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Premiere für Nemzow-Preis

Roman Gonscharenko10. Juni 2016

In Bonn wird zum ersten Mal der Nemzow-Preis verliehen. Die nach dem ermordeten russischen Oppositionellen benannte Auszeichnung geht an den Politiker und Herausgeber Lew Schlossberg aus Pskow.

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Belgien Brüssel Konferenz zum Gedenken Boris Nemzow
Bild: DW/E. Nikolaeva

Für Zhanna Nemzowa ist es ein erfreuliches und trauriges Ereignis zugleich. Die Tochter des im Februar 2015 ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow überreicht am Sonntag (12.6.2016) zum ersten Mal den Preis, der den Namen ihres Vaters trägt. Die Auszeichnung wird "für besonderen Mut im Kampf für demokratische Werte in Russland" vergeben. Die Zeremonie findet bei der Deutschen Welle in Bonn statt, wo Nemzowa seit rund einem Jahr für die russische Redaktion arbeitet. "Es ist eine traurige Prämie, denn sie erinnert an einen ermordeten Politiker", sagt Nemzowa.

Auch die Tatsache, dass man im heutigen Russland besonders mutig sein muss, mache sie traurig. "Diese Eigenschaft ist in Russland leider sehr notwendig, um seine Meinung zu äußern", sagt die 32-Jährige. Es gebe nur wenige solche Menschen, die mutig wie ihr Vater seien. Man müsse sie unterstützen und über sie berichten, sagt Nemzowa. Das sei die Hauptaufgabe der Auszeichnung.

Abstimmung im Internet

Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird von der Nemzow-Stiftung für die Freiheit vergeben, die erst vor wenigen Monaten in Deutschland gegründet wurde. Als erstes habe man auf der Stiftungsseite aufgerufen, Kandidaten vorzuschlagen, erzählt Nemzowa. Danach lief auf der Webseite der liberalen Moskauer Zeitung "Nowaja Gaseta" eine Abstimmung. Mehr als 20.000 Menschen haben daran teilgenommen. Aus 46 ursprünglich eingereichten Namen wurden fünf Finalisten ausgewählt. Eine Abstimmung im Web sei demokratisch und doch riskant, räumt Nemzowa ein. Trolle (Anm. d. Red.: Im Netzjargon: Provokateure, die meist für Geld Onlinekommunikation stören) hätten das Ergebnis verfälschen können. "Wir hatten Glück, es gab keine Störungen."

Zhanna Nemtsowa russische Journalistin (Foto: picture alliance/APA/picturedesk.com/R. Schlager)
Zhanna Nemzowa, russische Journalistin: "Es ist eine traurige Prämie."Bild: picture alliance/APA/picturedesk.com/R. Schlager

Ende Mai hat der Stiftungsrat in einer Geheimwahl den Preisträger 2016 ernannt: Lew Schlossberg, Politiker und Herausgeber aus der westrussischen Stadt Pskow. Nemzowa selbst hatte keinen Einfluss auf die Entscheidung, denn sie ist kein Mitglied im Stiftungsrat. Das sechsköpfige Gremium besteht aus ehemaligen und aktiven Politikern und Experten aus Russland, Deutschland, USA und Litauen. Eine von ihnen ist die frühere Bundesjustizministerin und FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Prügel wegen brisanter Veröffentlichung

Der 52-jährige Preisträger Schlossberg ist seit den 1990er Jahren Mitglied der liberalen oppositionellen Jabloko-Partei und leitet ihren Verband in Gebiet Pskow. Er war vier Jahre Abgeordneter im Gebietsparlament, bis ihm im September 2015 aus formellen Gründen das Mandat entzogen wurde. Schlossberg sprach von einer politisch motivierten Entscheidung.

Ende August 2014 machte eine brisante Veröffentlichung Schlossberg in Russland landesweit bekannt. Die von ihm herausgegebene Provinzzeitung "Pskowskaja Gubernija" berichtete als erste im ganzen Land über geheime Beerdigungen russischer Fallschirmjäger in Pskow, die mutmaßlich bei Kämpfen in der Ostukraine umkamen. Russland bestreitet bis heute den Einsatz seiner regulären Armee im Krieg zwischen der ukrainischen Regierung und prorussischen Separatisten. Sowohl Journalisten als auch Schlossberg wurden danach bedroht und angegriffen. Schlossberg wurde von Unbekannten auf dem Weg von seinem Büro nach Hause angegriffen und krankenhausreif zusammengeschlagen. Die Spur führe nach Moskau, sagte Schlossberg in einem Interview mit Nemzowa für die Deutsche Welle im März: "Die Auftraggeber sind wohl hochrangige russische Militärs."

Einer, der sich treu geblieben ist

Dieser Vorfall habe ihn und seine Haltung nicht verändert, sagt Schlossberg: "Ich habe nur verstanden, dass manche Worte teuer sein können." Diese Worte seien umso kostbarer und man müsse sie aussprechen. Zhanna Nemzowa bewundert diese Haltung von Schlossberg. "Er macht weiter", sagt die Journalistin. "Wenn die Stimmung um einen herum so aggressiv ist, wenn man angegriffen und mit Dreck überzogen wird, ist es sehr schwierig, darauf nicht zu achten und Würde zu bewahren", sagt Nemzowa. Und noch etwas an Schlossberg mache ihn sympathisch: "Er hat seine Ansichten nie geändert, ist sich treu geblieben." Das sei in Russland ein seltenes Gut.