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Kritik an Schwäche der EU

14. August 2008

Auf den Applaus folgt die Kritik. Die Kommentatoren internationaler Tageszeitungen bemängeln, der europäische Friedensplan für den Kaukasus sei ein Zeichen der Schwäche. Auch die Rolle der USA wird kritisch beurteilt.

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Bild: DW
"El Mundo" aus Madrid "In Georgien ist trotz des Waffenstillstands keine Ruhe eingekehrt. Dennoch ergehen die EU-Außenminister sich in Selbstgefälligkeit und freuen sich darüber, dass Moskau den vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vorgeschlagenen Friedensplan akzeptierte. Dabei haben die Russen sich durchgesetzt und ihren Willen bekommen. Ihre Vorherrschaft im Kaukasus wurde bestätigt. Für die EU und die USA bleibt nur eine Möglichkeit, ihre Rolle in dem Konflikt zu verbessern. Sie könnten die Aufnahme Georgiens in die NATO beschleunigen und Moskau damit zeigen, dass die Invasion eines souveränen Staates nicht ungestraft bleibt."

"Neue Zürcher Zeitung" aus Genf

"Neben Applaus im Regierungslager für Präsident Sarkozys Vermittlungsmission im Georgien-Konflikt ist in Frankreich auch etwas Kritik an mangelnder Standfestigkeit gegenüber Russland zu verzeichnen. Der Sechs-Punkte-Plan beruht vor allem auf russischen Forderungen und kann von Putin nach Belieben zu Moskaus Gunsten ausgelegt werden. Auf der Pressekonferenz mit Putins Sprachrohr Medwedew in Moskau hatte Sarkozy es als normal bezeichnet, dass Russland sich auch für die Interessen der Russen außerhalb seiner Landesgrenzen einzusetzen suche. Diese Feststellung schien einer Anerkennung der Doktrin von Russlands Sonderinteressen im 'nahen Ausland' bedenklich nahe zu kommen. Im Unterschied zu den drei baltischen Staaten sowie zu Polen und der Ukraine war jedoch in Frankreich darüber keinerlei Konsternation zu verzeichnen."

"Der Standard" aus Wien

"'Soft power' ist ein wichtiges Instrument in der internationalen Diplomatie, um Frieden ohne Einsatz von Gewalt zu erzwingen. Die 'weiche Kraft' der EU im Zeichen des Kaukasuskriegs aber ist kaum mehr als ein probates Mittel, um Entschlusslosigkeit und inneren Streit zu verdecken. Wenn selbst die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), fürwahr kein Springinsfeld der internationalen Politik, 'beunruhigende Berichte' über ethnische Säuberungen in der Separatistenprovinz Südossetien anführt, ist es Zeit zum Handeln. (...) Nur die Osteuropäer, die ihre Erfahrungen mit der Sowjetunion gemacht haben, und Großbritannien, das sich nicht mehr über die Natur des neuen Russlands täuschen lässt, so erweist sich nun, sind bereit, sich für die Georgier einzusetzen. Die Ukraine schränkte nun die Bewegung der russischen Flotte auf der Krim ein. Es ist ein Zeichen konkreter Solidarität, auf das die Georgier warten."

"De Standaard" aus Brüssel

"Zwei ständige Mitglieder des Sicherheitsrates, China und Russland, demonstrieren immer deutlicher ihre rohe Macht, ohne auch nur den Schein von Unterredungen bei den Vereinten Nationen. Amerika hat in Afghanistan und dem Irak alle Hände voll zu tun, aber verfügt gegenüber den beiden anderen immer noch über Machtmittel. Und die Europäische Union steht daneben und zählt nicht. Für ihre 'sanften Werte' haben Peking und Moskau ganz klar kein Gehör. Sie sehen die EU als Softie."

"Aftenposten" aus Oslo

"Der Westen diskutiert im Rahmen von EU und NATO, wie man sich gegenüber Russland nach dessen übertriebener Machtanwendung gegen ein kleines Nachbarland verhalten soll. Dass eine solche Diskussion stattfindet, ist natürlich, weil es kein Patentrezept für die richtige Reaktion gibt. Erneut wird über Isolierung oder vielleicht sogar Boykott im Gegensatz zu konstruktivem Engagement gestritten. Letzteres ist wohl das Richtige, allerdings nur bei klaren Voraussetzungen. Russland muss klargemacht werden, dass es international nicht nach eigenen Regeln spielen und keinen besonderen Einfluss in Teilen der früheren Sowjetunion beanspruchen kann. (...) Durch sein Vorgehen in Georgien hat Russland dem eigenen Ruf und sich selbst geschadet. Die harte Machtanwendung widerspricht Moskaus eigener Behauptung, dass man ein verlässlicher Partner in Sachen Energie oder in den politischen Beziehungen sei."

"New York Times" aus New York

"Sie (Condoleezza Rice) darf neben der Unterstützung für Georgiens Demokratie keinen Zweifel daran lassen, dass es keine militärische Lösung im Streit mit Russland geben kann - und dass die amerikanischen Kampfflieger und Kriegsschiffe, die jetzt auf dem Weg nach Georgien sind, nur Hilfsgüter liefern sollen. Die Vereinigten Staaten und Europa haben diese gärende Krise zu lange ignoriert. Präsident (George W.) Bush wollte alle Seiten bedienen. Er schmeichelte dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, als dieser Moskau reizte, und sah dann weg, als Putin seine Nachbarn tyrannisierte. US-Vertreter sagen zwar, dass sie Georgiens Staatschef davor gewarnt hätten, Truppen nach Südossetien zu schicken und damit Moskau in die Falle zu gehen. Offensichtlich waren sie dabei aber nicht überzeugend genug."

"La Repubblica" aus Rom

"Gäbe es den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili nicht, Wladimir Putin hätte ihn erfinden müssen. So wie es scheint, traute der russische Patron in den ersten Stunden des Krieges seinen Ohren nicht. War ihm der als Erzfeind eingestufte Saakaschwili doch schließlich mit beiden Beinen in die Falle gesprungen und hatte Russland auf militärischem Feld herausgefordert. In wenigen Tagen hat Putin nicht nur die Kontrolle im umkämpften Südossetien wieder übernommen, sondern droht auch damit, das gesamte Georgien auf eine virtuelle Größe zu reduzieren. Vor allem aber hat Putin den USA eine deutliche Lektion erteilt. Erstmals seit dem Zusammenbruch der UdSSR ist das russische Imperium in der Offensive. Der Krieg in Georgien hat für Moskau nicht nur hervorragende regionale Auswirkungen, er trägt dazu bei, die globalen Gewichte neu zu verteilen, die doch seit dem Ende des 20. Jahrhunderts festgelegt zu sein schienen." (jbi)