Propagandawaffe Luther King
19. Januar 2006"I have a dream that one day this nation will rise up". Diese Worte aus Martin Luther Kings berühmter Rede aus dem Jahre 1963 wurden am 16. Januar häufig zitiert. Es war nationaler Feiertag in den USA in Gedenken an den Bürgerrechtler der einen Tag zuvor 77 Jahre alt geworden wäre.
Hatte man dieses Zitat bei den Reden von Politikern und Würdenträgern erwartet, so waren die großen orangenen Lettern, die über eine elektronische Anzeigetafel an der US-Interessenvertretung in Kubas Hauptstadt Havanna liefen, doch überraschend. Die Verwendung des amerikanischen Helden als Propagandawaffe gegen das ungeliebte Kuba war jedoch bei weitem nicht der einzige Fauxpas den sich die Amerikaner
leisteten.
Eine interessante Einschätzung des Feiertages brachte Komiker Chris Rock bei der Verleihung der Golden Globes. Gegen 22 Uhr erklärte er den
Anwesenden im Beverly Hilton Hotel zu Los Angeles, sie müssten jetzt nur noch zwei Stunden lang nett sein zu den Schwarzen. Niemand lachte über diesen Witz, aber in Wirklichkeit war Rocks Statement eines der gelungensten des Tages.
Das Repräsentantenhaus als Plantage
Eine dreijährige Kampagne, die vor allem mit dem Namen Stevie Wonder verknüpft wurde, hatte 1986 zum ersten Dr. Martin Luther King Day in den
Vereinigten Staaten geführt. Seitdem haben alle staatlichen Angestellten am dritten Montag des Jahres frei. Dieses Jahr müssen sich die Initiatoren des Gedenktages gefragt haben, warum in aller Welt sie drei Jahre dafür geopfert haben, nur um Politikern einen Tag zu geben an dem sie sich auf
Kosten Kings profilieren können. Hillary Clinton zum Beispiel. Die Ex-First Lady mit Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur 2008 erklärte in
einer Rede, die Art in der das Repräsentantenhaus geleitetet werde, erinnere sie an das Leben auf einer Plantage. Auch wenn Demokraten in diesem
Gremium einen schweren Stand haben, deren Arbeit mit Baumwolle pflücken und Sklaverei zu vergleichen, ist ein Grund, Hillary Clinton keine Chance auf die Präsidentschaft zu geben.
Der Präsident bleibt souverän
Der einzige Politiker in den Vereinigten Staaten, der sich aufgrund seines Amtes nicht mehr groß profilieren muss, lieferte demzufolge auch die
souveränste Gedenkrede ab. Präsident Bush ehrte die Arbeit Kings, sprach aber gleichzeitig davon, dass noch vieles zu tun sei. Gerade dieses
Statement gibt Hoffnung, denn wie eine von der Harvard-Universität herausgegebene Studie zeigt, nimmt die Rassentrennung in amerikanischen
Schulen wieder dramatisch zu.
Professor Gary Orfield, Co-Autor der Studie spricht sogar von Zuständen wie sie zuletzt in den 1960ern gegeben waren. Bei all diesen schlechten Nahrichten rund um den Martin Luther King Day und dessen Traum von Gleichheit und Freiheit ist die Installation der elektronischen Anzeigetafel mit Zitaten aus Kings Rede nur die Spitze des Eisberges. Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die Kubaner etwas vom Martin Luther King Day hatten, denn in den Vereinigten Staaten blieb er abseits der Politiker-Patzer weitgehend unbemerkt. Vielleicht hätte auch hier eine orangene Leuchtschrift Wunder gewirkt.