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PolitikEuropa

Abtreibung kranker Föten in Polen verboten

22. Oktober 2020

Für das höchste polnische Gericht verletzt die bisherige Regelung die Menschenwürde ungeborener Kinder. Damit hat die nationalkonservative Regierungspartei PiS wieder eine Weichenstellung in ihrem Sinne erreicht.

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Julia Przylebska, die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, und Polens Präsident Andrzej Duda (Foto: picture alliance/NurPhoto/M.Wlodaczyk)
Julia Przylebska, die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, und Polens Präsident Andrzej Duda (Archivfoto)Bild: picture alliance/NurPhoto/M.Wlodaczyk

Polens oberstes Gericht hat den Weg für eine weitere Verschärfung des restriktiven Abtreibungsrechts freigemacht. In einem wegweisenden Urteil erklärte die vorsitzende Richterin Julia Przylebska ein Gesetz für verfassungswidrig, das Schwangerschaftsabbrüche im Falle einer schwerwiegenden Fehlbildung des Fötus erlaubt.

Präsident Dudas Zustimmung sicher

Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) setzt sich seit Jahren für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen ein. Sie will, dass Schwangerschaftsabbrüche nur noch dann möglich sind, wenn das Leben der Schwangeren unmittelbar bedroht ist oder sie in Folge einer Vergewaltigung oder durch Inzest schwanger geworden sind. Das nun ergangene Urteil gibt der Regierungsmehrheit im Warschauer Parlament grünes Licht für die Bewilligung eines Gesetzentwurfs zur Kriminalisierung der Abtreibung missgebildeter Föten. In Kraft treten würde das Gesetz erst nach einer Bestätigung durch Präsident Andrzej Duda. Der konservative Staatschef hat aber bereits seine Unterstützung für das Vorhaben erklärt.

Protest von Frauen in Warschau gegen die Gesetzesverschärfung - unter dem wachsamen Blick der Sicherheitskräfte (Foto: Jacek Marczewski/Agencja Gazeta/Reuters)
Protest von Frauen in Warschau gegen das Gerichtsurteil - unter dem wachsamen Blick der SicherheitskräfteBild: Jacek Marczewski/Agencja Gazeta/Reuters

Polen hat bereits jetzt eines der striktesten Abtreibungsrechte Europas. Gegen den Vorstoß von PiS, Abtreibungen auch von missgebildeten Föten zu verbieten, hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder große Demonstrationen gegeben. Kritiker werfen der Regierungspartei vor, im Rahmen der umstrittenen Justizreform zentrale Richterposten mit parteiloyalen Juristen besetzt zu haben.

Tusk: "Entscheidung eines Pseudo-Gerichts"

Scharfe Kritik an dem Urteil kam von der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic. Die Entscheidung sei praktisch "gleichbedeutend mit einem Verbot" von Schwangerschaftsabbrüchen und stelle eine Verletzung der Menschenrechte dar, erklärte sie über Twitter. Sie warnte, dass das Urteil dazu führen werde, dass Frauen, die es sich leisten könnten, heimlich oder im Ausland Abtreibungen vornehmen lassen würden. Für alle anderen bedeute das Urteil "noch größeres Leiden".

Erbitterter Widerstand kommt von Ex-Regierungschef Donald Tusk (Foto: Reuters/P. van de Wouw)
Erbitterter Widerstand kommt von Ex-Regierungschef Donald TuskBild: Reuters/P. van de Wouw

Auch der frühere polnische Ministerpräsident und ehemalige EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk verurteilte die Gerichtsentscheidung. "Das Thema Abtreibung und die Entscheidung eines Pseudo-Gerichts inmitten der grassierenden Pandemie auf die Agenda zu bringen, ist mehr als zynisch", twitterte der liberalkonservative Politiker.

In Polen gibt es jährlich weniger als 2000 legale Schwangerschaftsabbrüche, laut Mijatovic werden die meisten von ihnen mit Missbildungen des Fötus begründet. Frauenrechtsorganisationen schätzen jedoch, dass jedes Jahr bis zu 200.000 Polinnen illegale Abtreibungen vornehmen lassen oder für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland gehen.

sti/uh (afp, dpa, kna)