Pizarros Billardtor rettet Bremen
16. Februar 2019"Offensiv haben wir einen Plan. Das ist unser Plan, und der richtet sich nicht nach dem Gegner", hatte Bremens Trainer Florian Kohfeldt vor der Partie ins Sky-Mikrofon prophezeit. Doch der Plan, er war nicht zu erkennen. Zumindest nicht für die Zuschauer.
Die Gastgeber allerdings schienen ihn durchschaut zu haben. Denn von der Werder-Offensivpower vergangener Wochen war nichts zu sehen im Berliner Olympiastadion. Einzig bei einem Konter nach einer Viertelstunde ließen die Bremer in Person von Davy Klaassen ihre Gefährlichkeit aufblitzen. Jedoch unterband Niklas Stark den Vorstoß mit einer Notbremse, die Schiedsrichter Sören Storks jedoch geflissentlich übersah.
Robust gegen den Matchplan
Nicht einmal einen Freistoß gab es, geschweige denn eine persönliche Strafe für den Hertha-Verteidiger. Kohfeldt übte nach der Partie versteckt Kritik am Unparteiischen: "Vielleicht kannst du früh in Überzahl spielen, dann geht die Partie vielleicht auch anders aus", analysierte er gleich mehrere ruppige Aktionen von Hertha-Profi Stark.
Zweifellos hatten die Berliner Glück, dass der Schiedsrichter ihre manchmal rustikale Gangart nicht ahndete und ihr Matchplan dadurch zunächst aufging. "Wir müssen mehr Aggressivität ins Spiel bringen", kritisierte Bremens Stürmer Claudio Pizarro nach der Begegnung. "In der ersten Halbzeit sah es aus, als hätten wir Jungs gegen Profis gespielt".
Zweimal Aluminium
Bremen, mit bis dahin 36 Toren eine der angriffsstärksten Mannschaften der Liga, kam fast nie in den Strafraum der gut sortierten Herthaner, bei denen vorne vor allem Davie Selke wirbelte. Nach 20 Minuten traf er zunächst freistehend aus 14 Metern nur den rechten Pfosten, wenig später machte er es dann besser, als er eine Vorlage von Salomon Kalou routiniert an Torwart Jiri Pavlenka vorbei ins Netz chippte (25.).
Spätestens in der 38. Minute lag dann sogar das 2:0 in der Luft, als Ondrej Duda einen Freistoß aus 25 Metern an die Unterkante der Latte nagelte. "Wenn sie das 2:0 machen, kann es richtig bitter werden. Ist es aber nicht", sagte Kohfeldt nach dem Schlusspfiff. Und sein Gegenüber Pal Dardai sah das genauso: "In der ersten Halbzeit musst du die Tore machen, dann passieren solche Dinge nicht."
Zickzack durch die Mauer
Mit "solchen Dingen" meinte Dardai den mehr als glücklichen Ausgleichstreffer. Die gesamte zweite Hälfte waren die Bremer an Ideen- und Harmlosigkeit kaum zu überbieten gewesen, doch dann warfen sie doch noch alles nach vorne. In der sechsten Minute der Nachspielzeit gab es einen Freistoß aus 18 Metern in zentraler Position. Max Kruse schien sich den Ball zurechtzulegen, aber dann trabte der eine halbe Stunde zuvor eingewechselte Oldie Pizarro an und schoss schlitzohrig durch die Mauer.
Zweimal abgefälscht, landete der Ball tatsächlich zum 1:1-Endstand im Hertha-Tor (90+6.), und Pizarro darf sich nun "ältester Bundesliga-Torschütze aller Zeiten" nennen. Denn mit 40 Jahren und 136 Tagen löste er Mirko Votava, ebenfalls Werder Bremen, als bisherigen Rekordhalter ab. "Ich bin sehr zufrieden. Ich glaube, der Punkt hilft uns", freute sich der Peruaner, "und ich bin zufrieden, dass ich jetzt der älteste Torschütze der Bundesliga bin". Hertha und Bremen bleiben damit in der Tabelle unmittelbare Nachbarn und liegen nur einen beziehungsweise zwei Punkte hinter einem Europapokalplatz.
Am Ende gab es also einen schlitzohrigen Tor-Opa, der vor Stolz fast platzte, und zwei Trainer, denen so gar nicht nach Feiern zumute war: Dardai nicht ("Das ist Hektik, Zufall. Den Freistoß hab ich nicht mal geguckt.") und Kohfeldt nicht ("Heute war nicht der Tag der Euphorie. Heute habe ich mich eher geärgert, dass es nicht so gelaufen ist".)
Ach ja - und wie war nun eigentlich der Offensiv-Plan der Bremer, der sich nicht nach dem Gegner richtet? Richtig: Der ist 40 Jahre alt und heißt Claudio Pizarro.