Wahlparteitag der Linken
19. Juni 2009Ein zweistelliges Ergebnis hatte die Linke bei der Europa-Wahl Anfang des Monats erwartet, am Ende landete die Partei mit 7,5 Prozent weit hinter der Konkurrenz, die in ihren Augen durchweg neoliberale Politik betreibt. Trotz dieser ernüchternden Erfahrung und parteiinternen Querelen rechnet Parteichef Oskar Lafontaine bei der Bundestagswahl Ende September mit einem Ergebnis von "zehn Prozent plus X".
Neuer Name, alte Parteien
Es wäre ein gutes Ergebnis für eine Partei‚ die als "Die Linke" erst seit zwei Jahren existiert. Im Juni 2007 vereinigte sich die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) mit der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG). Die eine stammte aus dem Osten und war aus der DDR-Staatspartei SED hervorgegangen. Die andere wurde von enttäuschten westdeutschen Sozialdemokraten und Gewerkschaftern gegründet, als die SPD unter Kanzler Gerhard Schröder mit ihrer "Agenda 2010" einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik vollzog.
Parteichef im Rentenalter
So jung die neue Linke als Partei ist, so betagt ist ihr Führungspersonal. Parteichef Oskar Lafontaine ist mit 65 Jahren im rentenfähigen Alter und blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Berufspolitiker zurück. Seine politische Heimat war bis 2005 die SPD, deren Vorsitzender er bis 1999 war. Damals legte er sein Amt aus Protest gegen die Wirtschaftspolitik seiner Partei nieder und trat als Bundesfinanzminister zurück.
Sein Engagement in der neuen Linken betrachten die meisten ehemaligen Genossen Lafontaines als persönlichen Rachefeldzug. Ein Vorwurf, den der Saarländer empört zurückweist. Der wahre Grund seines Frontenwechsels sei die aus seiner Sicht neoliberale Ausrichtung der SPD.
Sozialdemokratische Themen
Mit den Linken will Lafontaine bei der Bundestagswahl am 27. September auf Themen setzen, die früher auch zum Repertoire der Sozialdemokraten gehört hätten, allen voran der Sozialstaat. Die Linke sei "die einzige politische Kraft, die steigende Löhne, steigende Renten und steigende Sozialleistungen nach wie vor zur Grundlage des sozialen Lebens in Deutschland machen will". Man sei überzeugt, damit die Wählerinnen und Wähler ansprechen zu können.
Mit 8,7 Prozent der Stimmen und gut 50 Abgeordneten sitzt die Linke zurzeit im Deutschen Bundestag. Ein ähnliches Ergebnis bei der Parlamentswahl im Frühherbst wäre für Partei-Chef Oskar Lafontaine enttäuschend. Er wette darauf, dass es ein zweistelliges Ergebnis geben wird. Eine Rechnung, die aufgehen könnte, wenn sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise spürbar verschlechtern sollte. Momentan suchen rund 3,5 Millionen Menschen einen Job.
100 Milliarden Euro
Die Linke fordert ein öffentliches Beschäftigungsprogramm und Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Finanziert werden sollen diese Maßnahmen mit höheren Steuern für Wohlhabende und auf Unternehmensgewinne. Die Behauptung, das Ganze sei unrealistisch, weist Lafontaine als Kampagne zurück. "Wenn wir Vermögen in Deutschland besteuern würden wie in Großbritannien, hätten wir 90 Milliarden Euro mehr Einnahmen. Und wenn wir den Börsenumsatz mit einem Prozent besteuern würden, hätten wir 70 Milliarden mehr Einnahmen im letzten Jahr gehabt."
NATO überwinden
Außenpolitisch strebt die Linke einen grundlegenden Kurswechsel an. Anstelle des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses NATO soll ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands entstehen. Die Beteiligung Deutschlands an militärischen Einsätzen wie in Afghanistan wird abgelehnt. Sie dienten in erster Linie ökonomischen Interessen, heißt es im Wahlprogramm.
Die Rechtfertigung der Bundesregierung, man engagiere sich im weltweiten Anti-Terror-Kampf, hält der Bundestagsfraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, für einen Vorwand. "Die Theorie der anderen, dass man durch Kriege Terror wirksam bekämpfen kann, ist so sehr widerlegt, dass ich mich frage, wie man an dieser falschen These überhaupt noch festhalten kann."
Kritik an Lafontaine
Ein Signal der Geschlossenheit und Glaubwürdigkeit wollen die Linken von ihrem Parteitag in Berlin aussenden. Nötig ist es, denn zuletzt prägten Grabenkämpfe das Erscheinungsbild. Mehrere Abgeordnete haben die Partei verlassen, darunter die langjährige Europa-Parlamentarierin Sylvia-Yvonne Kaufmann. Viele werfen dem aus dem Westen stammenden Oskar Lafontaine vor, die Linke auf einen fundamentaloppositionellen Kurs zu trimmen.
Kritik, die der Parlamentarischen Geschäftsführerin im Deutschen Bundestag, Dagmar Enkelmann, zu weit geht. "Ohne Oskar Lafontaine wäre die Partei nicht das, was sie heute ist: nämlich eine bundesweite Partei." Enkelmann wünscht sich allerdings mehr Selbstbewusstsein der Ostdeutschen. Die Linke habe in den vergangenen 20 Jahren viele Erfahrungen auf kommunaler und landespolitischer Ebene.
Kein Rot-Rot auf Bundesebene
In der Bundespolitik jedoch dominiert Lafontaine das Erscheinungsbild. Der sieht die Kritik an seiner Person gelassen. Dass die SPD angeblich sein politischer Hauptfeind sei, hält der frühere Sozialdemokrat für lächerlich. Nicht er sei es, der eine rot-rote Zusammenarbeit auf Bundesebene ablehne.
Im Gegenteil, die SPD habe auf ihrem Wahlparteitag ein solches Bündnis ohne Wenn und Aber ausgeschlossen. Die Linke stelle lediglich Bedingungen: keine Bundeswehr-Einsätze im Ausland und eine radikale Kehrtwende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Lafontaine weiß natürlich, dass diese Forderungen für die SPD unerfüllbar sind.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz