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Gutmensch gegen Premier

Martin Nejezchleba29. März 2014

Die Bürger der Slowakei wählen einen neuen Präsidenten. In der Stichwahl trifft der amtierende Premier auf einen volksnahen Millionär. Kann der mit seinem Image als "Anti-Politiker" die Wähler überzeugen?

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Bild: picture-alliance/dpa

Früher Nachmittag in der slowakischen 2000-Seelen-Gemeinde Most bei Bratislava. Mütter schieben Kinderwagen, ein Raucher trippelt ungeduldig an einer Bushaltestelle. "Für den Posten des Staatsoberhauptes kandidiere ich mit meiner Erfahrung als Jurist und Politiker", scheppert eine Stimme aus den Dorffunk-Lautsprechern. Der Premier, der Präsident werden will, spricht zum Volk - und keiner hört zu.

Wenige Tage vor der entscheidenden Runde der Präsidentschaftswahl nutzt Premier Robert Fico alle Werbekanäle. Vieles steht auf dem Spiel: die politische Zukunft des Premiers, das Präsidentenamt und – so urteilen viele Beobachter – die Gestalt der slowakischen Politlandschaft.

Die "Gorilla-Krise"

Am Samstag (29.03.2014) entscheiden die Slowaken in einer Stichwahl über ihren künftigen Präsidenten. Die beiden Kandidaten, die bei der ersten Runde vorne lagen, könnten unterschiedlicher nicht sein: Der amtierende Premier und beliebteste Politiker des Landes Robert Fico tritt gegen den "Bürgerkandidaten" Andrej Kiska an. Der Millionär und Gründer der karitativen Organisation "Guter Engel" hat es binnen weniger Monate vom Nobody zum Favoriten in der Wahl geschafft. Sein größter Trumpf ist jener Satz, den er im Wahlkampf wie ein Mantra wiederholt: "Ich bin kein Politiker."

Foto: CTK Photo/Tomas Halasz
Setzt auf sein Image als "Nicht-Poliker": Millionär Andrej KiskaBild: picture-alliance/dpa

"Das Image des Nicht-Politikers, der in die Politik geht, ist momentan sehr anziehend. Die traditionellen Parteien sind in der Krise", sagt Oľga Gyárfášová, Soziologin am Meinungsforschungsinstitut IVO in Bratislava. Geheimdienstakten mit dem Codenamen "Gorilla" brachten vor zwei Jahren den letzten, kollateralen Imageschaden für die etablierten Parteien.

Siegeszug der Sozialdemokraten

Die Abhörprotokolle legten vor den Parlamentswahlen 2012 die enge Verbindung zwischen Politikern und Privatunternehmern offen. Auch deshalb betont Herausforderer Kiska immer wieder seine politische und finanzielle Unabhängigkeit.

Der Korruptionsskandal löste Proteste und den freien Fall der konservativen Regierungsparteien aus. Die sozialdemokratische SMER-SD konnte damals – obwohl auch der Name von Parteichef Fico in den Akten auftaucht – Kapital aus der Krise schlagen. SMER stellt die erste Ein-Parteienregierung in der Nachwendegeschichte des Landes. Auch in den Regionen dominieren die Sozialdemokraten. Fico galt noch vor wenigen Monaten als haushoher Favorit bei den Präsidentschaftswahlen. Und dann kam Kiska.

Foto: dpa.
Punktet mit Erfahrung und Bekanntheit: Premier Robert FicoBild: picture-alliance/dpa

24 Prozent der Stimmen konnte der Millionär in der ersten Runde einfahren. Auf den Plätzen drei und vier landeten die Abgeordnete Radoslav Procházka und der Schauspieler Milan Kňažko. Fico, der die Bevölkerung mit seinem populistischen Politikstil polarisiert, blieb mit 28 Prozent der Stimmen weit hinter den Erwartungen zurück.

"Andrej Kiska ist der gefährlichste Gegner für Fico", meint Peter Spáč, Politologe an der Universität in Brünn. "Die Kandidaten Procházka und Kňažko haben eine gewisse politische Vergangenheit, und ihre Wählerschaft ist eindeutig gegen Fico orientiert", erklärt er. Es sei zu erwarten, dass sich diese Wähler nun zusammen hinter den Bürgerkandidaten Kiska stellen. "Deshalb hat ihn Fico schon vor der ersten Runde scharf attackiert."

Schmutzkampagne im Wahlkampf

In den Postkästen der Wähler tauchten Flugblätter mit der roten Aufschrift "Bewiesene Tatsachen über Andrej Kiska" auf. Dort war zu lesen, der frühere Unternehmer sei Mitglied der umstrittenen Sekte Scientology und durch Zinswucherei zu seinem Vermögen gekommen. Premier Fico weist eine Verbindung zu der Kampagne zurück – wiederholt aber die Vorwürfe bei jeder Gelegenheit. Kiska hat mittlerweile wegen Verleumdung geklagt.

Im letzten Fernsehduell am vergangenen Mittwoch überraschte Fico dann mit Sachlichkeit. Diskutiert wurde beim öffentlichen Sender RTVS über die Ukraine und Europa. Kiska sprach sich für eine schnelle Angliederung des östlichen Nachbarlandes an die EU aus. Premier Fico konterte: "Ich lehne die Vorstellung der ukrainischen Politiker ab, dass wir sie in die Union aufnehmen und alle ihre Schulden bezahlen." Beide machten sich für eine engere Zusammenarbeit zwischen Bratislava und Brüssel stark.

Foto: CTK Photo/Jan Koller
Wer überzeugt die Verdrossenen? Fernsehduell im slowakischen FernsehenBild: picture-alliance/dpa

Präsidiales Experiment?

Ganz ohne Seitenhiebe kam aber auch die finale Debatte nicht aus. Der Politikneuling Kiska als Präsident, das nannte Fico ein „Experiment“. Ob Kiskas Versuchsanordnung gelingt, darüber könnte am Wochenende vor allem die Wahlbeteiligung entscheiden.

In der ersten Runde stimmten nur etwas mehr als 40 Prozent ab. Vor allem die Wähler von Ficos SMER-Partei blieben zu Hause. Sie will Fico jetzt zu zum Gang zu den Wahlurnen animieren und wählt dafür dramatische Worte. „In unsicheren Zeiten braucht die Slowakei einen erfahrenen Politiker und einen guten Patrioten“, tönt es aus den Lautsprechern des Dorfes Most bei Bratislava. Ob sich Fico bei einer Niederlage an der Partei- und Regierungsspitze halten kann, gilt als unsicher. Die Wahllokale schließen um 22 Uhr. Das Ergebnis wird in der Nacht zum Sonntag erwartet.