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Politik

Polen hofft auf Stärkung der Nato-Ostflanke

30. August 2019

Statt Trump reist US-Vizepräsident Pence zu den Gedenkfeierlichkeiten zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nach Warschau. Trotz der Enttäuschung hofft Warschau auf konkrete Gespräche über die Stärkung der Nato-Ostflanke.

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NATO Soldaten in Polen
Amerikanische NATO-Soldaten in Polen - Je mehr, desto besserBild: picture-alliance/dpa/M. Kulczynski

Wochenlang platzte die PiS-Regierung geradezu vor Stolz, weil sie an der Gedenkfeier 80 Jahre nach dem Überfall Hitlers auf Polen Seite an Seite mit Donald Trump stehen sollte. Jetzt hat Trump nach Dänemark auch seine Polen-Reise abgesagt und verwies auf den Hurrikan "Dorian", der Kurs auf Florida hält. Stattdessen schickt er seinen Vizepräsidenten Mike Pence nach Warschau, der neben vielen anderen hochrangigen Politikern, darunter Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, am 1. September der polnischen Opfer gedenken wird.

Die Absage der Trump-Reise ist ein Rückschlag für die regierende PiS. "Die Anwesenheit von Trump wäre für uns im Hinblick auf die Darstellung der polnischen Geschichte sehr wichtig gewesen", betonte Wojciech Kolarski, Staatssekretär in der Kanzlei des polnischen Präsidenten Andrzej Duda. Er wies dabei auf internationale Medien hin, die dem Trump-Besuch in Warschau große Aufmerksamkeit geschenkt und damit auch die leidvolle Geschichte Polens, dem ersten Opfer des Zweiten Weltkrieges, kennengelernt hätten.

Auch wenn Trump fehlen wird, bleibt die Gästeliste dieselbe und die PiS-Regierung zeigt damit, dass sie ihre politischen Verbündeten ausschließlich im Westen sieht. Russland wurde nicht einmal eingeladen.

Auf einer Wellenlänge mit Washington

Doch auch unter den westlichen Partnern gibt es deutliche Unterschiede im jeweiligen Verhältnis. Während die deutsch-polnischen Beziehungen durch die polnischen Reparationsforderungen für die Verluste des Zweiten Weltkrieges getrübt sind, gibt es zwischen Warschau und Washington viele Gemeinsamkeiten, etwa was die Abschottung gegen Migranten oder Kritik an der deutsch-russischen Ostseepipelinebetrifft.

NATO in Polen

Auch können die polnischen Nationalkonservativen sicher sein, dass der Streit mit Brüssel um die polnische Justizreform, in den Gesprächen mit Washington nicht thematisieret wird. Und das Wichtigste, die Sicherheit, sie kommt für Polen auf jeden Fall aus Amerika, nicht aus Europa.

Die Sicherheit kommt aus Amerika 

"Es ist natürlich, dass wir Partner suchen, die ihre militärische Kraft real anwenden, also den Verpflichtungen aus Art. 5 des NATO-Vertrages nachgehen können", meint Beata Górka-Winter vom staatlich finanzierten Thinktank PISM in Warschau im Gespräch mit der Deutschen Welle. Für die Politikwissenschaftlerin ist das in diesem Artikel enthaltene Prinzip der Solidarität aller NATO-Länder eine Fiktion, "wenn dahinter keine realen Militärmittel stehen".

Die USA mit ihrem Militärpotenzial seien das einzige Land, auf das man sich im Falle einer Gefahr verlassen könne. Die europäischen NATO-Partner hätten dagegen schon mehrmals ihre Handlungsunfähigkeit bewiesen. Das sei etwa beim Scheitern der Idee einer europäischen Armee sichtbar geworden.

Der Preis der Sicherheit

Die größte Bedrohungsgefahr sieht Polen im östlichen Nachbarn Russland. Seit dem Ausbruch des Konflikts in der Ukraine investiert das Land Milliarden Euro in die Modernisierung der Armee. Damit bekommt die polnische Amerika-Liebe auch eine ganz konkrete finanzielle Dimension.

Deutschland Nord Stream 2 vor der Insel Rügen
Polen und die USA sind sich in der Kritik am Nordstream-Projekt einig Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

2018 hat Warschau mit dem Kauf von zwei Boden-Luft-Raketensystemen vom Typ "Patriot" für 4,75 Milliarden Dollar das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des Landes besiegelt. Im Februar 2019 wurden 20 mobile Raketenabschuss-Systeme vom Typ "Himars" im Wert von umgerechnet 365 Millionen Euro bestellt. Derzeit bahnt sich ein Einkauf von 32 Mehrzweck-Kampfflugzeugen vom Typ "F35" an.

Polen will ein "Fort Trump"

Der NATO-Musterknabe Polen wird von Donald Trump gelobt, weil es zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Militär ausgibt und damit als einer der wenigen Bündnispartner die NATO-Auflagen erfüllt. Bis 2030 sollen die polnischen Militärausgaben auf 2,5 Prozent des BIP wachsen.

Mit Geld versucht Polen auch, mehr US-Truppen ins Land zu locken. Derzeit sind in Polen über 4.500 US-Soldaten im Rahmen eines Rotationsmodells der NATO stationiert. Nach der russischen Annexion der Krim wurden neben den US-Truppen in Polen auch NATO-Bataillone in den drei baltischen Ländern eingesetzt.

Das Projekt, das von Polens Präsident Andrzej Duda als "Fort Trump" bezeichnet wurde, ist Polen bis zu zwei Milliarden US-Dollar wert. Am liebsten sollten die Amerikaner dauerhaft in Polen stationiert sein, so der Wunsch der Warschauer Regierung. Der derzeitige Rotationsmechanismus ist für Warschau unbefriedigend.

Donald Trump hat die Verlegung von zusätzlichen 1.000 Soldaten nach Polen ins Spiel gebracht. Diese sollen aus Deutschland kommen, wo derzeit rund 35.000 US-Soldaten stationiert sind.

Auf dem Twitterkonto der US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, war zu lesen: "Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der NATO. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen."

Das umstrittene Projekt

Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen die NATO-Russland-Grundakte von 1997, die eine permanente Stationierung der NATO-Truppen in der Nähe der russischen Grenzen untersagt. Doch die Expertin Górka-Winter sieht diese Art der Verstärkung der Ostflanke als notwendig, auch wenn es Russland nicht gefällt.

US-Soldaten in Polen
Warschaus Wunsch: US-Soldaten sollten am liebsten dauerhaft in Polen stationiert seinBild: picture-alliance/dpa/C. Sokolowski

"Es gibt nichts Schlimmeres im Umgang mit Russland als die Passivität. Schon jetzt gibt es Verletzungen des Luftraumes und der Hoheitsgewässer anderer Staaten seitens Russland. Sollten wir weiter ruhig sitzen bleiben, steigert sich diese Haltung", meint die Politologin Górka-Winter. Eine passive Haltung Polens würde russische Cyberattacken provozieren, sagt sie.

Ein Keil in die EU setzen

Hinter der amerikanischen Methode, jene Länder mit Aufmerksamkeit zu bedenken, die ein schwieriges Verhältnis zu Brüssel haben, könnte laut dem Warschauer Politologen Piotr Buras eine Strategie stehen, die auf die Spaltung in der EU abziele. Der Chef des Warschauer Büros des Thinktanks European Council on Foreign Relations (ECFR) kritisiert auch das polnische "Hinterherrennen hinter der amerikanischen Fata Morgana", die die europäische Zusammenarbeit aufs Spiel setze.

"Unter normalen Bedingungen könnte Polen Europa mitgestalten. Das Problem ist, dass unser Blick in eine andere Richtung geht", meint Buras. Als Beispiel nennt er die umstrittene Iran-Konferenz, die Polen im amerikanischen Auftrag im Februar 2019 in Warschau organisierte und die von vielen europäischen Politikern boykottiert wurde. Auch schon 2003 habe Polen mit der Unterstützung des amerikanischen Irak-Einsatzes für eine Spaltung innerhalb der europäischen NATO-Mitglieder gesorgt.

Der Jahrestag wird politisch

Wegen der hochrangigen Besetzung der Gedenkfeierlichkeiten - auch ohne Trump - wird es am 1. September in Warschau an politischen Akzenten nicht fehlen.

Mit Amerika möchte Warschau diesmal auch schon ganz konkret über die Verlegung von zusätzlichen US-Truppen nach Polen reden. Der Besuch soll auch einen Schub für weitere Verträge über Gaslieferungen aus Amerika geben. Beides, Soldaten und Gas aus Amerika, haben Priorität für Warschau, um seine Position gegenüber Moskau zu stärken.

Porträt einer Frau mit kurzen blonden Haaren und blauen Augen
Monika Sieradzka DW-Korrespondentin in Warschau