Portugal: Schärfere Regeln für Migranten
1. Oktober 2024Der Schuss könnte auch nach hinten losgehen: Portugal hat plötzlich und überraschend mit der Praxis Schluss gemacht, dass illegal eingereiste Arbeitsmigranten eine Arbeitserlaubnis bekommen können, ohne vorher das Land verlassen zu müssen. Das sei lediglich eine Anpassung an europäische Regeln, meint der zuständige Staatssekretär Rui Armindo Freitas.
Es sei ein Zugeständnis an populistische Rechtsparteien, die gegen Einwanderer trommeln, finden Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. Vor allem jedoch sei es ein Beweis, dass es in Portugals Einwanderungspolitik eher drunter und drüber gehe - bis jetzt zumindest.
Erst Aufenthaltserlaubnis dann Einreise
"Bei der Einwanderungsbehörde AIMA haben sich rund 400.000 Legalisierungsanträge aufgestaut", erklärt Staatssekretär Freitas im DW-Interview. Die Möglichkeit, erst einmal einzureisen und sich danach die nötigen Papiere zu beschaffen, habe viele illegale Arbeitsmigranten angelockt. Dem musste, so der Politiker, schnell ein Riegel vorgeschoben werden.
"Bis spätestens Juni nächsten Jahres soll die Bearbeitung der Anträge erfolgen, die teilweise schon vor zwei Jahren gestellt wurden. Wir wollen Probleme lösen, die über viele Jahre hinweg angewachsen sind," versichert Rui Armindo Freitas. Seit Juni müssen Migranten, die in Portugal arbeiten wollen, ihre Aufenthaltserlaubnis in einer portugiesischen Vertretung im Ausland beantragen.
Wirtschaft braucht ausländische Arbeitskräfte
Das sorgt prompt für Ärger. Denn in vielen der traditionellen Herkunftsländer hat Portugal weder Botschaften noch Konsulate. Landarbeiter und Erntehelfer, die zumeist aus Nepal oder Bangladesch kommen, müssten jetzt ihre Visa auf der portugiesischen Botschaft in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi beantragen.
Das sei nicht praktikabel, meint der Generalsekretär des portugiesischen Bauernverbandes Luís Mira: "Wir brauchen die Leute zur Erntezeit und nicht irgendwann später. Da steht die Regierung in der Pflicht, den Arbeitern zu ermöglichen, weiter schnell und ohne viel Bürokratie nach Portugal zu kommen."
Extremisten hetzen gegen Migranten
In der Tat geht in Portugal längst nichts mehr ohne ausländische Arbeitskräfte: Vor allem Asiaten arbeiten in der Landwirtschaft, ernten für wenig Lohn Brokkoli und Oliven, pflückten Beeren, die dann auch nach Deutschland exportiert werden. Ohne Brasilianer müssten viele Restaurants und Cafés schließen; auf den Baustellen schuften Afrikaner.
Viele von ihnen sind zunächst ohne die nötigen Dokumente nach Portugal gekommen. Sie zahlen zwar Steuern und Sozialabgaben, warten oft aber immer noch auf ihre Aufenthaltserlaubnis. Und obwohl sie Wirtschaft und Sozialsysteme mit am Laufen halten, schüren Populisten den Hass auf sie.
Die rechtsradikale Partei Chega, die bei den letzten Wahlen viele Parlamentssitze dazugewinnen konnte, fordert Einwanderungsquoten und ein Referendum zum Thema Immigration. Staatssekretär Rui Armindo Freitas hält dagegen: "Wir wollen nicht weniger Migranten, sondern klare Regeln für die Einwanderung von Arbeitskräften. Auch, damit das Thema nicht von Extremisten für sich in Anspruch genommen werden kann."
Portugal sehe die Vorteile einer multikulturellen Gesellschaft, betont der Staatssekretär. Bei den neuen Vorschriften gehe es darum, den Menschen, die nach Portugal kämen, die nötigen Rechte und Sicherheiten zu garantieren: "Wir müssen diejenigen, die kommen, auch integrieren. Das ist wichtig. Unsere Wirtschaft braucht ausländische Arbeitskräfte. Und die neuen Regeln sind gut für die, die ins Land kommen und für die, die hier leben." Außerdem werde verhindert, dass Migranten die Opfer von illegalen Schlepperbanden würden.
Wächst nun die Zahl der illegalen Migranten?
Doch während die Zahl der Aufenthaltserlaubnisanträge, die im Ausland gestellt werden, in den vergangenen drei Monaten um fast ein Viertel zurückgegangen ist, kommen laut verschiedener NGOs noch immer viele Menschen illegal ins Land: "Auf den Feldern und in den Restaurants arbeiten fast nur noch Ausländer. Sie werden immer mehr, man muss nur aufmerksam durch die Straßen unserer Städte gehen, um das zu sehen. Und sie kommen, weil sie gebraucht werden", sagt Alberto Matos von der NGO Solim.
"Wenn diese Migranten ihre Situation nicht mehr nach der Ankunft legalisieren können, wird die Zahl der Illegalen ständig weiterwachsen." Und dann wäre der Schuss mit den neuen Einwanderungsregelungen in Portugal in der Tat nach hinten losgegangen.