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Umstrittene Preisverleihung

21. April 2013

Der Grünen-Politiker Cohn-Bendit erhielt den Theodor-Heuss-Preis, weil er "neue Wege in der Demokratie beschreitet". Gänzliche andere Wege in seiner Frankfurter Sponti-Zeit ließen indes so manche vor Wut kochen.

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Der Grünen-Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit bei der Entgegennahme des Theodor-Heuss-Preises in Stuttgart (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hat am Samstag den Theodor-Heuss-Preis erhalten. Er werde geehrt als Ideengeber und Politiker, der immer wieder auf Veränderung eingehe, Lösungen suche und dadurch stets neue Wege in der Demokratie beschreite, so die Theodor-Heuss-Stiftung zur Begründung. Doch war die Preisverleihung begleitet von heftiger Kritik an Cohn-Bendits früheren Äußerungen über Intimitäten mit Kindern. In seiner Dankesrede im Stuttgarter Neuen Schloss distanzierte sich der langjährige Europa-Abgeordnete von seinen Aussagen in den 70er und 80er Jahren und betonte, er habe sich nie an Kindern vergriffen. "Kritisiert mich für das, was ich geschrieben habe, bis zu meinem Tod - aber jagt mich nicht für etwas, was ich nicht getan habe."

"Unerträgliche Provokation"

Seine damaligen Äußerungen - etwa über erotische Spiele mit Kindern - seien eine "unerträgliche Provokation" und hätten "so nicht geschrieben werden dürfen". Cohn-Bendit ordnete sie ein in den historischen Kontext der 68er Bewegung, die von Tabu-Brüchen geprägt gewesen sei. Cohn-Bendit brach während seiner Rede in Tränen aus. In seiner Stellungnahme zu den Vorwürfen, er habe sich an Kindern vergangen, schilderte er auch seine Kindheit, die vom frühen Tod von Vater und Mutter geprägt war. Bei der Erinnerung an diesen Verlust kam der 68-Jährige ins Stocken.

Ausgelöst hatte die Debatte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, der seine Festrede für Cohn-Bendit abgesagt hatte. Er wolle den Eindruck vermeiden, das Gericht billige Aussagen wie die von Cohn-Bendit. Im Buch "Der große Basar" von 1975 hatte Cohn-Bendit - früher Erzieher in einem Frankfurter Kinderladen - unter anderem geschrieben, dass einige Kindergartenkinder "meinen Hosenlatz geöffnet und angefangen haben, mich zu streicheln". In einem Video aus dem Jahr 1982, das die CDU der Presse präsentiert hatte, schwärmt Cohn-Bendit über ein "wahnsinnig erotisches Spiel mit einem fünfjährigen Mädchen. Der CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Peter Hauk, folgerte daraus: "Man muss davon ausgehen, dass Cohn-Bendit auch Täter war. Ein Pädophiler ist nicht preiswürdig."

Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Foto: picture-alliance/dpa)
Der Präsident des Verfassungsgerichts, VoßkuhleBild: picture-alliance/dpa

"Heuss-Preis für Kinder-Sex"

Rund 70 Demonstranten - Vertreter eines Verbandes von Missbrauchsopfern wie auch der Jungen Union (JU) - empfingen dann auch mit "Schämt Euch"-Rufen die Gäste der Veranstaltung. Auf den Plakaten der Protestierenden war zu lesen: "Heuss-Preis für Kinder-Sex", "Missbrauch darf nicht salonfähig werden" und "So nicht, Herr Kretschmann". CDU und FDP boykottierten die Veranstaltung. Die Oppositionsparteien im Stuttgarter Landtag hatten die Stiftung aufgefordert, in diesem Jahr die Ehrung abzusagen, und an den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann appelliert, auf das Grußwort zu verzichten. Hauk nahm ebenfalls an der Protestaktion teil. Die Veranstaltung leiste der Verharmlosung von Missbrauch Vorschub und verletzte die Opfer, so der CDU-Politiker.

Cohn-Bendit zusammen mit der Vorsitzenden des Kuratoriums der Theodor-Heuss-Stiftung, Gesine Schwan und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann (Foto:picture-alliance/dpa)
Cohn-Bendit zusammen mit der Vorsitzenden des Stiftungskuratoriums, Gesine Schwan, und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried KretschmannBild: picture-alliance/dpa

Baden-Württembergs Regierungschef sprach dennoch ein Grußwort und warb darin um Verzeihen, auch wenn die Äußerungen seines Parteifreundes "höchst prekär" und "unakzeptabel" seien: "Vergebung ist in der Demokratie elementar, es macht gerade ihre Stärke aus." Sie biete die Chance, wieder neu anfangen zu können. Die Demokratie habe auch ihm persönlich nach "linksradikalen Verirrungen meiner Studentenzeit" die Chance auf einen Neuanfang gewährt, sagte der Ministerpräsident..

"Davor kann man sich verneigen"

Angelehnt an das Jahres-Motto der Stiftung - "Neue Wege in der Demokratie" - sagte der Vorsitzende Ludwig Theodor Heuss, ein Enkel des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss (FDP), wer neue Wege suche, gehe gelegentlich auch in die Irre. Dies gelte für die beanstandeten, auch aus seiner Sicht abstoßenden Textpassagen in Cohn-Bendits Schrift von 1975. Doch sei kein Straftatbestand erfüllt gewesen, und Eltern hätten Cohn-Bendit in Schutz genommen. Für eine "Hetzjagd" bestehe kein Grund.

Der Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, Roger de Weck, lenkte den Blick auf den Politiker Cohn-Bendit und lobte diesen für seine Verdienste um den Ausbau einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Überdies sei der Sohn eines Deutschen und einer französischen Mutter Brückenbauer zwischen den Nationen, sagte der Publizist, der anstelle von Voßkuhle die Laudatio hielt. Cohn-Bendit sei seit 1994 bis heute abwechselnd für die deutschen und die französischen Grünen ins Europaparlament gewählt worden. "Das ist einzigartig. Davor kann man sich verneigen."

sti/SC (dpa)