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Menschenrechtslage in Russland

Mariya Rüttinger / Markian Ostaptschuk20. Dezember 2012

In Russland haben Aktivisten zusätzlich zum Menschenrechtsrat beim Präsidenten einen neuen unabhängigen Rat geschaffen. Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow nimmt im DW-Interview dazu Stellung.

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Portrait von Lew Ponomarjow (Foto: DW)
Lew PonomarjowBild: DW / Winigradow

Deutsche Welle: Seit Mitte Dezember gibt es in Russland einen "Unabhängigen Menschenrechtsrat". Wie ist es zu der Gründung des Rates gekommen?

Lew Ponomarjow: Es gab mehrere Initiativen. Einige Mitglieder hatten den Menschenrechtsrat beim Präsidenten [aus Protest gegen die Politik des Kremls – Anm. d. Red.] verlassen und wollten ihre Tätigkeit unabhängig fortsetzen. Das waren beispielsweise die Menschenrechtlerinnen Ljudmila Alexejewa und Irina Jasina. Alexejewa hatte die Idee, diejenigen zu vereinigen, die den Menschenrechtsrat beim Präsidenten verlassen hatten. Das war die eine Initiative. Die andere ging von denjenigen aus, die dem Menschenrechtsrat beim Präsidenten nie angehört hatten. Sie waren der Ansicht, dass man eine andere einflussreiche Struktur schaffen müsse, die sich intensiver mit Menschenrechtsfragen befassen würde.

Hat dabei auch die Diskussion eine Rolle gespielt, wie unabhängig die Mitglieder des Menschenrechtsrats beim Präsidenten überhaupt sein können?

Diese Diskussion wird natürlich ständig geführt. Es ist offensichtlich, dass der Menschenrechtsrat beim Präsidenten nicht unabhängig sein kann. Denn er wird zusammengesetzt nach Listen, die vom Präsidenten bestätigt werden. Ich unterstütze diese Diskussion aber nicht. Denn ich bin der Meinung, dass der Menschenrechtsrat beim Präsidenten trotzdem viel unternimmt. Eine andere Sache ist, dass der Präsident den Empfehlungen des Rates manchmal keine Beachtung schenkt. So trat der Rat beispielsweise gegen die Verabschiedung des Gesetzes über Nichtregierungsorganisationen und des neuen Hochverratsgesetzes ein. Wenn der Menschenrechtsrat, der von einem Berater des Präsidenten geleitet wird, empfiehlt, bestimmte Gesetze nicht zu verabschieden, diese aber trotzdem angenommen werden, dann kann man natürlich sagen, dass der Rat sinnlos ist. So ist es aber nicht ganz. Manchmal spielen dessen Empfehlungen eine wesentliche Rolle. Deswegen sollte er seine Arbeit fortsetzen. Die Lage der Menschenrechte in Russland ist so schlecht, dass es gut ist, wenn es mehrere einflussreiche Strukturen gibt.

Betrachtet sich der neue "Unabhängige Menschenrechtsrat" als Alternative oder sogar als Konkurrenz zum Menschenrechtsrat beim Präsidenten?

Er wird sich nicht als eine Alternative betrachten. Denn ihm gehören auch Personen an, die zugleich im Menschenrechtsrat des Präsidenten sitzen.

Werden die beiden Menschenrechtsräte kooperieren?

Natürlich werden sie zusammenarbeiten. Auch ich habe immer mit dem Menschenrechtsrat beim Präsidenten kooperiert, obwohl ich ihm nie angehört habe. Man hatte mich zu ihm eingeladen, aber ich bin ihm nicht beigetreten. Das war meine persönliche Entscheidung. Aber ich habe niemals diejenigen verurteilt, die in dem Rat tätig waren.

Das Gespräch führte Mariya Rüttinger

Lew Ponomarjow gilt als einer der aktivsten russischen Menschenrechtler und leitet die Bewegung "Für Menschenrechte". Er gehört zu den Gründern der Gesellschaft zum Gedenken an Opfer politischer Repressionen "Memorial" und ist Mitglied des politischen Rates der oppositionellen Bewegung "Solidarität".