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Prozessauftakt gegen Mladic

16. Mai 2012

Vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat der Prozess gegen Ratko Mladic begonnen. Der ehemalige serbische General muss sich für die schlimmsten Gräueltaten in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verantworten.

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Ratko Mladic beim Prozessauftakt in Den Haag (Foto: Reuters)
Bild: REUTERS

Ratko Mladic werden Völkermord, Mord, Terrorakte und andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Er soll für den Tod von Zehntausenden von Menschen, für die Vertreibung Hunderttausender und für grausame Gefangenenlager verantwortlich sein. Insgesamt ist der 70-jährige Ex-General in elf Punkten angeklagt.

Zum Prozessauftakt wird in Den Haag zunächst die Anklage verlesen. Mladic selbst oder seine Verteidiger sollen erst im späteren Verlauf des Verfahrens zu Wort kommen. Beobachter gehen davon aus, dass bis zu einem Urteil drei Jahre vergehen können.

Massaker an 8000 Jungen und Männern

Als Oberbefehlshaber der Serben soll Mladic das Massaker von Srebrenica angeordnet haben, das schlimmste Blutbad in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Mladic hat demnach am 11. Juli 1995 den Befehl gegeben, die unter dem Schutz der UN stehende Enklave Srebrenica zu stürmen. Innerhalb einer Woche wurden 8000 bosnisch-muslimische Jungen und Männer von bosnisch-serbischen Truppen ermordet.

Das grausame Geschehen in dem 75 Kilometer nordöstlich von Sarajevo gelegenen Srebrenica stellte auch die Kompetenz der Vereinten Nationen infrage. 500 niederländische Blauhelmsoldaten waren bei Srebrenica stationiert, um den Flüchtlingen einen Zufluchtsort zu bieten. Doch angesichts der Übermacht von 15.000 serbischen Angreifern und weil ein Mandat fehlte, überließen die UN-Truppen die Bevölkerung ihrem Schicksal.

Fast 400 Zeugen benannt

UN-Chefankläger Serge Brammertz hat für den Prozess fast 400 Zeugen benannt. "Wir werden Beweise vorlegen, die die Schwere und das Ausmaß von Verbrechen dokumentieren, die über mehrere Jahre in einem großen Gebiet begangen wurden." Es seien zwar viele Jahre vergangen, ehe der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben festgenommen und vor Gericht gestellt werden konnte, sagte Brammertz kurz vor dem Prozessbeginn in Den Haag. "Es ist aber nie zu spät, Gerechtigkeit und damit eine Form der Wiedergutmachung für die Opfer dieser schweren Verbrechen zu suchen." 16 Jahre lang war Mladic auf der Flucht, bevor er vor gut einem Jahr dann in Serbien gefasst und wegen seiner Rolle im Bosnien-Krieg an das Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag überstellt wurde.

Mladic war die rechte Hand des ehemaligen Serbenführers Radovan Karadzic, der im Juni 2008 verhaftet wurde und bereits vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag steht. Im bosnischen Bürgerkrieg galt Mladic als begnadeter Stratege. Später wurde er wegen seiner berüchtigten Gewalttätigkeit auch als "Schlächter vom Balkan" bezeichnet. Seine militärische Laufbahn begann im Jahr 1965. Kurz vor Kriegsbeginn 1992 wurde Mladic zum General befördert und im Mai 1992 von Karadzic zum Kommandeur seiner Truppen ernannt.

Neben dem Massaker von Srebrenica wird Mladic auch für die dreieinhalb Jahre dauernde Belagerung von Sarajevo mit weiteren 10.000 Toten und anderen Gräueltaten an anderen Orten verantwortlich gemacht. Mit dem Prozess in Den Haag soll zudem die Geiselnahme von 200 UN-Blauhelmsoldaten und Militärbeobachtern geahndet werden, die von Mladics Truppen als menschliche Schutzschilde gegen Angriffe der NATO missbraucht wurden.

Mladic: Habe mein Volk verteidigt

Mladic weist die Verantwortung für die ihm zur Last gelegten Taten nach Angaben seiner Verteidiger zurück. Bereits kurz nach seiner Festnahme im vergangenen Jahr erklärte der Ex-General, er habe im Dienst einer höheren Aufgabe gehandelt und könne dafür nicht bestraft werden. "Ich habe mein Land und mein Volk verteidigt", so Mladic. Bevor er 2011 gefasst wurde, hatte er jahrelang unbehelligt in Belgrad gelebt. Er war nach dem Sturz des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic im Jahr 2000 untergetaucht.

Während der Anhörungen vor seinem Prozess äußerte sich Mladic kaum. Er verlangte vor dem Vorsitzenden Richter Alphons Orie aus den Niederlanden jedoch, eine Militäruniform tragen zu dürfen und klagte über seinen schlechten Gesundheitszustand. "Es ist offensichtlich, dass er ein kranker Mann ist", sagte sein Anwalt Branko Lukic. Demnach erlitt der Ex-General zwischen 1998 und 2011 drei Infarkte, und seine rechte Körperhälfte soll zeitweise gelähmt gewesen sein. - Am Donnerstag soll die Anklageverlesung zunächst fortgesetzt werden, am 29. Mai soll der erste Zeuge der Anklage gehört werden.

kis/re/se (dpa, rtr, dapd, afp)