Prozessauftakt gegen "Revolution Chemnitz"
30. September 2019Das Verfahren vor der Staatsschutzkammer des Oberlandesgerichtes Dresden gilt schon jetzt als eines der bedeutendsten zum Rechtsterrorismus in Deutschland. Als Gruppierung unter dem Namen "Revolution Chemnitz" sollen sich die acht Angeklagten im Herbst 2018 formiert haben. Die mutmaßlichen Rechtsterroristen stehen unter dem dringendem Verdacht, einen Umsturz der demokratischen Ordnung mit Waffen geplant und dabei auch die Tötung von Menschen in Kauf genommen zu haben.
Die 21 bis 32 Jahre alten Männer sind wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung angeklagt, fünf von ihnen zudem wegen schweren Landfriedensbruchs und einer auch wegen gefährlicher Körperverletzung.
Ziel - ein anderes Deutschland
"Sie wollten die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verändern", sagte Bundesanwalt Kai Lohse zu Beginn des Prozesses. Ihr Ziel seien Angriffe auf Ausländer, Deutsche mit Migrationshintergrund, politisch Andersdenkende und als "besondere Eskalationsstufe" die Herbeiführung eines Systemwechsels mit Gewalt gewesen.
Ihre Vereinigung "Revolution Chemnitz" haben sie dazu demnach in einer Chat-Gruppe im September 2018 gegründet. "Nach unserer Ansicht im Zuge und auf der Folie der vorherigen Ausschreitungen in Chemnitz", führte Bundesanwalt Lohse aus. Die Mitglieder der Gruppe hätten sich bereits zuvor gekannt und gemeinsam Straftaten begangen. Sie seien in der rechtsextremen Szene und in der Hooliganszene gut vernetzt und hätten sich fortlaufend radikalisiert, hieß es.
Angriffe auf "Merkel-Zombies"
Nach den Ermittlungen sollen die Beschuldigten geplant haben, am 3. Oktober 2018, dem Tag der Deutschen Einheit, in Berlin einen gewaltsamen Aufstand anzuzetteln. Geplant waren demnach "gezielte und effektive Schläge gegen Linke" und - so die Formulierung der Beschuldigten - "Merkel-Zombies" sowie bewaffnete und todbringende Anschläge auf von der Gruppe identifizierte Gegner, wie Lohse sagte.
Einige der Angeklagten sollen am 14. September 2018 nach einer Demonstration der rechtsextremistischen Bewegung "Pro Chemnitz" als selbst ernannte Bürgerwehr eine Gruppe jugendlicher Ausländer in der Stadt überfallen haben. Die Ermittler halten das für einen "Probelauf".
Laut Anklage war "Revolution Chemnitz" auf unbestimmte Zeit angelegt und von "offen nationalsozialistischer Gesinnung". Die Anklage stützt sich vor allem auf die Auswertung von Chatverläufen in den beschlagnahmten Handys.
Angeklagte schweigen zu den Vorwürfen
Die Angeklagten, darunter führende Köpfe der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene der Region, waren mit Ausnahme des mutmaßlichen Rädelsführers am 1. Oktober 2018 verhaftet worden. Der 32-Jährige ist bereits seit dem 14. September in Untersuchungshaft.
Die mutmaßlichen Rechtsextremisten aus dem Raum Chemnitz schwiegen zu Prozessbeginn. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft wiesen Vorwürfe der Verteidigung zurück, es handle sich um ein politisch motiviertes Verfahren.
Die Staatsschutzkammer hat bis Jahresende 23 Termine festgesetzt und will dann ab Januar zunächst bis Ende April 2020 jeweils drei Tage pro Woche verhandeln. Aus Sicht des Generalbundesanwalts Peter Frank ist es "eines der bedeutendsten Verfahren im Bereich Rechtsterrorismus".
qu/gri (dpa, afp, epd)