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Preiskrieg ums Öl?

Matthias von Hein26. November 2014

Ein um 30 Prozent gefallener Ölpreis macht das bevorstehende OPEC-Treffen zum spannendsten seit Jahren. Zwar gibt es keine gemeinsame Linie der großen Förderländer. Dafür sprechen Verschwörungstheorien vom Öl als Waffe.

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Saudi-Arabien Energie Ölraffinerie
Bild: picture-alliance/dpa

Öl ist das Schmiermittel der Weltwirtschaft. Es ist der wichtigste strategische Rohstoff. Der Preis für das schwarze Gold hat die Macht, die Weltwirtschaft zu beflügeln - oder sie abzuwürgen. So wie ein hoher Ölpreis die Produzenten freut und die Verbraucher schmerzt, kann ein niedriger Ölpreis die Erzeuger in arge Bedrängnis bringen, während der Autofahrer sich an der Tankstelle über den billigen Sprit freut. Russland etwa leidet massiv unter den niedrigen Ölpreisen. Am Montag fasste derrussische Finanzminister Anton Siluanow das in Zahlen: Demnach kostet der in den letzten Monaten um rund 30 Prozent gesunkene Ölpreis Russland pro Jahr knapp 100 Milliarden US-Dollar. Die Kosten der westlichen Sanktionen bezifferte Siluanow dagegen auf lediglich rund 40 Milliarden US-Dollar. Auch Venezuela oder auch der Iran stöhnen unter den niedrigen Ölpreisen. Venezuela etwa braucht nach einer Analyse der Deutschen Bank einen Ölpreis von rund 160 US-Dollar pro Barrel um seinen Staatshaushalt auszugleichen. Der Iran benötigt einen Preis von etwa 125 US-Dollar pro Barrel. Derzeit ist der Preis aber unter die 80-US-Dollar-Marke gesunken.

Infografik Rohölpreis und Haushalte ölfördernder Länder(Copyright: Deutsche Welle/Peter Steinmetz)
Niedrige Preise machen Produzenten zu schaffen

Gerangel um Förderquoten

Zwar stehen die zwölf in der OPEC organisierten Ölproduzenten nur für ein Drittel der weltweiten Förderung. Aber die Organisation könnte die Förderung drosseln, um den Preis zu stabilisieren oder gar wieder in die Höhe zu treiben. Nach Angaben der Deutschen Bank hat das Kartell das seit 1984 insgesamt elf Mal erfolgreich durchgesetzt. Russland - kein OPEC-Mitglied - forderte im Vorfeld des Treffens bereits eine Reduzierung der Fördermengen. In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Tass schlug Russlands Präsident Wladimir Putin drohende Töne an und warnte vor einem Domino-Effekt: "Die moderne Welt ist miteinander verwoben. Es ist bei Weitem nicht garantiert, dass die Sanktionen, der Ölpreis-Verfall und der Wertverlust des Rubels nur für uns katastrophale Konsequenzen haben." Einen Tag vor der OPEC-Konferenz kündigte der russische Ölkonzern Rosneft sogar eine Drosselung der Förderung um 25.000 Barrel täglich an - in der Hoffnung, ein Signal an die OPEC zu senden. Die Märkte zeigten sich davon allerdings unbeeindruckt.

Moskau: Blick aus einer Wechselstube im November 2014. Die Umrechnungskurse sind in roter Schrift spiegelverkehrt zu sehen. (Copyright REUTERS/Alexander Demianchuk)
Mit dem Ölpreis auf Talfahrt: Währung und Wirtschaft RusslandsBild: Reuters/Alexander Demianchuk

Preismacher Saudi-Arabien

Wenn von einer Einschränkung der Förderung die Rede ist, richten sich für gewöhnlich die Blicke auf Saudi-Arabien. Denn das Wüstenkönigreich ist ein sogenannter "Swing Producer", erklärt Leon Leschus, Rohstoffexperte beim Hamburger Weltwirtschaftsinstitut HWWI. Saudi Arabien ist der mit deutlichem Abstand größte Ölproduzent der OPEC. "Wenn es in der Vergangenheit zu Öl-Ausfällen in der Produktion kam, ist Saudi Arabien eingesprungen und hat seine Produktion kräftig ausgedehnt," so Leschus im Gespräch mit der Deutschen Welle. Um gleich darauf zu ergänzen: "Es ist natürlich leichter, seine Produktion auszudehnen, weil man dann natürlich auch höhere Einnahmen erzielt, als wenn man auf der anderen Seite sich entscheiden muss, seine Produktion zurückzufahren." Jedenfalls verfügt Saudi-Arabien über so viel Macht am Markt, dass sein Verhalten die Preisbildung maßgeblich beeinflusst. Das hat auch US-Außenminister John Kerry bei einer Reise nach Saudi-Arabien im September ausdrücklich anerkannt. Auf die Frage, ob bei seinem Besuch auch darüber gesprochen worden sei, dass Russland einen Ölpreis über 100 US-Dollar pro Barrel brauche, hat Kerry Medienberichten zufolge zunächst gelächelt und dann gesagt: "Die Saudis sind sich ihrer Fähigkeit, den Ölpreis zu beeinflussen sehr, sehr bewusst."Diese Fähigkeit haben auch die USA selbst. Das ist zumindest die Meinung der US-Investor-Legende George Soros. Am 20. März regte Soros bei einer Podiumsdiskussion der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin an, die USA sollten Öl aus ihrer strategischen Reserve auf den Markt werfen, um über einen sinkenden Ölpreis Druck auf Moskau auszuüben. "Die russische Wirtschaft ist schwach, weil die Oligarchen, die das Land steuern, ihr nicht trauen und ihr Geld ins Ausland bringen", so Soros. "Wenn man also den Zustrom von Geld stoppt, zwingt man die russische Wirtschaft in die Knie." Eine Prognose der russischen Zentralbank geht für dieses Jahr von einem Kapitalabfluss in Höhe von 128 Milliarden US-Dollar aus - mehr als doppelt so viel wie im letzten Jahr.

Ölminister von Saudi Arabien Ali Ibrahim Naimi. (Copyright: ddp images/AP Photo/Bela Szandelszky)
Denkt nicht an Drosselung der Förderung: Der Saudische Ölminister NaimiBild: dapd

Verschwörungstheorien haben Konjunktur

Es ist daher kein Wunder, dass vor dem OPEC-Treffen Verschwörungstheorien Hochkonjunktur haben. Besonders virulent ist die These von einem geopolitischen Zusammenspiel Saudi-Arabiens und den USA mit dem Ziel, sowohl Russland als auch den Iran wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Frank Umbach, Forschungsdirektor beim European Center for Energy and Resource Security am Londoner Kings College weist darauf hin, dass es so ein Zusammenspiel in den 1980er Jahren schon einmal gegeben habe. "1986 fiel der Ölpreis um über 50 Prozent. Und das war der Beginn des ökonomischen Kollapses der Sowjetunion." Den derzeitigen Preissturz möchte Energieexperte Umbach aber nicht auf eine Kooperation zwischen den USA und Saudi-Arabien zurückführen. Er sieht beide Ölproduzenten eher in einer verschärften Rivalität: "Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass Saudi-Arabien testen will, wie stark der Ölpreis fallen muss, um größere Auswirkungen auf die Schieferölproduktion in den USA zu haben." Das technisch aufwändige Fracking lohnt sich nach Angaben des Hamburger Rohstoffexperten Leschus nämlich erst bei einem Preis zwischen 80 und 90 US-Dollar. Es ist aber genau der mit dem Fracking verbundene Schieferölboom in den USA, der die Märkte aufgemischt und die USA in den letzten Jahren zu einem der größten Ölproduzenten der Welt gemacht hat.

Ölschwemme als Konjunkturpaket

Derzeit überschwemmt ein Überangebot an Öl den Markt. Mitte November veröffentlichte die Internationale Energieagentur IEA in Paris die entsprechenden Zahlen: Einer weltweiten Produktion von 94,2 Millionen Barrel pro Tag steht in diesem Jahr eine globale Nachfrage von 92, 4 Millionen Barrel pro Tag gegenüber, die im nächsten Jahr auf 93, 6 Millionen Barrel pro Tag ansteigen dürfte.

Vor dem OPEC Treffen berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, dass in dieser Situation die meisten Mitgliedstaaten froh seien, dass es bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogram nicht zu einer Einigung gekommen sei. Dann nämlich wären die Sanktionen gegen den Iran gelockert worden - und zusätzlich iranisches Öl auf den Markt gekommen. Auf der anderen Seite aber wirkt der niedrige Ölpreis wie ein Konjunkturprogramm für die Weltwirtschaft. Die Weltbank schätzt, ein um 10 Prozent niedrigerer Ölpreis lässt die Weltwirtschaft um 0,2 Prozent wachsen.

Die Außenminister der an den 6+1 Gesprächen über das iranische Atomprogramm beteiligten Staaten beim Verlassen der Bühne für das Gruppenfoto. (Copyright: EPA/ROLAND SCHLAGER)
OPEC atmet auf: Keine Einigung bei den iranischen AtomgesprächenBild: picture-alliance/dpa/Roland Schlager

Demnach würde der jetzige Preiseinbruch ein Wachstum von 0,6 Prozent bewirken. Die 28 Staaten der Europäischen Union würden pro Jahr rund 100 Milliarden Euro weniger für Ölimporte ausgeben, sollte sich der Preis bei 80 US-Dollar stabilisieren. Aber niemand sollte sich zu früh freuen: Die anziehenden Ölpreise haben in den letzten 15 Jahren stattliche Einnahmen in die Kassen der Energieexporteure gespült. Das hat dort zumindest in Teilen zu einem Entwicklungsboom geführt - wovon speziell die deutsche Wirtschaft stark profitiert hat. Rund 7,5 Prozent der deutschen Investitionsgüterexporte entfielen in den letzten Jahren auf Ölförderstaaten. In diesem Punkt hat Putin Recht: Die moderne Welt ist miteinander verwoben.