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Pamuk sieht Gefahr eines "Terrorregimes"

Stefan Dege14. September 2016

Die Festnahme der Brüder Ahmet und Mehmet Altan, zwei der bekanntesten türkischen Intellektuellen, Autoren und Journalisten, schlägt weiter hohe Wellen. Die Literaturwelt, auch jenseits des Bosporus, ist alarmiert.

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Orhan Pamuk vor der türkischen Flagge. Foto: Tolga Bozoglu dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Sie nennen es "Vendetta gegen die klügsten Denker und Autoren des Landes": 54 internationale Autoren protestierten am Wochenende gegen das Vorgehen der türkischen Behörden. Prominentester Unterzeichner eines offenen Briefes an die Regierung in Ankara ist Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. In dem Aufruf der türkischen Journalistenplattform "P24" heißt es, der gescheiterte Putsch vom 15. Juli dürfe nicht als Anlass für eine "Hexenjagd nach McCarthy-Art" missbraucht werden. In den USA waren zu Beginn des Kalten Krieges zwischen 1947 und 1956 viele Menschen als vermeintliche Kommunisten verfolgt worden, unter ihnen viele Kulturschaffende.

Youtube-Screenshot mit den Journalisten Ahmet Altan Nazlı Ilıcak und Mehmet Altan. (c) youtube
Die Journalisten Ahmet und Mehmet Altan im Gespräch mit Nazlı Ilıcak.Bild: Youtube

Besonders beunruhigend sei die Festnahme der 66 und 63 Jahre alten Altan-Brüder, schrieben die Unterzeichner des Aufrufs. Beiden wirft die türkische Staatsanwaltschaft vor, sie hätten in einer Fernsehtalkshow vor dem versuchten Staatsstreich "versteckte Botschaften" über die bevorstehende Aktion verbreitet. Auch stünden die Altan-Brüder der Bewegung des in den USA lebenden Islam-Predigers Fethullah Gülen nahe. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich macht und fordert – bisher vergeblich - seine Auslieferung.

"Wir als Schriftsteller, Akademiker und Verteidiger der Meinungsfreiheit sind besonders darüber beunruhigt, dass Kollegen, die wir kennen und respektieren, unter Notstandsgesetzen inhaftiert wurden", heißt es in dem offenen Brief. "Deshalb appellieren wir an die türkische Regierung, ihre Verfolgung prominenter Autoren zu stoppen und die Freilassung von Ahmet und Mehmet Altan und so vieler ihrer Kollegen, die fälschlicherweise beschuldigt werden, zu beschleunigen." Der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk schrieb zudem in einem Artikel für die italienische Zeitung "La Republicca": "Die Gedankenfreiheit existiert nicht mehr. Wir bewegen uns mit großer Geschwindigkeit von einem Rechtsstaat zu einem Terrorregime."

Ein Kiosk in Istanbul. Foto: picture-alliance/dpa/M. Becker
Die Meinungsfreiheit in der Türkei ist in GefahrBild: picture-alliance/dpa/M. Becker

Ähnlich sieht das Josef Haslinger, Präsident des Deutschen PEN-Zentrums in Darmstadt. "Die Regierung Erdogan zeigt mehr und mehr ihr wahres Gesicht", sagt er im Interview der Deutschen Welle. "Sie installiert ein autoritäres Regime, das versucht, jede Opposition auszuschalten." Gemeinsam mit der Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels" hat der PEN einen Aufruf an die EU gerichtet. "Es ist die Pflicht Europas, auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten", heißt es darin. Meinungsfreiheit müsse garantiert sein", ergänzt Haslinger jetzt mit Blick auf das europäisch-türkische Flüchtlingsabkommen. "Wer über Meinungsfreiheit verhandelt, der verliert!"

PEN-Präsident Josef Haslinger. Foto: Arne Dedert/dpa
PEN-Präsident Josef HaslingerBild: picture-alliance/dpa

Nach dem Putschversuch sind in der Türkei mehr als 50 Journalisten und Schriftsteller verhaftet worden. Nach Angaben der türkischen Medienplattform P24 saßen Mitte der vergangenen Woche mindestens 117 Journalisten und Medienschaffende im Gefängnis; gegen 86 wurden seit der Verkündung des Ausnahmezustands am 20. Juli Haftbefehle erlassen. Die anderen sind ohne richterlichen Haftbefehl im Gefängnis, was derzeit wegen des Ausnahmezustands möglich ist.