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Privatjets im Kreuzfeuer der Kritik

Andreas Spaeth
18. April 2023

Superreiche, die das Klima mit Privatflügen belasten, stehen derzeit in Europa und weltweit am Pranger. Doch es gibt bessere Alternativen zu Verboten. Zum Beispiel höhere Steuern.

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Die Sängerin Lady Gaga seigt aus einem Privatjet in Sydney, Australien (2011)
Die Sängerin Lady Gaga steigt in der australischen Metropole Sydney aus einem Privatjet (2011)Bild: Dean Lewins/Getty Images

Früher schürten Privatjet-Nutzer vor allem Neid - und vielen Promis, Stars und Sternchen fällt es heutzutage schwer, die Gewohnheit abzulegen, mit ihren Privatflügen in sozialen Medien zu prahlen. Tun sie es weiterhin, werden sie schnell von Aktivisten als "Klima-Kriminelle" gebrandmarkt.

So geschah es im Sommer 2022 der US-Berühmtheit Kylie Jenner, als sie über einen 17-minütigen Flug im Großraum Los Angeles zwischen zwei kaum 70 Kilometer voneinander entfernten Flughäfen postete. Dabei belief sich der CO2-Ausstoß auf etwa eine Tonne - für die gleiche Menge wäre ein SUV über 2500 Kilometer weit gekommen. Vielen Prominenten wird in diesem Punkt Heuchelei vorgeworfen wie etwa Bill Gates, der 2017 ein Buch mit dem Titel "Wie wir die Klimakatastrophe verhindern" verfasste, aber währenddessen selbst 1629 Tonnen CO2 bei unglaublichen 356 Privatflügen verursachte.

Erst vergangene Woche musste sich EU-Ratspräsident Charles Michel rechtfertigen, der den EU Green Deal vertreten soll, dabei aber seit Amtsantritt 2019 für 64 Prozent seiner Reisen Privatjets in Anspruch nahm, wie das Magazin Politico berichtete. So etwa im Dezember 2022 auf einer Reise mit einer Delegation nach Peking, was 460.000 Euro gekostet hatte. "Ich verstehe, dass man das teuer findet und ich verstehe die Empfindlichkeit bei Privatflügen", betonte er in Interviews mit belgischen Medien. Um sogleich beinahe beleidigt darauf zu verweisen, dass seine Chefin, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, auch sehr intensiv Privatjets nutze, aber "niemand wirft ihr das vor".

Landung eines Privatjets vom Typ Gulfstream auf dem Stuttgarter Flughafen
Landung eines Privatjets vom Typ Gulfstream auf dem Stuttgarter FlughafenBild: Arnulf Hettrich/imago images

Deutlich höherer CO2-Fußabdruck

Fest steht: In der Luftfahrt gibt es keine größeren Verschmutzer als Privatjets, was allerdings daran liegt, dass die Emissionen auf die beförderten Personen umgelegt werden und nur in Ausnahmefällen mehr als zehn Mitreisende an Bord sind.

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Transport & Environment, die sich seit Jahren für saubere Mobilität einsetzt, hat in einem Report 2021 ausgerechnet, dass Privatjets zwischen fünf- und 14-mal mehr Verschmutzung pro Passagier verursachen als kommerzielle Flüge, siebenmal mehr etwa als ein Flug in Business Class, und bis zu 150mal mehr als stromgetriebene Züge. Die zahlenmäßig extrem kleine privilegierte Klientel dieses Segments gibt einen weiteren Anlass zur Kritik, da sie sich bisher auch noch nahezu steuerfrei in den Augen der Aktivisten am Klima versündigen.

Vor der Pandemie verursachten nur ein Prozent aller Flugreisenden die Hälfte aller Emissionen durch Passagierflüge. In Großbritannien fliegt die Hälfte der Bevölkerung maximal einmal im Jahr, während gerade mal ein Prozent der Briten für ein Fünftel aller internationalen Flüge vom Königreich verantwortlich ist. In Frankreich stehen einige Multimilliardäre mit extremen Privatflug-Aktivitäten besonders am Pranger, etwa Bernard Arnault, Chef des Luxusgüter-Konzerns LVMH mit einer ganzen Flotte von Firmenjets.

Eine Bombardier BD-100-1A10 Challenger 350 im Dienst der Privatjet-Firma NetJets
Eine Bombardier BD-100-1A10 Challenger 350 im Dienst der Privatjet-Firma NetJetsBild: Arnulf Hettrich/imago images

Der Twitter-Account  I fly Bernard (66.000 Follower) verfolgt deren Flugaktivitäten aus öffentlich zugänglichen Quellen. Damit lässt sich leicht addieren, dass zum Beispiel fünf LVMH-Jets auf 16 Flügen im November 2022 über 257 Tonnen CO2 produziert haben - der Durchschnitts-Franzose bringt es auf etwa zehn Tonnen im Jahr.

Die Bahn als Alternative?

Die Kritik an Privatjetflügen verstärkt sich auch deshalb derzeit fühlbar, weil die Mehrzahl der Flüge scheinbar unnötig kurze Strecken abdeckt, für die es klimafreundlichere Alternativen gibt. Die meistgeflogene Strecke in Europa führt von Paris-Le Bourget (Europas wichtigster Flughafen für Business-Jets) nach Genf - Luftlinie 410 Kilometer- zwischen beiden Städten fährt auch der Schnellzug TGV in nur drei Stunden und 13 Minuten.

Danach folgt auf Rang zwei die Route von Paris-Le Bourget nach Nizza (686 km), eine hochfrequent beflogene Inlandsroute, auch vom TGV befahren (5:40 Stunden). Nach Frankreich und Großbritannien ist Deutschland der drittgrößte Markt Europas für Privatjetflüge, nach Untersuchungen des Forschungsinstituts CE Delft wurden ab/bis Deutschland 2022 bei insgesamt 58.424 solcher Flugbewegungen genau 208.645 Tonnen CO2 freigesetzt.

Hochgeschwindigkeitszug (TGV) der französischen Bahngesellschaft SNCF in Lille
Hochgeschwindigkeitszug (TGV) der französischen Bahngesellschaft SNCF in LilleBild: PASCAL ROSSIGNOL/REUTERS

Besonderer Kritikpunkt für Klimaaktivisten sind hier die oft extrem kurzen Distanzen: Fast drei Viertel der in Deutschland startenden Privatjetflüge führen nicht einmal 500 Kilometer weit, 60 Prozent der Strecken sind sogar unter 300 Kilometer kurz, genau 508 Flüge verkehrten 2022 allein zwischen Hamburg und Westerland auf Sylt, wo in gut drei Stunden auch Züge hinfahren.

Vor dem Hintergrund auch in der Corona-Krise anhaltend hoher und derzeit zumeist gegenüber dem Vorpandemie-Niveau steigender Passagierzahlen stehen die Privatjetflüge jetzt nicht nur bei Klimaaktivisten im Visier, sondern zunehmend auch in der Politik. "Die Flugstrecke Hamburg-Sylt steht für mich symbolisch dafür, dass wir generell etwas ändern müssen, wenn wir Klimaschutz effektiv voranbringen wollen", sagte im März der Parteichef der Linken, Martin Schirdewan, dem TV-Sender ZDF.

Wird Frankreich Vorreiter?

Am weitesten gediehen ist die politische Agenda in Frankreich, hier will Verkehrsminister Clément Beaune, ein Vertrauter von Präsident Macron, die Benutzung von Privatjets regulieren und sich für eine EU-weite Regelung einsetzen. Sein Ziel ist vor allem, Transparenz zu schaffen, etwa die absolvierten Flüge zu veröffentlichen, was den Nutzern gar nicht schmecken dürfte, denen es oft um Diskretion geht. Vor allem aber will Beaune Privatflüge höher besteuern. Ein Verbot würde auch für den Klimaschutz wenig Sinn machen, Privatjets sind für etwa vier Prozent der Emissionen aller Flugzeuge verantwortlich, die Luftfahrt insgesamt kam 2018 auf 2,4 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes.

Proteste von Klimaaktivisten Anfang November 2022 auf dem Flughafen Amsterdam Schiphol
Proteste von Klimaaktivisten Anfang November 2022 auf dem Flughafen Amsterdam SchipholBild: Remko De Waal/dpa/ANP/picture alliance

Nach der Studie von Transport & Environment haben Privatjeteigner im Schnitt ein Vermögen von 1,3 Milliarden Euro, daher wären sie in der Lage, mit Abgaben auf ihre Flüge die Entwicklung von Zukunftstechnologien für grünes Fliegen zu finanzieren. Mindestens 3000 Euro Steuern sollten auf jeden Privatjet-Abflug in Europa erhoben werden, so der Vorschlag der NGO. Außerdem sollten ab 2030 Privatflüge in Europa über weniger als 1000 Kilometer grundsätzlich von grünem Wasserstoff oder Strom angetrieben werden.

Unterdessen schaffen auch die ersten Flughäfen Fakten: So sperrt Amsterdam-Schiphol ab 2025 Privatjets aus. Damit können die knappen Landezeiten effizienter für größere Flugzeuge genutzt werden. Andererseits fliegen Privatjet-Betreiber ohnehin nicht gern von großen Flughäfen, weil es hier lange Wege und Wartezeiten gibt, die man lieber vermeidet. Statt von Orly oder Roissy zu starten, weicht man etwa in Paris nach Le Bourget aus oder in Frankfurt ins benachbarte Egelsbach.