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Prag für fachliche Entwicklung besser geeignet als Hamburg

10. Oktober 2002

– Prager Kardiologe: Ärzte in Deutschland machen guten Eindruck, aber wir machen Weltspitze-Medizin

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Prag, 9.10.2002, MLADA FRONTA DNES, tschech.

Tschechische Ärzte werden schlechter bezahlt als ihre westlichen Kollegen. Das veranlasst sie, zumindest vorübergehend ins Ausland zu gehen. Womit kehren sie zurück? Vor allem mit der Erfahrung, dass die tschechische Medizin überhaupt nicht schlechter ist. Andererseits stellen sie fest, dass es hierzulande noch Vieles gibt, was nicht richtig funktioniert.

Vor drei Jahren ging der Kardiologe Vit Razek von der kardiologischen Klinik im Prager Stadtteil Motol nach Hamburg. Dort wurde nach einem Spezialisten für Herzerkrankungen bei Kindern gesucht. In diesem Jahr kam der Arzt zurück. Während seiner Tätigkeit in der Hansestadt im deutschen Norden konnte er sich ein Finanzpolster zulegen. Für die fachliche Weiterentwicklung sieht er jedoch in Prag keine Beschränkungen. Im Gegenteil. "Meine Erwartungen waren, dass ich in Hamburg einer scharfen Konkurrenz ausgesetzt sein würde. In fachlicher Hinsicht ist allerdings meine Dienststelle hier in Prag besser."

In Deutschland gibt es im Medizin-Bereich auch andere Hierarchiestrukturen. "Wenn ein Arzt vierzig ist wie ich, ist er entweder in der Chefetage oder in seiner Privatpraxis. Dabei schützt der Mediziner seine Kenntnisse auf eine besondere Weise als sein persönliches Know-how, das ihm Geld bringt. Vieles wird nicht weitergegeben. Junge Ärzte müssen selber – auch durch Kampf in der Praxis - lernen", fasst Razek seine Erfahrungen zusammen.

Wenn man glaubt, dass in Deutschland eine bessere medizinische Betreuung zu bekommen ist, ist dies auf das Selbstbewusstsein der Ärzte und auf das Erscheinungsbild der Krankenhäuser zurückzuführen. Die deutschen Ärzte benehmen sich und sie wirken auch selbstsicherer. "Sie genießen einen höheren Respekt seitens der Eltern. Und dies auch dann, wenn ihr krankes Kind stirbt. Bei den Eltern gibt es das Gefühl: wenn das unsere Ärzte nicht geschafft haben, würde es auch niemand sonst schaffen. Der erste Eindruck macht zumindest 30 Prozent der Zufriedenheit aus. Auf der anderen Seite stimmt es schon, dass, wenn man aus dem Westen wieder nach Hause kommt, man sich hier ein bisschen wie in Russland vorkommt", konstatiert der Kardiologe Razek.

Die Kinderklinik des Krankenhauses im Prager Stadtteil Motol, wo Weltspitze-Medizin gemacht wird, befindet sich 30 Jahre nach seiner Inbetriebnahme in einem schlimmen Zustand. Geld für die notwendigen Reparaturen gibt es nicht. "In Deutschland werden regelmäßig nach zehn Jahren komplette Einrichtungen in den Krankenhäusern ausgetauscht. Dabei wird zum Beispiel großer Wert sogar auf die Teppichfarbe in Besprechungsräumen gelegt. Den Ärzten stehen teure Computer zur Verfügung. Sie werden aber nicht immer effektiv genutzt, denn in Deutschland spart man beim Personal, was sich selbstverständlich auch bei der Bedienung der teuren Maschinen niederschlägt. Mich selbst haben die Kollegen in Hamburg sogar für einen Computer-Experten gehalten", erzählt Razek. (...)

Materiell sind Ärzte in Deutschland sowohl beruflich als auch privat besser dran. "Aber was die fachliche Kompetenz betrifft, sind unsere tschechischen Ärzte mindestens genauso gut wie die deutschen," behauptet nach einem dreijährigen Arbeitsaufenthalt in einer Hamburger Klinik der Herzspezialist Vit Razek. Er will sich beruflich weiterentwickeln und dafür sieht er in Prag bessere Bedingungen als im Ausland. (ykk)