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Pilot ist kein Traumberuf mehr

Andreas Spaeth
10. August 2018

Der Ryanair-Streik rückt die Arbeitsbedingungen im Cockpit in den Blickpunkt. Die sind beim irischen Billigflieger besonders harsch. Sogar für das Wasser während der Arbeit muss das Personal bezahlen.

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Symbolbild Flugzeug Sonnenuntergang
Bild: picture-alliance/dpa/H.-C. Dittrich

Heute New York, nächste Woche Bangkok, Übernachtungen in Luxushotels und dazu die angenehme Gesellschaft meist junger Flugbegleiterinnen. Das alte Klischee des Pilotenberufs ist immer noch nicht ganz ausgestorben, am Leben gehalten auch von populären Filmen wie "Catch me if you can".

Die Realität sieht leider ganz anders aus, da gibt es heute beinahe so etwas wie ein Pilotenproletariat aus jungen Leuten, die sich auf ihrem Weg den Traum vom Fliegen zu verwirklichen hoffnungslos verschuldet haben. Die Ausbildung ist heute überall ganz oder teilweise selbst zu zahlen, dennoch finden unerfahrene Piloten danach oft keinen festen Job bei einer Airline. So wird das Dilemma immer größer und die Schulden nicht weniger, bei vielen beträgt die Last bis zu 150.000 Euro und mehr.

Bezahlen für die praktischen Flugstunden

Immer wieder kommt es auch vor, dass junge Piloten, die bereits ihre theoretische Prüfung bestanden haben und praktische Flugerfahrungen nur im Simulator und allenfalls in Sportflugzeugen vorweisen können, dafür bezahlen, dass sie auf Verkehrsflugzeugen auf dem Sitz des Co-Piloten fliegen dürfen. Nur so können sie ihre Musterzulassung erwerben, etwa für die Boeing 737, die ist Voraussetzung für eine Karriere als Verkehrspilot.

Dieses "Pay-to-Fly"-Prinzip kommt auch bei der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair nach Aussagen von Insidern immer wieder vor. Da werden Nachwuchspiloten nicht bezahlt dafür, dass sie fliegen, sondern müssen selbst zahlen, um im Cockpit Platz nehmen zu dürfen.

Irland Ryanair-Piloten streiken
Streiken statt Traumberuf - ein Ryanairpilot am 12. Juli vor der Zentrale des Billigfliegers in DublinBild: picture alliance / empics

Fliegen ist der einzige Job, den man sich für viel Geld erkaufen muss, viele Berufsanfänger leben oft jahrelang am Existenzminimum. Kein Wunder dass der Job im Cockpit schon lange kein Traumberuf mehr ist, zumal junge Leute etwa in der Kommunikations- oder Finanzbranche viel mehr verdienen können.

Ryanair gilt als schlechter Arbeitgeber

Bei Ryanair, der größten Airline Europas, die im vergangenen Jahr 128 Millionen Fluggäste beförderte, ist die Lage der Piloten oft besonders prekär. Einer der größten Billigflieger weltweit gilt in Pilotenkreisen auch als einer der schlechtesten Arbeitgeber. Viele Jahre hat sich der Frust aufgestaut, der sich nun im  großen Pilotenstreik Bahn bricht.

Vorher hatten Piloten bereits in Scharen den Billigflieger verlassen - über 700 sollen es allein im vergangenen Geschäftsjahr gewesen sein. "Das überrascht mich nicht," sagt James Atkinson, ein Pilot, der von 2006 bis 2014 im Cockpit von Ryanair-Boeings saß und heute seinen Beruf - wesentlich besser bezahlt - bei einer chinesischen Airline ausübt.

Bei Ryanair liegen die Einstiegsgehälter nach Angaben der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit bei 25.000 bis 30.000 Euro brutto im Jahr, nach fünf Jahren könnten Co-Piloten auf 70.000 Euro kommen, erfahrene Kapitäne erreichen maximal 130.000 Euro. Chinesische Gesellschaften bieten Piloten mit Erfahrung bis zu 300.000 Euro bei meist weit besserem Betriebsklima, dafür aber fern der Heimat.

Im Gegensatz zu den jungen Co-Piloten, herrscht bei den erfahrenen Kapitänen weltweit Mangel. Sie haben die Wahl, ob sie sich die schlechte Behandlung durch ihre Firma weiter antun wollen oder die Konsequenzen ziehen.

Kein Wasser für das Personal

Es ist Teil der Firmenstrategie von Ryanair, ihre Mitarbeiter auf europaweit über 80 Basen von Litauen bis Marokko und Irland bis Zypern aufzuteilen. In nahezu jedem Land ist die Bezahlung anders geregelt, und viele Piloten sind nicht einmal angestellt, sondern gezwungenermaßen formal selbstständig und müssen von ihrem Gehalt auch noch doppelt Sozialabgaben zahlen, einmal als "Unternehmer" und einmal als Angestellter. Diese Zersplitterung ist durchaus gewollt und hat lange bewirkt, dass sich das Personal nicht organisieren konnte.

Ryanair-Maschine
Ryanair-Boeing in Hamburg: Gerade für die jungen Co-Piloten ist der Berufsstart bei dem Billigflieger schwerBild: picture alliance/dpa/D. Bockwoldt

Festanstellungen zu einheitlichen Bedingungen ist daher eine der wichtigsten Forderungen der Piloten. Besonders sauer stößt ihnen auf, dass im Gegensatz zu nahezu allen anderen Airlines nur tatsächliche Flugstunden bezahlt werden, nicht aber etwa die heute durch Verspätungen allgegenwärtigen Zeiten am Boden. Selbst bei mehrstündigen Verzögerungen erhalten die Mitarbeiter weder Vergütung noch Spesen etwa für nötige Übernachtungen.

James Atkinson berichtet: "Ich wurde regelmäßig an freien Tagen gebeten, auf eigene Kosten zu anderen Ryanair-Basen zu fliegen, wo Personalnot herrschte." Dort habe er dann aushelfen müssen. "Manchmal flog ich so fünf Tage lang anstrengende Schichten, um dann wieder die umständliche Rückreise zu meiner Heimatbasis anzutreten. Im Sommer hatte ich dann oft nur drei Tage an meiner eigenen Basis, bevor ein weiterer Springerdienst folgte. Das zerstört einen", so Atkinson. Genau dieses sogenannte "Ping Pong" unberechenbarer Versetzungen von einer Basis zur anderen ist einer der Hauptkritikpunkte der Piloten. Ganz zu schweigen von Absurditäten wie der Tatsache, dass Piloten sogar ihr Wasser oder ihren Kaffee an Bord selbst bezahlen müssen. "Kein Angestellter erhält bei Ryanair eine Wasserflasche gratis. Wenn Du eine willst, musst Du sie kaufen", so der ehemalige Ryanair-Pilot Atkinson.