

Auf einem Stuhl neben dem Papst saß Félix Tshisekedi, der kongolesische Präsident. Erst kurz zuvor sprach auch dieser von einem Kongo, "wo neben den bewaffneten Gruppen auch ausländische Mächte die Rohstoffe unseres Bodens ausbeuten". Auch hier wird Ruanda eine Beteiligung vorgeworfen.

Trésor Kibangula leitet die politische Abteilung bei Ebuteli, dem kongolesischen Institut für Politik, Regierungsführung und Gewalt. Das Anprangern der Unterstützung der M23 durch Ruanda, das habe für den Kongo einen wichtigen "symbolischen Wert", sagt er. "Aber die Frage der Unsicherheit im Osten ist komplexer. Es gibt eine Vielzahl an anderen bewaffneten Gruppen, die viel mehr Taten begehen."

Er bedauert, dass wegen der Sicherheitslage keine Messe in Goma im Osten möglich war. Aber ein einfacher Papstbesuch könne ohnehin nicht für Frieden sorgen: "Es gibt enorm viel Arbeit und viel Verantwortung liegt beim kongolesischen Staat, der seine Armee umstrukturieren und in vielen Ecken des Landes die Autorität des Staates wiederherstellen muss."

Kirche als Gegengewicht zur Staatsmacht

Die Messe auf dem Flughafengelände verfolgt Präsident Tshisekedi von einem Pavillon aus. In der prallen Sonne sitzen rechts und links von ihm Minister, Militärs - und auch der Oppositionspolitiker Martin Fayulu.

Im Kongo ist die katholische Kirche ein Gegengewicht zur Macht. Kurz nachdem Tshisekedi als Sieger der Wahlen im Jahr 2019 ausgerufen wurde, erklärten die Wahlbeobachter der Kirche das Ergebnis für manipuliert. Kontrahent Fayulu sei der wahre Gewinner. Kardinal Fridolin Ambongo, Erzbischof von Kinshasa sagte damals: "Dieses Resultat ist eine Leugnung der Wahrheit". Ende dieses Jahres findet die nächste Wahl statt.

Menschen in Rollstühlen sitzen vor einem Absperrgitter, hinter dem weitere Menschen stehen. Eine Frau hat einen Schirm als Sonnenschutz aufgespannt.
Etwa eine Million Menschen sind zur Papstmesse in Kinshasa gekommenBild: Jonas Gerding/DW

Im weiten Gewand, verziert mit roten Streifen, steht er nun auf dem Podium neben dem Papst und spricht ins Mikrofon: "Ihr Besuch kommt in einer Wahlphase, die in unserem Land häufig ein Grund für soziale und politische Spannungen sind", sagt Ambongo mit donnernder Stimme. "Mit der Botschaft, die Sie dem Volk gebracht haben - 'Alle vereint in Jesus Christus' - und unserer Zuversicht in Ihr Gebet, hoffen wir auf freie, transparente, inklusive und friedliche Wahlen in unserem Land". Die Gläubigen brechen in Jubel aus.

Nach der Messe steigen viele Gläubige für Selfies auf das Podium. Dann ziehen sie in alle Richtungen davon. Was wird aus dem Aufruf zum Frieden? "Wir wollen, dass diese Botschaft in die Tat umgesetzt wird", sagt Besucherin Séraphine Nlandu. Sie hofft, dass auch diejenigen die Nachricht erhören, die verantwortlich sind für Krieg und Leid. "Aber so ist das in der Kirche: Man predigt, aber die Umsetzung ist dann eine ganz andere Sache."

Weiterreise in den Südsudan

Papst Franziskus nimmt derweil die zweite Station seiner Afrikareise in den Blick: Am Freitag wird er im Südsudan erwartet. Im jüngsten Land der Welt laufen die Vorbereitungen für die Papst-Premiere auf Hochtouren. In der Hauptstadt Juba werden Schlaglöcher entfernt und Straßen gereinigt; Chöre studieren neue Lieder ein. Der ursprünglich für 2022 geplante Papstbesuch ist von hoher Symbolkraft für das christlich geprägte Land, das die meiste Zeit seit seiner Unabhängigkeit im Bürgerkrieg steckte und seine politischen Konflikte bis heute nicht gänzlich beilegen konnte.

Papst Franziskus wird im "Papamobil" über eine breite Asphaltstraße gefahren, davor und dahinter fahren Polizei-Motorräder
Abreise im "Papamobil": von Kinshasa aus bricht Papst Franziskus in den Südsudan aufBild: Jonas Gerding/DW

"Wir sind in einer schlechten Lage", sagt James Chuol, der in Juba Zuflucht vor dem Krieg gesucht hat, im DW-Gespräch. "Seit 2013 haben wir Bürger keinen wirklichen Frieden gesehen. Wir erwarten, dass sich die Dinge mit dem Papstbesuch vielleicht verändern." Viele der Vereinbarungen aus einem Friedensabkommen von 2020 sind noch nicht umgesetzt. Die allgemeine Hoffnung: Der Papst als Autorität in dem christlich dominierten Land könne den politischen Führern ins Gewissen reden und nebenbei erneut das internationale Interesse für einen von Afrikas vergessenen Konflikten wecken.