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Polizei knackt kriminelles Chat-Netzwerk

2. Juli 2020

Ermittlern in Europa ist durch die Entschlüsselung des geheimen Kommunikationsnetzwerks EncroChat ein großer Schlag gegen die organisierte Kriminalität gelungen. Insgesamt wurden mehr als 800 Verdächtige festgenommen.

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Kriminalität I Encrochat Ermittlungen
Bild: picture-alliance/N. Carson

Die Ermittler hatten gut zu tun: Insgesamt schöpfte die Polizei in den Niederlanden und Frankreich mehr als 100 Millionen geheimer Nachrichten zwischen Kriminellen auf der ganzen Welt in Echtzeit ab, wie die europäische Justizbehörde Eurojust in Den Haag mitteilte. Das Eindringen in die technische Infrastruktur des Anbieters von verschlüsselten Kurznachrichten EncroChat habe "Schockwellen durch organisierte Verbrecherbanden quer durch Europa" geschickt, verkündeten Behördenvertreter.

Laut Eurojust wurde das Netzwerk fast ausschließlich vom organisierten Verbrechen genutzt, darunter von Drogenhändlern und Auftraggebern für Morde. Der inzwischen geschlossene Kurznachrichtendienst EncroChat habe 60.000 Nutzer weltweit gehabt, davon allein 10.000 in Großbritannien.

Mehr als 800 Festnahmen

Viele kriminelle Handlungen wie Drogenhandel, Mord, Geldwäsche, Erpressung und Entführung hätten durch die Zerschlagung des Kommunikationsnetzwerks verhindert werden können, erklärten Vertreter von Polizei und Staatsanwaltschaft.

In Großbritannien wurden nach Behördenangaben 746 Menschen festgenommen, zudem rund 60 Millionen Euro und 77 Schusswaffen sichergestellt. In den Niederlanden führten die Ermittlungen zu mehr als hundert Festnahmen. Außerdem wurden mehr als 8000 Kilo Kokain und 1,2 Tonnen Crystal Meth sowie anderen Drogen beschlagnahmt.

Kriminalität I Encrochat Ermittlungen
Die britische Polizei durchsucht ein Haus in Newry, GroßbritannienBild: picture-alliance/N. Carson

Dort seien 19 Labore für synthetische Drogen entdeckt und "Dutzende von automatischen Schusswaffen" sowie "fast 25 Millionen Euro Bargeld" beschlagnahmt worden. Festnahmen gab es den Angaben zufolge auch in Norwegen, Schweden und Spanien.

Eine "Goldmine" für die Fahnder

"Es war, als hätten wir live am Tisch der Kriminellen gesessen", resümierte Janine van den Berg, Leiterin der niederländischen Polizei. "Wir haben die Tatsache ausgenutzt, dass die Kriminellen blind auf die Krypto-Kommunikation vertrauten und frei sprachen", fügte ihr Kollege Andy Kraag hinzu. Er verglich die abgefangenen Informationen mit einer "Goldmine" für die Fahnder. Die Nutzer von EncroChat seien erst am 13. Juni dahinter gekommen, dass sie überwacht werden. Aber es war "zu spät, wir hatten bereits Zugang zu Millionen von Nachrichten", so Kraag.

Nach Angaben der Behörden standen "90 bis 100 Prozent" aller EncroChat-Nutzer in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen. Im Jahr 2020 waren etwa 50.000 verschlüsselte EncroChat-Telefone im Umlauf, davon 12.000 in den Niederlanden.

Telefone ohne Mikros, Kameras oder USB-Anschlüsse

EncroChat hatte sich auf den Verkauf verschlüsselter Telefone an kriminelle Organisationen spezialisiert und garantierte seinen Kunden "totale Anonymität". Die Ausrüstung konnte für etwa 1000 Euro gekauft werden. Angeboten wurden auch Abonnements für 1500 Euro, die einen weltweiten und rund um die Uhr erreichbaren Service versprachen. EncroChat "modifizierte" Blackberrys und Android-Telefone, wobei Mikrofone, Kameras, GPS-Systeme und USB-Anschlüsse entfernt wurden. Eine verschlüsselte Nachrichten-Software des Anbieters ermöglichte aber die Kommunikation auf den Geräten.

Ein speziell präpariertes Telefon von EncroChat
Nicht sprechen nur schreiben: ein speziell präpariertes Telefon von EncroChatBild: MET Police UK

Nach Angaben der EU-Justizverwaltung Eurojust sei die Löschung sämtlicher Nachrichten auf einem Gerät durch die Eingabe eines speziellen PIN-Codes ermöglicht worden. Viele Funktionen wurden "offensichtlich entwickelt, um die schnelle Löschung kompromittierender Nachrichten, zum Beispiel während einer Verhaftung, zu ermöglichen", gab Eurojust an. Erstmals aufmerksam auf EncroChat wurden französische Ermittler, als sie 2017 bei Razzien häufig präparierte Telefone des Anbieters fanden und feststellten, dass EncroChat Server in Frankreich nutzte.

cw/qu (afp, dpa)