Weltbürger in der Provinz
3. Juni 2009Joseph Haydn war 29 Jahre alt. Seine Anstellung am Hof des Fürsten Esterhazy in Eisenstadt erwies sich als ausgesprochener Glücksfall. Die Esterhazys besaßen eine reiche Musikaliensammlung, waren musikbegeistert und hatten sogar ein eigenes Opernhaus. Ein minutiöser Anstellungsvertrag regelte Haydns Rechte und Pflichten. Er hatte nicht nur zu komponieren, sondern als zunächst Vizekapellmeister auch oraganisatorische und administrative Aufgaben zu erfüllen. Dafür wurde er von den Esterhazys auch fürstlich belohnt.
Einzigartiges musikalisches Labor
Die Anstellung bei Hof hatte einen großen Vorteil: Haydn musste sich nicht auf dem freien Markt behaupten. Er konnte nach Belieben in allen musikalischen Gattungen experimentieren und sich mit der Musik der Zeit kreativ auseinandersetzen. 30 Jahre lang lebte er in diesem künsterlichen Biotop, das ganz auf ihn zugeschnitten war. Ein Leben ohne Existenzsorgen und Konkurrenzkampf, aber auch ohne Glamour und Romantik. Einen Hollywoodfilm mit den Titel "Joseph" kann man sich bei ihm nicht vorstellen.
Kassenschlager Streichquartett
In der Abgeschiedenheit in Esterhazy hatte Haydn genügend Zeit, sich intensiv mit überholten Formen auseinanderzusetzen und sie weiterzuentwickeln. Aus der barocken Triosonate wurde das klassische Streichquartett, an dem die Musikverleger großes Interesse zeigten. Und er schuf die viersätzige Sinfonie, die zur gefragtesten Gattung überhaupt wurde. Für Generationen von Komponisten hatte die Perfektion, die Haydn hier entwickelt hatte, Vorbildcharakter.
Prestige-Objekt Oper
Der "Vater des Streichquartetts" hatte für seinen Fürsten allerdings in erster Linie Opern zu schreiben. Das Hauptinteresse der Esterhazys galt der Oper, und das Renommée des Komponisten im 18. Jahrhundert hing entscheidend vom Erfolg seiner Bühnenwerke ab. Die erfolgreichste Oper, die Haydn schrieb, war "Orlando Paladino", ein Werk, das bis heute auf den Spielplänen zu finden ist und zuletzt an der Berliner Staatsoper zu sehen war.
Europäischer Ruhm
Schon früh wurden Haydns Werke in ganz Europa bekannt, obwohl er selbst fast 30 Jahre lang Esterhazy kaum verlassen hat. Erst nach dem Tod des Fürsten, der ihm eine lebenslängliche Pension hinterlassen hatte, übersiedelte Haydn nach Wien und brach zu seiner ersten England-Reise auf. Hier feierte er große Erfolge und verdiente sehr viel Geld. Nach der Rückkehr aus England entstanden die vier großen Oratorien. In der Wiener Hofburg wurde die "Schöpfung" uraufgeführt. Der Erfolg war triumphal. Haydn hat 104 Sinfonien hinterlassen, mehr als ein Dutzend Opern, hunderte von Liedern und viel Kammermusik, die kaum überschaubar ist.
Autorin: Gudrun Stegen
Redaktion: Matthias Klaus