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Preissteigerungen geben Anlass zur Sorge

Friederike Marx dpa
7. Januar 2022

Die Inflation in Deutschland springt im vergangenen Jahr auf den höchsten Stand seit 1993. Auch im Dezember verschärfte sich der Preisauftrieb weiter. Die Sorge wächst, dass sich das Leben noch stärker verteuern wird.

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Lebensmittel liegen auf Kassenband beim Dscounter
Bild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Die Inflation ist 2021 auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren geklettert und eine rasche Entspannung ist vorerst nicht in Sicht. Rasant gestiegene Energiepreise, Lieferengpässe sowie die Rücknahme der zeitweisen Mehrwertsteuersenkung trieben die Jahresteuerung nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes auf 3,1 Prozent.

Einen stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise hatte die Wiesbadener Behörde im Jahresschnitt zuletzt 1993 mit damals 4,5 Prozent gemessen. Entgegen der Erwartung von Analysten verschärfte sich der Preisauftrieb im Dezember weiter. Die Sorge der Menschen wächst, dass sich das Leben noch stärker verteuern wird.

Im Dezember stiegen die Verbraucherpreise um 5,3 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Bundesamt am Donnerstag in seiner Schätzung ebenfalls mitteilte. Eine höhere Teuerungsrate war zuletzt im Juni 1992 mit damals 5,8 Prozent gemessen worden. Analysten hatten einen leichten Rückgang erwartet, nachdem die monatlich gemessene Inflationsrate im November auf 5,2 Prozent gesprungen war.

"Desaster für alle"

Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor. Besonders hart trifft es Ökonomen zufolge ärmere Haushalte. Denn sie müssen einen großen Teil ihres Einkommens für lebensnotwendige Güter wie Wohnen oder Lebensmittel aufwenden.

Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, Verena Bentele, sprach von einem "Desaster für alle Menschen mit niedrigem Einkommen und Bezieher von Grundsicherung. Die wachsende Unsicherheit, wie sie das alltägliche Leben künftig finanzieren sollen, ist eine starke Belastung".

Auch für Sparer sind steigende Teuerungsraten bitter. Nach Berechnungen der Commerzbank-Tochter Comdirect gemeinsam mit Barkow Consulting sank der Realzins - also der Zins für Spareinlagen nach Abzug der Teuerungsrate - im vierten Quartal 2021 weiter auf das Rekordtief von minus 4,93 Prozent. Demnach verloren Sparer in Deutschland im vergangenen Jahr in Summe 80 Milliarden Euro wegen niedrig verzinster Einlagen.

Symbolbild Stagflation Tankstelle Benzinpreise
Auch an der Zapfsäule macht sich - gerade im Land der Autofahrer - die Preissteigerung bemerkbarBild: Rolf Poss/imago images

"Risiken weisen klar nach oben"

Die Sorge der Menschen in Deutschland wächsteiner Umfrage zufolge, dass sich das Leben in Deutschland noch stärker verteuern wird. 54 Prozent der Befragten rechnen mit weiter steigenden Verbraucherpreisen, wie RTL/ntv am Donnerstag anhand aktueller Forsa-Daten berichteten. Bei der Befragung zwei Wochen zuvor hatten sich den Angaben zufolge 45 Prozent entsprechend geäußert. Auch Ökonomen wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sind überzeugt: "Die Inflationsrisiken weisen klar nach oben - nicht nur in Deutschland, sondern auch im Euroraum", auch wenn die Inflationsrate nach der Jahreswende wegen des Wegfalls von Sonderfaktoren sinken sollte.

Materialmangel und Lieferengpässe

"Es wird Zeit, dass die EZB den Fuß vom Gas nimmt", mahnte Krämer. Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust, stößt ins selbe Horn: "Eine geldpolitische Wende wird angesichts dieser Zahlen dringlicher." Kritiker werfen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit ihrer Flut billigen Geldes die Teuerung noch anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will.

Angeheizt wurde die Teuerung in Europas größter Volkswirtschaft im vergangenen Jahr vor allem von rasant gestiegenen Energiepreisen im Zuge der weltweiten Konjunkturerholung nach der Coronakrise 2020. Im Dezember 2021 verteuerten sich Haushaltsenergie und Sprit zum Vorjahresmonat den vorläufigen Daten zufolge um 18,3 Prozent, im November waren es sogar 22,1 Prozent.

Zugleich schlug im vergangenen Jahr die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung durch: Seit Januar 2021 gelten wieder die regulären Steuersätze, Waren und Dienstleistungen wurden im Jahresvergleich also tendenziell teurer. Hinzu kamen Materialmangel und Lieferengpässe sowie die Einführung der CO2-Abgabe Anfang 2021 von 25 Euro je Tonne Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Seit Beginn des laufenden Jahres werden 30 Euro je Tonne fällig.

Frankfurt Skyline EZB
Jetzt ist die Europäische Zentralbank in Frankfurt gefragt, wie sie der Inflation begegnen willBild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

Inflation wird vorerst bleiben

Viele Ökonomen rechnen auch im laufenden Jahr mit einer Drei vor dem Komma bei der Jahresinflationsrate. Zwar entfällt der Mehrwertsteuereffekt, Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Ifo-Institut und das Institut für Weltwirtschaft verweisen aber auf anhaltende Lieferengpässe, die Herstellungskosten erhöhen. Hinzu kommt: "Die stark gestiegenen Erdgaspreise dürften aufgrund vielfach vorhandener langfristiger Verträge mit den Gasversorgern erst zu Beginn des Jahres 2022 die Verbraucher erreichen", argumentiert das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle.

Die Inflation ist ein wichtiger Gradmesser für die Geldpolitik der EZB. Die Notenbank strebt für den Währungsraum der 19 Länder eine jährliche Teuerungsrate von 2 Prozent an und ist zumindest zeitweise bereit, ein moderates Über- oder Unterschreiten dieser Marke zu akzeptieren.

Auch nach Einschätzung der Währungshüter müssen die Verbraucher im Euroraum noch eine Weile mit höheren Teuerungsraten leben. Bei seiner jüngsten Sitzung im Dezember 2021 hatte der EZB-Rat ein erstes Signal für ein Auslaufen der ultralockeren Geldpolitik gesendet: Nur noch bis Ende März wird die EZB zusätzliche Wertpapiere im Rahmen ihres Corona-Notprogramms PEPP erwerben. Allerdings steckt die Notenbank weiterhin etliche Milliarden in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere.