PEN Berlin: Lesung gegen Antisemitismus
11. November 2023Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller machte am Freitagabend im Deutschen Theater Berlin den Anfang, indem sie Gedichte des österreichischen jüdischen Lyrikers Theodor Kramer (1897-1958) las. "Ihm gelang 1939 die Flucht nach England. Er wurde nach dem Exil, wie so viele andere, völlig vergessen", leitete Müller ihre Lesung ein.
Zu der Veranstaltung, zu dem die Schriftstellervereinigung PEN Berlin geladen hatte, waren etwa 300 Menschen gekommen. "'Nie wieder' ist jetzt!", lautete das Motto - ein Appell, jenes an die Jüdinnen und Juden gegebene Versprechen sofort in die Tat umzusetzen.
Zeichen setzen für Solidarität und friedliches Miteinander
"Wir möchten uns mit den in Deutschland lebenden jüdischen Mitbürger:innen solidarisch zeigen", sagte Intendantin Iris Laufenberg im Vorfeld der Lesung. "Wir müssen weiterhin jüdische Kultureinrichtungen, Museen oder Restaurants und Geschäfte besuchen, wir sollten das jetzt erst recht tun und damit ein Zeichen gegen die Angst, für Solidarität und ein friedliches Miteinander setzen."
Der Schauspieler Ulrich Matthes las aus der Erzählung "Der Rabbi von Bacherach", den Heinrich Heine (1797-1856) 1824 begonnen und nicht vollendet hatte. Die Lesung gestalteten zudem die Schriftstellerinnen Nora Bossong, Thea Dorn, Seyran Ates, Düzen Tekkal und Katja Lange-Müller, die Autoren Ralf Bönt und Marko Martin sowie der Publizist Michel Friedman.
Zwischendurch wurden auch jüngere Texte mit deutlicher Kritik an der intellektuellen Linken und deren Antisemitismus gelesen.
Die Menschenrechtlerin und Mitbegründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin, Seyran Ates, schloss die Veranstaltung mit eine Passage aus Jean-Paul Sartres (1905-1980) Essay "Betrachtungen zur Judenfrage": "Der Antisemitismus ist kein jüdisches Problem, er ist unser Problem", schreibt der französische Philosoph darin. Und: "Der Antisemit hat sich dem Hass ergeben, weil der Hass ein Glaube ist. Der Antisemit ist ein Mensch, der Angst hat - nicht vor den Juden, vor sich selbst."
Nora Bossong: "man muss irgendetwas dagegensetzen"
Auf die Frage, was so ein Abend bewirken kann, antwortete die deutsche Schriftstellerin Nora Bossong gegenüber dem RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg): "Wenn solche Abende nicht stattfinden würden, dann wäre da eine ziemliche Leere und ein ziemliches Schweigen und das haben wir in der letzten Zeit schon viel zu laut gehört. Ich bin nicht so optimistisch zu glauben, dass solche Abende die antisemitischen Tendenzen, die wir gerade wieder sehr stark zu sehen bekommen, verhindern werden. Aber man muss ja irgendetwas dagegensetzen. Es kann nicht das einzige sein, aber es ist halt ein kleiner Mosaikstein."
bb/pg/kle (dpa, RBB)