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Deutsch-polnische Verstimmung

10. Januar 2016

Nach der Kritik am neuen Mediengesetz in Polen hat die Regierung in Warschau den deutschen Botschafter zu einem Gespräch zitiert. Deutsche Politiker hatten die Rechtsstaatlichkeit Polens in Frage gestellt.

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Porträt Rolf Wilhelm Nikel - deutscher Botschafter in Polen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski bestellte den deutschen Botschafter Rolf Nikel (Artikelbild) für Montag zu einem Treffen. Grund seien die "antipolnischen Äußerungen deutscher Politiker", heißt es in einer Mitteilung. Die deutsche Botschaft in Warschau erklärte dazu, Nikel sei zu einem Gespräch gebeten worden. Es handele sich nicht um eine formelle Einbestellung, betonte Botschftssprecher Lukas Wasielewski. "Wir erwarten ein Gespräch unter Partnern", fügte er hinzu. Das Ministerium habe am Samstagabend zu dem Gespräch am Montagmorgen gebeten.

Zuvor hatte der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Artur Dmochowski, mitgeteilt, der deutsche Botschafter sei zu einem Treffen gebeten worden. Diese Formulierung wird vom polnischen Außenministerium auch für eine Einbestellung verwendet. Grund seien die "antipolnischen Äußerungen deutscher Politiker". Bei einer förmlichen Einbestellung wird ein Botschafter in das Außenministerium des Gastlandes zitiert. Es handelt sich dabei um eine feststehende Form des Protests gegen das von dem betroffenen Botschafter vertretene Land.

Demonstranten mit polnischen und EU-Flaggen (Foto: Reuters)
Zehntausende protestierten am Samstag in Warschau gegen das neue MediengesetzBild: Reuters/K. Pempel

Mehrere deutsche Politiker hatten die umstrittene Gesetzgebung der neuen nationalkonservativen Regierung kritisiert. In der kommenden Woche berät die EU-Kommission über die Lage in Polen.

Am vergangenen Freitag war ein neues Mediengesetz in Kraft getreten, das die öffentlich-rechtlichen Sender Polens de facto unter Regierungskontrolle stellt. Zum Jahreswechsel war es im Eilverfahren verabschiedet und am Donnerstag von Staatspräsident Andrzej Duda unterzeichnet worden. Die nationalkonservative Mehrheit hatte zuvor bereits ein Gesetz zur indirekten Entmachtung des Verfassungsgerichts durchgebracht.

Zehntausende Polen waren deshalb am Samstag aus Protest auf die Straße gegangen. Auch in Berlin demonstrierten Unter den Linden zahlreiche Menschen gegen den Kurs der polnischen Regierung. "Es gibt keine Demokratie ohne freie Medien", war auf einem Plakat zu lesen.

Justizminister verteidigt neues Mediengesetz

Mit einem offenen Brief hatte Polens Justizminister Zbigniew Ziobro die Kritik aus Deutschland pariert. "Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)", heißt es in dem Schreiben, das unter anderem auf der rechtskatholischen Webseite "Fronda.pl" veröffentlicht wurde.

Porträt Zbigniew Ziobro (Foto: Imago)
Minister Ziobro hält Polen für demokratischer als DeutschlandBild: Imago/Zuma Press

Mit Blick auf die Zusammensetzung der Rundfunkräte in Deutschland behauptet er: "Wer die Macht hat, hat das Radio". Ziobro sprach zudem von "medialer Zensur der deutschen Medien" im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die frauenverachtenden Übergriffe in Köln und anderen Städten, "die auch Sorgen um die Sicherheit der in Deutschland lebenden Bürger wecken".

Vorwürfe gegen EU-Kommissar Oettinger

Außerdem griff der Minister auch EU-Kommissar Günther Oettinger an, der am vergangenen Wochenende in einem Interview angeregt hatte, Polen unter EU-Aufsicht zu stellen. "Solche Worte von einem deutschen Politiker wecken bei Polen die schlimmsten Assoziationen. Auch meine. Ich bin der Enkel eines polnischen Offiziers, der im Zweiten Weltkrieg im Untergrund gegen die 'deutsche Aufsicht' kämpfte."

uh/pg (dpa)