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Der lange Weg zu "Pegida"

Helena Baers30. Dezember 2014

Die Pegida-Bewegung demonstriert gegen die vermeintliche Islamisierung des Westens. Ein Blick zurück zeigt: Diese diffuse Angst gibt es in der Gesellschaft schon länger - auch geschürt von den Medien.

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Kundgebung der Pegida in Dresden 15.12.2014
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Das Wort Abendland taucht normalerweise nicht täglich in den deutschen Medien auf und war bis vor kurzem aus dem aktiven Wortschatz vieler Bürger verschwunden. Im Moment aber ist es überall präsent - denn einige Deutsche befürchten, dass dem Abendland - damit meinen sie den Westen - die Islamisierung droht. Seit Ende Oktober ruft die Bewegung "Pegida" (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) jeden Montag in Dresden zu sogenannten Spaziergängen auf. Zur ersten Demonstration kamen nur ein paar Hundert Menschen. Zuletzt waren es 17.500. Das Thema scheint einen Nerv zu treffen.

Laut einer Umfrage von "Zeit Online" haben 73 Prozent der Bundesbürger die Sorge, dass der radikale Islam in Deutschland an Bedeutung gewinnt. Außerdem vertreten 59 Prozent der Befragten die Ansicht, dass Deutschland zu viele Flüchtlinge aufnimmt.

Angst vor IS-Terror

Vordergründig sind es möglicherweise auch die Taten der Terrormiliz "Islamischer Staat" im Nahen Osten, die in den vergangenen Monaten die Angst vor einer Islamisierung schürten. "Weit weg, aber jeden Abend, jeden Tag hören die Menschen Nachrichten über islamistischen Terror. Das erzeugt Ängste und beeinträchtigt offensichtlich das Differenzierungsvermögen von Menschen, nämlich zu unterscheiden zwischen dem Islam und seinem Missbrauch zur Begründung von Gewalt", so der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) im Deutschlandfunk. Außerdem gab es immer wieder Berichte über deutsche Dschihadisten, die nach Kampfeinsätzen in Syrien und dem Irak zurückkehren und möglicherweise in Deutschland zu einem Sicherheitsrisiko werden können, weil sie Anschläge planen.

PEGIDA-Demonstration in Dresden
Einige Demonstranten befürchten, dass die S(c)haria in Deutschland eingeführt wirdBild: Reuters/H. Hanschke

Im September entfachte die sogenannte "Scharia-Polizei" eine weitere Islamdebatte: Selbst ernannte Sittenwächter zogen damals durch Wuppertal und forderten Jugendliche auf, von Alkoholgenuss und Glückspiel die Finger zu lassen. Eine einmalige Sache - doch die Provokation wirkte und so entstand bei manchem Bürger der Eindruck, die Islamisierung Deutschlands nehme zu.

Wechselwirkungen mit den Medien

Dazu beigetragen haben auch die Medien. "Dadurch, dass man es zum Topthema macht, wird es ein Topthema", sagt der Medienpsychologe Jo Groebel. Es seien zwar nicht in erster Linie die traditionellen Medien, die Stimmung gegen den Islam gemacht hätten. Manchmal sei aber nicht klar genug getrennt worden zwischen dem "Islamischen Staat" auf der einen Seite und dem Islam auf der anderen Seite.

Dass die "Pegida"-Bewegung zuletzt starken Zulauf bekommen habe, liege aber natürlich auch an der starken Medienberichterstattung, sagt Groebel. "Es werden die Leute, die mitgelaufen sind, in eine bestimmte Ecke gestellt, die werden dann wieder sauer, andere kriegen das mit, die werden dann auch sauer und sagen: 'Man darf sich ja wohl noch äußern' - und schließen sich dann der Sache an."

Abkehr von den etablierten Parteien

Allerdings lassen sich so nicht die Motive aller "Pegida"-Demonstranten erklären. Den meisten gehe gar nicht so sehr um Muslime und den Islam, sagt der Protestforscher Dieter Rucht. "Es gibt einen diffusen Hintergrund, das hält sich im Grunde schon seit zehn, 15 Jahren in allen westlichen Ländern. Es gibt nämlich Ängste bezogen auf die Zukunft, es gibt konkret auch Abstiegsängste, Verlust des Arbeitsplatzes", sagt er im Deutschlandfunk.

Rucht betont, bei "Pegida" handele es sich auf den ersten Blick um ein neues Phänomen. Dennoch seien die sogenannten Montagsmahnwachen für den Frieden für ihn damit verwandt. Die große Gemeinsamkeit sei, dass die Teilnehmer kein Vertrauen mehr in die etablierte Politik hätten.

Landtagswahlen in Sachsen 2014 AfD Lucke
Bernd Lucke und seine AfD zogen in diesem Jahr in drei Landtage einBild: picture-alliance/dpa

Dafür spricht auch der Erfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) in diesem Jahr. Sie wurde 2012 gegründet und gehört damit nicht zu den etablierten Parteien. Während die AfD mit Forderungen wie eine strengere Einwanderungspolitik bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr noch an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, zog sie in diesem Jahr gleich in drei Landtage ein.

Große Gegendemonstrationen

"Pegida" gibt sich betont bürgerlich und liberal, Gewalt lehnen die Organisatoren ab. Dadurch können sie viele Menschen mobilisieren. "Eine Bewegung, die mit dem Feindbild Islam breitenwirksam erfolgreich sein will, darf nicht mit offenem Rechtsradikalismus in Verbindung gebracht werden", sagt der Düsseldorfer Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler. Sie müsse den Schein des Bürgerlichen nach außen tragen.

Andere Gruppierungen sind 2014 gescheitert, mehrfach größere Menschenmengen zu versammeln - zum Beispiel die Vereinigung "Hooligans gegen Salafisten". Ihr Protest mit etwa 4.500 Teilnehmern in Köln eskalierte in Gewalt, sodass zur der folgenden Demonstration Mitte November in Hannover nur etwa halb so viele kamen - inzwischen hört man kaum noch etwas von der Gruppe. Rechtsextreme Parteien wie die NPD versuchten erfolglos, mit Parolen wie "Masseneinwanderung stoppen" und "Das Boot ist voll" bei Wahlen zu punkten.

Gegendemonstration zu PEGIDA in Dresden
Es gibt immer auch Gegendemonstrationen für Toleranz und die Aufnahme von FlüchtlingenBild: Reuters/H. Hanschke

Allerdings ist die "Pegida"-Bewegung bislang nur in Dresden erfolgreich. Ähnliche Demonstrationen in Städten wie Düsseldorf oder Bonn hatten deutlich weniger Teilnehmer. Außerdem gibt es zu jedem "Pegida"-Protest immer eine Gegendemonstration. Und die fällt in fast jeder Stadt größer aus als die Kundgebung gegen die vermeintliche Islamisierung des Abendlandes.