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Beamten in Not

Ulrike Hummel18. Dezember 2013

Die Ordnungshüter in Nordrhein-Westfalen sind häufig krank, viele schon älter und nur eingeschränkt diensttauglich. Mehr Migranten könnten das Nachwuchsproblem entschärfen. Ist man auf dem Revier auch darauf vorbereitet?

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Der Düsseldorfer Polizeipräsident Herbert Schenkelberg (l-r), die Polizei-Auszubildenden Suresh Baalasingam aus Sri Lanka, und Fatma Yildiz, deren Vater aus der Türkei stammt, sowie Ausbildungsleiter Polizeihauptkommissar Jack Eßer diskutieren in Düsseldorf bei der Veranstaltung "Düsseldorfer Polizei wirbt um junge Migranten" im Polizeipräsidium (Foto vom 21.02.2011). Die Düsseldorfer Polizei will mehr junge Menschen mit Zuwanderungshintergrund ausbilden. Yildiz und Baalasingam waren zu der Veranstaltung der Düsseldorfer Polizei gekommen, um anderen jungen Menschen mit ausländischer Herkunft von ihren Erfahrungen zu berichten. Foto: Horst Ossinger dpa/lnw (zu dpa-KORR "Vielfalt in Uniform: Düsseldorfer Polizei wirbt um junge Migranten" vom 27.02.2011)
Bild: picture-alliance/dpa

"Es fehlt an allen Ecken und Kanten. Im täglichen Dienst, bei der Sachbearbeitung oder bei der Kriminalprävention", schlägt der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, Alarm. Für den Einsatz im Schichtdienst, zu Großdemonstrationen oder in sozialen Brennpunkten geht der nordrhein-westfälischen Polizei schon jetzt das geeignete Personal aus. Denn längst nicht mehr alle Beamten sind uneingeschränkt einsetzbar, wie die "Arbeitsgruppe Verwendungseinschränkung" jüngst ermittelte.

Der Krankenstand der Gesetzeshüter sei hoch. Hinzu kommt, dass rund 40 Prozent der Beamten in Nordrhein-Westfalen älter als fünfzig Jahre sind. Bei Einsätzen mit großem Personalbedarf - etwa der Bekämpfung von Wohnungseinbrüchen osteuropäischer Banden - sei der Beamtennotstand besonders spürbar. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) will dem Personalproblem mit vermehrten Neueinstellungen begegnen. Jährlich sollen nun 1500 Abiturienten für den Dienst gewonnen werden.

Polizeiberuf für Realschüler öffnen

Erich Rettinghaus, nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (Foto: DW/Ulrike Hummel)
Erich Rettinghaus: "Es fehlt an allen Ecken und Kanten"Bild: Ulrike Hummel

Zuletzt hat die Polizei mit Rap-Videos um Nachwuchs geworben. Auf ihrer Internetseite wendet sie sich speziell an junge Menschen mit Migrationshintergrund. "Es ist schwierig, in diesem Bereich geeignete Bewerber zu finden", sagt Rettinghaus. Im vergangenen Jahr habe man landesweit 1757 Bewerber mit Migrationshintergrund gehabt. Doch nur 161 konnten tatsächlich eingestellt werden - die anderen erfüllten nicht die Einstellungsvoraussetzungen. Der Gewerkschafter plädiert seit Langem dafür, den Polizeiberuf künftig für Realschüler zu öffnen.

Ein Anliegen, das Anfang 2014 im Landtag diskutiert werden soll. Auch in Köln sei man intensiv bemüht, junge Leute mit Migrationshintergrund für den Polizeiberuf zu gewinnen, sagt Polizeipräsident Wolfgang Albers. "Ich bin froh, dass wir Kolleginnen und Kollegen mit Zuwanderungsgeschichte haben, die auch ganz offen damit umgehen". Das sei wichtig, um junge Menschen in Migrantenmilieus auf berufliche Perspektiven bei der Polizei aufmerksam zu machen.

Interkulturelle Kompetenzen sichern

Website der Polizei NRW (Foto: Screenshot)
Die Polizei wirbt auf allen Kanälen um NachwuchsBild: Ulrike Hummel

Eine Werbeoffensive bei Zuwanderern könnte die Zahl der Bewerber weiter erhöhen. Doch es gibt noch andere Gründe, diese Zielgruppe im Blick zu haben. Die Polizei sei ein Spiegel der Gesellschaft, sagt Erich Rettinghaus. "Wir haben eine multikulturelle Gesellschaft und sind mittlerweile ein Land mit großer Zuwanderung und vielen Kulturen. Das spiegelt sich auch im Polizeibereich wieder." Im täglichen Dienst müsse und wolle man sich interkulturelle Kompetenzen sichern, um Einsätze besser bewältigen zu können. Die Polizei erhoffe sich durch einen höheren Migrantenanteil aber auch mehr Akzeptanz in Stadtvierteln mit vielen Zuwanderern. Denn dort entgleiten Situationen häufig - auch weil Jugendliche die Polizisten wenig respektieren.

Bei der Kölner Polizei gibt es seit 2006 sogenannte "Kontaktbeamte für muslimische Institutionen" (KMI).Sie sollen Vertrauen schaffen zwischen den Ordnungshütern und den in Köln lebenden Muslimen, sagt Matthias Ferring. Seit ein paar Jahren schon ist er an einem Präventionsprojekt mit muslimischen Jugendlichen beteiligt - eine gute Grundlage für seinen neuen Job. "Es geht darum, dass wir mit den Verbänden, mit den muslimischen Institutionen insgesamt, eine Vertrauensebene schaffen, sodass wir auch über schwierige Themen sprechen können". Andererseits gehöre es zu den Aufgaben eines Kontaktbeamten, die Kollegen in Sachen Islam zu sensibilisieren und die Beamten über Extremismus zu informieren.

Matthias Ferring (Foto: DW/Hummel)
Eine Polizistin mit Kopftuch? Matthias Ferring hat daran seine ZweifelBild: Ulrike Hummel

Mit Kopftuch und Kippa zum Dienst?

Eine Annäherung zwischen Polizei und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte könnte die Personalrekrutierung in diesem Bereich verbessern. Doch sind die Ordnungshüter auf kulturelle Vielfalt in den eigenen Reihen überhaupt vorbereitet? Bieten die Kantinen auch islamkonforme Kost an? Und was, wenn die Kollegin plötzlich mit Kopftuch zum Dienst erscheint? "Nicht alle Muslime, die bei der Polizei sind, sind praktizierende Muslime", sagt Matthias Ferring. Die Kantine im Kölner Polizeipräsidium werde von einem externen Unternehmen geführt - da habe man nur einen begrenzten Einfluss. Ganz wenige Polizisten nutzten das Angebot im Haus. "Es gibt in der Stadt so viele Möglichkeiten, wo auch Muslime satt werden können." Sonderregelungen für den Fastenmonat Ramadan gäbe es derzeit noch nicht. Das werde bei Bedarf individuell in den Dienststellen gelöst.

Koran und Bibel im "Raum der Stille"
"Raum der Stille"- Ort für die Muslime zum betenBild: Ulrike Hummel

Aber einen interreligiösen "Raum der Stille" stellt das Kölner Polizeipräsidium den Beamten zur Verfügung. "Wenn unsere muslimische Jugendgruppe zum Training kommt, dann nutzen sie auch diesen Raum hier, um zu beten". Das habe sich als Normalität eingespielt. Doch mit der Vorstellung, dass eine Kollegin eines Tages mit Kopftuch und Polizeimütze den Verkehr in Köln regelt, kann sich Matthias Ferring nicht so recht anfreunden. Mit der Frage müsse sich dann das Innenministerium in Düsseldorf beschäftigen.

Nicht so in Schweden: Dort dürfen Polizistinnen und Polizisten Turban, Kopftuch oder die jüdische Kippa tragen. Und in Großbritannien ist es schon lange üblich, dass Soldaten, Richter oder Polizisten indischer Herkunft mit Turban im Dienst erscheinen. Hierzulande regeln die einzelnen Bundesländer das Erscheinungsbild der Polizei durch Dienstkleidungsordnungen - das Tragen von Kopftuch, Kippa oder Turban ist zumindest in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht geregelt.