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Pinochet: Bilder einer Diktatur

Emilia Rojas
10. September 2023

50 Jahre nach dem Militärputsch in Chile beschreiben Historiker, warum Augusto Pinochets Staatsstreich in Europa eine so große Wirkung hatte. Es liegt nicht zuletzt an der Macht der Bilder.

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Chile Junta mit General Augusto Pinochet (1973)
Bild: AFP/epa/dpa/picture-alliance

Jeder kennt das Bildnis Che Guevaras, den Blick selbstbewusst in die Ferne gerichtet. In der Hippieszene der 1960er-Jahre avancierte der "Comandante" zur Ikone der Jugendkultur - als Symbol des idealistischen Revolutionärs.

Das Foto von Augusto Pinochet hingegen verkörpert den Diktator schlechthin. Der General, der am 11. September 1973 in Chile gewaltsam die Regierung Salvador Allendes stürzte, stach in der öffentlichen Meinung Europas mehr als jeder andere lateinamerikanische Diktator negativ hervor. Warum gerade er?

Putsch vor laufender Kamera

Der Staatsstreich in Chile versetzte die Welt mehr in Schrecken als der Putsch 1964 in Brasilien. Das liege nicht zuletzt an der Präsenz der Medien, davon ist die Historikerin Caroline Moine, Professorin für Politik- und Kulturgeschichte an der Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines in Frankreich, überzeugt. "Dieser Staatsstreich fand nicht mitten in der Nacht und im Verborgenen statt, sondern vor laufenden Kameras. Es waren viele Journalisten da und die Bilder flackerten schnell über die Bildschirme, auch im Ausland", sagte sie im Gespräch mit der DW. Das sei wohl ganz im Sinne der Putschisten gewesen, vermutet Moine: "Die Militärs wollten, dass die Menschen sehen, was passiert ist. Sie wollten nicht nur ihre Gegner beeindrucken, sondern auch deren Unterstützer innerhalb und außerhalb des Landes." Die Szenen brannten sich ins kollektive Gedächtnis ein.

Ein rauchendes zerstörtes Gebäude
Angriff auf den Regierungspalast in Santiago de Chile 1973 Bild: AP/picture alliance / AP Photo

Die Bilder der Bombardierung des Präsidentenpalastes "La Moneda" ging um die Welt - ebenso wie das Foto Pinochets, das ihn in Uniform, mit dunkler Brille und ausdruckslosem Gesicht vor seinen Männern sitzend zeigt.

Für Joan del Alcázar, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Valencia, symbolisiert er das perfekte Gegenstück zum gestürzten Präsidenten Doktor Salvador Allende. "Die Figur eines freundlichen, einfühlsamen Arztes, eines unbestreitbar attraktiven Mannes, kontrastiert mit dem abscheulichen Bild eines unangenehmen, autoritären, despotischen und überdies kriminellen Militärs", hebt er gegenüber der DW die Unterschiede in der Wahrnehmung hervor.

Gestürzte Symbolfigur der Linksintellektuellen

Betrachtet man die Geschehnisse in Chile vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, entwickelten sie eine Dimension, die über die Landesgrenzen hinausging. "In Westdeutschland und in Europa war Allende eine wichtige Symbolfigur, weil er den demokratischen Weg zum Sozialismus repräsentierte; er war eine sehr starke Symbolfigur für viele linke Intellektuelle", so Lasse Lassen, Historiker und Forscher an der Universität Würzburg gegenüber der DW. "Als er gestürzt wurde, vor allem auf so brutale Weise - mit der Bombardierung des Regierungspalastes und seinem Selbstmord -, wurde er für die Linke in Westeuropa zum leuchtenden Fanal. Und Pinochet verkörperte das Feindbild."

Leiche von Salvador Allende wird aus dem Präsidentenpalast getragen
Der Leichnam Salvador Allendes wird abtransportiert - mit ihm starb die Hoffnung auf ein demokratisches Chile Bild: El Mercurio/AP/picture alliance

Wenn Caroline Moine auf die Zeit zurückblickt, in der Europa sich damals befand, sieht sie zerstörte Illusionen. "Es gab, zum Beispiel in Frankreich und Italien, den Versuch, kommunistische und sozialistische Kräfte zu vereinen", sagt sie. So wie die "Unidad Popular", ein Wahlbündnis linker chilenischer Parteien unter Führung Allendes, es vormachte. Was dort geschah, sei ein Modell für viele Europäer gewesen und habe große Hoffnungen geweckt. "Der Putsch hat diesem Projekt ein Ende gesetzt und diese Hoffnung zerstört", so Moine. Trotzdem hätten vor allem die kommunistische, aber auch die sozialistische Partei in Chile nach Pinochets Staatsstreich sehr schnell eine große internationale Kampagne ins Leben gerufen.

Diese stilisierte nicht nur Pinochet zur Verkörperung des Bösen, sondern verherrlichte auch seinen Gegner: den gestürzten Präsidenten. "Allende war derjenige, der die Demokratie in Chile verteidigen wollte und dafür gestorben ist. Auch in Europa ist die Vorstellung von Helden, die bereit sind, für ihre Ideen zu sterben, stark emotional aufgeladen", sagt die französische Historikerin. Dabei seien sich die verschiedenen Parteien innerhalb der Unidad Popular gar nicht immer so einig gewesen. "Aber es wurde immer gesagt, die UP sei ein Opfer der Diktatur; von internen Spannungen war öffentlich nie die Rede. Es herrschte eine Art Mythos."

Brutale Unterdrückung

Was jedoch nicht nur die Linke erschütterte, war der Grad der Brutalität in Chile seitens der Putschisten - obwohl es natürlich auch in anderen Diktaturen der Region Repressionen gab. "Dieser Militärputsch hebt sich durch seine Grausamkeit, seine extreme Bösartigkeit ab", sagt Joan del Alcázar.

Der Historiker Lasse Lassen ist der Ansicht, im Westen habe das Wissen über die Menschenrechtsverletzungen in Chile und die gleichzeitige Politisierung der Europäer während der Spannungen des Kalten Krieges dazu beigetragen, dass der Putsch in Chile in den Köpfen besonders präsent war. Dennoch, so der Würzburger Forscher, "wurden weder Franco noch Pinochet verurteilt wie Hitler, nicht mal im eigenen Land. Es ist ein komplexer Prozess, der sich in die Länge zieht und politisch nicht ohne Polemik betrieben wird."

Adaption aus dem Spanischen: Suzanne Cords.