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Post für den Bundeskanzler

Christine Harjes22. April 2005

Was verbindet U2-Frontmann Bono mit Claudia Schiffer, Wim Wenders und Justin Timberlake? Sie sind alle ziemlich reich. Und sie alle schnippen gegen die Armut - in einem Werbespot. Das Produkt: Die UN-Millenniumsziele.

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Grönemeyer: Vorschnipper im deutschen SpotBild: dpa

Zwischen nervigen Handy-Klingeltönen und Video-Clips wird es plötzlich still beim Musiksender MTV. Ein Werbespot in schwarz-weiß und ganz ohne Musik läuft. Internationale Stars wie Cameron Diaz, Kylie Minogue, Brad Pitt und George Clooney erscheinen nacheinander im Bild und schnippen. Alle drei Sekunden. Denn alle drei Sekunden stirbt laut UNICEF ein Kind an den Folgen großer Armut. Um mit diesem Rhythmus Alarm zu schlagen, schnippen auch deutsche Promis wie Anne Will und Herbert Grönemeyer bei der Aktion mit. Unter dem Namen "Deine Stimme gegen Armut" haben sich weltweit Nicht-Regierungsorganisationen und Künstler zusammengetan, um sich mit dem Fernseh- und Kinospot gemeinsam für die Bekämpfung der Armut einzusetzen.

E-Mails statt Geld

Bono von U2
Erfahrungen im Benefiz-Bereich: Bono in einer AIDS-Klinik in Süd-AfrikaBild: AP

Spenden soll der Zuschauer diesmal allerdings nicht. Bono & Co. wollen Stimmen. Der Aufruf "Deine Stimme gegen Armut" bedeutet konkret, man soll seinen Regierungschef in einer E-Mail auffordern, die Versprechen vom Millenniumsgipfel vor fünf Jahren einzuhalten. Damals hatten sich fast alle UNO-Staaten verpflichtet, bis 2015 Armut und Hunger auf der Welt zu halbieren. Bei den weiteren sechs Zielen geht es unter anderem um AIDS, Bildung und Umwelt (siehe "Stichwort: Millenniumsziele"). Bei der Umsetzung dieser Ziele gibt es allerdings Probleme, wie Ende Januar ein Zwischenbericht der UNO deutlich machte. So hatten die Industriestaaten versprochen, bis 2015 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben - im vergangenen Jahr hat Deutschland 0,28 Prozent gezahlt. Auch die anderen G-7-Staaten haben ihre Versprechen nicht eingehalten.

Interesse für unbequeme Fragen

Herbert Grönemeyer Deine Stimme gegen Armut
Herbert Grönemeyer (rechts) mit Reinhard HermleBild: VENRO/ Bildschön

Bei Entwicklungsorganisationen stehen die Regierungen für diese Politik schon lange in der Kritik. Mit den prominenten Werbeträgern hoffen sie jetzt auf mehr Einfluss. Rainhard Hermle, Vorsitzender von Venro, dem Bundesverband entwicklungspolitischer Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), sieht die Zusammenarbeit pragmatisch. "Dahinter steckt natürlich auch Kalkül, die Bevölkerung für bestimmte Fragen zu interessieren, die sonst eher unbequem sind." Mit dem Promi-Spot könne man breitere Bevölkerungsschichten erreichen, sagt Hermle. Die NRO seien in ihren Möglichkeiten begrenzt. Auch wenn sie mitredeten und Druck machten. Angst, dass die Promis beim Thema Entwicklungspolitik bei Themen mitreden wollen, bei denen sie sich nicht richtig auskennen, hat Hermle nicht. "Wir spannen die Potenziale", sagt Hermle. "Die Prominenten vertreten das mit den Mitteln, die sie zur Verfügung haben." Also mit Schnippen. "Bisher hat ja auch nur Grönemeyer etwas gesagt", fügt Hermle hinzu und klingt fast erleichtert über diesen Umstand.

Zweischneidige Sache

Mit der Glaubwürdigkeit der Prominenten habe er aber grundsätzlich keine Probleme, sagt Hermle. Dabei zahlt Claudia Schiffer ihre Steuern statt in Deutschland lieber im Ausland und Justin Timberlake lässt sich von MTV im Konsum-Vollrausch filmen. Soziales Engagement zur eigenen Imagepflege? Auch diese Gefahr sieht Hermle gelassen: "Das ist immer eine zweischneidige Sache. Wir können nicht in die Köpfe und Herzen der Menschen reingucken. Wir gucken, ob sich ihr Engagement mit ihrem Image verträgt und da hatten wir bei diesen Leuten keine Vorbehalte."

Öffentlicher Druck

Und was bringt das Ganze nun? "Nichts", sagt ein Sprecher der Bundesregierung. Politik dürfe schließlich nicht von Kampagnen abhängig sein. Allerdings, räumt der Sprecher ein, nehme man solche Aktionen zur Kenntnis und setze sich inhaltlich mit ihnen auseinander. "Das hängt aber nicht davon ab, wie viele Zuschriften kommen, sondern ist von der Qualität der Argumente abhängig", sagt der Sprecher. Trotzdem: Die NRO und die prominenten Schnipper hoffen weiter, dass sie ihren Regierungschef mit öffentlichem Druck beeinflussen können. Rund 8500 E-Mails und mehrere 100 Briefe sind seit Anfang April bei Venro eingegangen. Die Zuschriften sollen dem Kanzler dann jeweils gesammelt zum G-8-Gipfel (dann mit Russland) im Juli und zum UN-Gipfel im September übergeben werden.