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"Iran wird weiter in Syrien investieren"

Diana Hodali16. Juli 2015

Während der Iran aufgrund des Atom-Deals zurück auf der Weltbühne ist, geht der Krieg in Syrien weiter. Der Iran habe die Chance, sich als konstruktive Macht in der Region zu zeigen, sagt Iran-Experte Volker Perthes.

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Baschar al-Assad und Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif (Foto: Reuters)
Syriens Präsident Baschar al-Assad (links) und Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif sind VerbündeteBild: Reuters

In den vergangenen Monaten mussten die Anhänger von Syriens Machthaber Baschar al-Assad mehrere Niederlagen einstecken. Das Regime konnte zuletzt nur noch überleben, weil es finanzielle und militärische Hilfe aus Teheran bekommt. Bedeutet ein gestärkter Iran, der jetzt einen Atom-Deal unterzeichnet hat, auch eine Stärkung Assads?

Volker Perthes: Manchmal sind die Kausalitäten nicht so eindeutig im Nahen Osten oder insgesamt in der internationalen Politik. Baschar al-Assad ist und bleibt ein Verbündeter des Iran. Eine Stärkung des Iran wird ihm sicherlich Hoffnung geben, weiterhin auf iranische Unterstützung setzen zu können. Gleichzeitig ist es so, dass man auch im Iran sieht, dass Assad schwächelt und dass er in seiner eigenen alawitischen Gemeinschaft unter Druck gerät. Man hat im Iran, nach dem Abschluss des Atom-Deals, ein größeres Interesse daran, mit den USA und anderen Mächten in irgendeiner Form eine Verständigung zu suchen.

Teheran hat aber auch ein großes Interesse daran, dass die schiitische Achse zwischen dem Iran, dem Irak, Syrien und der Hisbollah im Libanon intakt bleibt. Glauben Sie nicht, dass der Iran allein aus geostrategischen Gründen weiter in Assad investieren wird?

Volker Perthes (Foto: SWP Stiftung Wissenschaft und Politik)
Volker Perthes, Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: picture-alliance/dpa

Inwieweit er in Assad investieren wird, ist unklar. Aber er wird sicherlich weiterhin in Syrien investieren. Und der Iran hat ein Interesse daran, dass die geopolitische und geoökonomische Verbindung zwischen dem Iran und dem Mittelmeer durch den Irak, Syrien und den Libanon aufrecht erhalten bleibt. Aber selbstverständlich denkt man auch im Iran darüber nach, was eventuell geschehen könnte, wenn Assad stürzt und nur noch ein kleines Stück Syrien aufrecht erhalten kann. Man braucht dann Alternativen - natürlich Verbündete des Iran, aber möglicherweise eben nicht die Familie Assad.

Das Waffenembargo soll schrittweise gelockert werden. Geld kann zukünftig auch leichter transferiert werden. Wird der Iran dadurch Assad nicht einfacher mit Waffen beliefern können?

Ja, das ist richtig. Er könnte weiterhin bestimmte Waffen und Munition liefern. Wichtiger für Syrien ist aber sicherlich, dass der Iran Geld zur Verfügung stellt, mit dem Syrien dann Waffen, die es aus Russland bezieht, kaufen kann.

Aber müsste der Iran das Geld nicht eher innenpolitisch einsetzen, damit der Wirtschaftsmotor des Landes wieder anspringt?

Syrien ist sicherlich nicht der größte Ausgabeposten für den Iran. Es ist eine geopolitische Investition, so wird es zumindest wahrgenommen. Die Investitionen im Irak und im Libanon sind sicherlich größer, wenn man das Wort "Investition" benutzen will. Bei vielen in der Bevölkerung hat es aber auch immer die Hoffnung gegeben, dass sich innenpolitisch etwas ändert. Nicht nur, dass sich das Land wirtschaftlich öffnet, sondern auch kulturell. Man hofft, dass das Geld, das eingefroren war, in die Infrastruktur investiert wird - in Universitäten und Krankenhäuser zum Beispiel.

Der Iran sieht seine Sicherheit eng verknüpft mit dem Netzwerk regionaler Verbündeter. Wäre es denn möglich, dass der Iran sich auch an einer politischen Lösung im Syrien-Krieg beteiligen könnte?

So sehen das viele Iraner und viele Mitglieder im iranischen Establishment. Sie versuchen schon seit langem zu sagen: "Wir sind ja eigentlich Vermittler, wir wollen einen Waffenstillstand und wir reden auch mit der Opposition." Und das stimmt in gewisser Weise auch. Gleichwohl haben sie an Assad festgehalten. Ich glaube, der entscheidende Punkt wird sein, bis zu welchem Grad sich das Verhältnis zwischen dem Iran und den USA und einigen europäischen Staaten verbessern wird.

Werden sich der Präsident und der Außenminister jetzt auf eine Verbesserung des Verhältnisses in ihrer regionalen Umgebung konzentrieren? Wird man europäische Versuche, ein Gespräch zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zustande zu bekommen, unterstützen? Wird man mit der Türkei darüber reden, wie eine sichere Regionalordnung aussehen kann? Das sind alles Fragen, die großer diplomatischer Anstrengungen bedürfen würden, wenn man sie positiv beantworten wollte. Aber nach dem Atom-Deal hätte der Iran natürlich eine Chance, sich als konstruktive Macht in der Region zu zeigen.

Bedeutet der Atom-Deal mit dem Iran auch Stabilität für den gesamten Nahen Osten?

Ich glaube, er kann ein wichtiger Schritt zur regionalen Stabilität sein. Die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und dem Iran oder zwischen Israel und dem Iran ist trotz der israelischen Skepsis sehr viel geringer als noch vor ein oder zwei Jahren. Dass die Diplomatie hier nach zwölf schwierigen Jahren einen Sieg errungen hat, kann tatsächlich genutzt werden, um weitere konstruktive Schritte von allen Beteiligten zu fördern.

Volker Perthes ist Direktor der "Stiftung Wissenschaft und Politik" in Berlin. Zu seinen Forschungsgebieten gehören der politische Wandel im Nahen Osten und die sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands und der EU.

Das Gespräch führte Diana Hodali.