Prozess gegen Alexander Zverev: Die wichtigsten Fragen
31. Mai 2024Alexander Zverev zeigt sich derzeit bei den French Open in bestechender Form. Der Deutsche hat beim zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres noch keinen Satz abgegeben und stellt beeindruckend zur Schau, warum er in Paris als einer der Mitfavoriten gilt. Mit großem Kampf und Siegeswillen möchte der 27-jährige amtierende Olympiasieger endlich seinen großen Traum verwirklichen und ein Grand-Slam-Turnier gewinnen.
Im rund eintausend Kilometer entfernten Berlin hat für Zverev dagegen ein ganz anderer Kampf begonnen, der gewaltige Auswirkungen auf seine Karriere haben könnte. Dem Tennisprofi wird vorgeworfen, eine ehemalige Lebensgefährtin körperlich misshandelt zu haben. Der Prozess gegen ihn könnte auch die Weichen dafür stellen, wie der Tennissport in Zukunft mit Fällen von häuslicher Gewalt umgeht.
Die DW beantwortet einige der wichtigsten Fragen zum Gerichtsprozess gegen Alexander Zverev.
Was wird Zverev vorgeworfen?
Zverev wird beschuldigt, "eine Frau während eines Streits körperlich misshandelt und ihre Gesundheit beschädigt zu haben". Bei der Frau handelt es sich um seine Ex-Freundin, die auch die Mutter seines Kindes ist.
Das Gericht hatte Zverev im Oktober letzten Jahres dazu aufgefordert, wegen Körperverletzung eine Geldstrafe in Höhe von 450.000 Euro zu bezahlen. Dieser beteuert jedoch seine Unschuld und hat Einspruch eingelegt. Aus einem vom Gericht im Vorfeld des Prozesses veröffentlichten Dokument geht hervor, dass sich der angebliche Vorfall im Mai 2020 im Treppenhaus einer Berliner Wohnung ereignet hat. Zverev soll seine damalige Partnerin "kurzzeitig mit beiden Händen am Hals gewürgt" haben, wodurch sie unter "Atemnot und erheblichen Schmerzen" litt. In dem Papier wird jedoch auch deutlich darauf hingewiesen, dass "bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt."
Wie lief der erste Prozesstag?
Zverev, der sich am ersten Tag des Prozesses in Paris bei den French Open befand, erschien nicht persönlich vor Gericht und ließ sich von seinem Rechtsbeistand vertreten. Das Gericht hat derzeit zehn Tage für die öffentliche Verhandlung angesetzt, die im Mai, Juni und Juli stattfinden wird und sich damit mit den French Open und Wimbledon überschneidet.
Am ersten Prozesstag bezeichneten Zverevs Anwälte die Vorwürfe als frei erfunden. Pateas Anzeige etwa eineinhalb Jahre nach dem angeblichen Vorfall stehe in einem engen Zusammenhang mit einem Streit um Sorgerecht und Unterhalt für die gemeinsame Tochter, sagte Zverevs Verteidiger. Außerdem hat seine Verteidigung beantragt, Zuschauer und Medien während der Aussage der Ex-Freundin vom Prozess auszuschließen. Begründet wurde das unter anderem mit der Intimsphäre ihres Mandanten und der des gemeinsamen Kindes. Die frühere Freundin tritt bei dem Prozess als Nebenklägerin auf. Eigentlich war ihre Aussage für den ersten Prozesstag am Freitag vorgesehen. Nach dem Antrag unterbrach das Gericht jedoch die Verhandlung bis Montag und trifft dann eine Entscheidung, ob die Zeugenaussage unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.
Was sagt Zverev selbst zu den Vorwürfen?
Zverev hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "völligen Blödsinn" zurückgewiesen. Zudem sagte er, "jeder der einen halbwegs normalen IQ hat, weiß worum es hier geht", ohne näher darauf einzugehen. Bei einem Medientag im Vorfeld der French Open bestätigte Zverev bereits, dem Prozess fernbleiben zu wollen. "Ich glaube an das deutsche System", sagte er. "Ich weiß, was ich getan habe und ich weiß, was ich nicht getan habe. Das ist es, was am Ende des Tages herauskommen wird und darauf muss ich vertrauen. Ich glaube nicht, dass ich dieses Verfahren verlieren werde. Diese Chance besteht nicht."
Was sind die möglichen Folgen für Zverev?
Zverevs Entscheidung, seine 450.000 Euro Strafe anzufechten, birgt gewisse Risiken. Der Richter könnte ihn zwar freisprechen, doch im Falle einer Verurteilung kann auch eine härtere Strafe verhängt werden. Nach dem deutschen Strafgesetzbuch wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft, "wer einen anderen Menschen körperlich angreift oder dessen Gesundheit schädigt".
Rechtlich ist es also möglich, dass Zverev eine Haftstrafe erhält. Ein Gerichtssprecher sagte im Januar gegenüber der DW jedoch, dass die angesichts des Strafbefehls "höchst unwahrscheinlich" sei. Beide Seiten können nach Abschluss des Verfahrens bei einem höheren Gericht in Berufung gehen.
Warum darf Zverev weiterhin Tennis spielen?
Der Dachverband des Herrentennis, die ATP-Tour, hat derzeit keine Richtlinien gegen häusliche Gewalt. Dies steht im krassen Gegensatz zu vielen anderen Sportarten, besonders in den USA. Im Verhaltenskodex der ATP steht jedoch, dass ein Spieler gesperrt werden kann, wenn er "eines Verstoßes gegen ein straf-oder zivilrechtliches Gesetz einer beliebigen Gerichtsbarkeit beschuldigt wird". Im Falle Zverev hat die ATP bisher allerdings keinen Handlungsbedarf gesehen.
Die Turnierdirektorin der French Open, Amelie Mauresmo, sagte am Sonntag in Paris: "Solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist und es keine Entscheidung gibt, gilt er als unschuldig, und deshalb darf er an der Auslosung teilnehmen." Währenddessen haben Zverevs Sponsoren - mit Ausnahme von Rolex - zu ihm gehalten und geschwiegen. Sollte Zverev jedoch für schuldig befunden werden, wird der Druck auf diese Sponsoren und die ATP enorm wachsen.
Frühere Missbrauchsvorwürfe gegen Zverev
Zverev wird nicht zum ersten Mal häusliche Gewalt vorgeworfen. In mehreren Social-Media-Posts und Interviews 2020 und 2021 behauptete eine weitere Ex-Freundin, dass Zverev ihr gegenüber mehrfach gewalttätig war und berief sich dabei auf Vorfälle in Monte Carlo, New York, Genf und Shanghai. Sie sagte, sie habe um ihr Leben gefürchtet.
Die Frau erstattete jedoch keine Strafanzeige und die ATP stellte im Januar 2023 ihre eigenen Ermittlungen in der Angelegenheit wegen "unzureichender Beweise" ein. Zverev begrüßte die Entscheidung damals mit den Worten: "Ich habe von Anfang an meine Unschuld beteuert und die gegen mich erhobenen haltlosen Anschuldigungen bestritten."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.