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Präsidenten müssen Weltstrafgericht nicht fürchten

Max Borowski16. Dezember 2014

Das Ende der Ermittlung gegen Sudans Präsidenten sollte ein Weckruf des Internationalen Strafgerichtshofs sein. Doch politische Unterstützung für das Gericht ist weiter nicht in Sicht. War die Idee des Weltgerichts naiv?

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Internationaler Strafgerichtshof Fatou Bensouda und Luis Moreno-Ocampo
Bild: Bas Czerwinski/AFP/GettyImages)

Als "Geschenk der Hoffnung für kommende Generationen" hatte der UN-Generalsekretär Kofi Annan den Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) anlässlich der Verabschiedung seiner Statuten 1998 gepriesen. Das Weltstrafgericht sollte der Straflosigkeit bei Verbrechen in Kriegen und Bürgerkriegen auf der ganzen Welt ein Ende bereiten. Niemand sollte sich mehr sicher vor der Justiz fühlen - auch mächtige Herrscher nicht.

16 Jahre später ist diese Hoffnung bitterer Enttäuschung gewichen. Zunächst stellte der Den Haager Gerichtshof Anfang Dezember 2014 sein Verfahren gegen Kenias Staatschef Uhuru Kenyatta aus Mangel an Beweisen ein. Kenia hatte zwar offiziell mit dem Gerichtshof kooperiert, aber laut Anklagevertretern tatsächlich die Arbeit der Ermittler in dem Land unmöglich gemacht.

Ende vergangener Woche (12.12.2014) gab IStGh-Chefanklägerin Fatou Bensouda dann bekannt, dass sie auch die Ermittlungen gegen sechs sudanesische Angeklagte - darunter Staatschef Omar al-Baschir - wegen Verbrechen in der Konfliktregion Darfur ebenfalls einstelle. Von Seiten des UN-Sicherheitsrates und der Staatengemeinschaft seien keinerlei Anstrengungen unternommen worden, die seit Jahren mit Haftbefehl Gesuchten festzunehmen, klagte Bensouda. Die mangelnde politische Unterstützung durch die Weltgemeinschaft lasse ihr "keine Wahl, als die Ermittlungen in Darfur einzufrieren."

Omar al-Bashir begrüßt Südsudans Präsidenten Salva Kiir im Khartum.
Sudans Präsident Omar al-Baschir hat sich etwa als Vermittler im Südsudan der internationalen Gemeinschaft angediehntBild: Imago/Mohammed Babiker

Sieg über das "Kolonialgericht"

Die Chancen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden, ist laut Experten gering. Der Internationale Strafgerichtshof verfügt selbst über keinerlei Mittel, seine Entscheidungen durchzusetzen. Er ist darauf angewiesen, dass nationale Regierungen etwa seine Haftbefehle umsetzen und Angeklagte nach Den Haag ausliefern. Ein wichtiges Druckmittel dafür könnten Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats sein. In den Fällen al-Baschir und Kenyatta unternahm die Weltgemeinschaft allerdings nichts, um die Länder zur Kooperation mit dem IStgH zu zwingen. Al-Baschir etwa reiste trotz Haftbefehl in zahlreiche Staaten, die ihn nicht festnahmen. "Ich glaube nicht, dass der Weltsicherheitsrat, der in der Vergangenheit nichts in dieser Hinsicht unternommen hat, in Zukunft etwas tun wird", sagte der sudanesische Politikanalyst Magdi El Gizouli der DW. Das Verfahren gegen al-Baschir sei wohl endgültig gescheitert.

Auch über den Sudan hinaus hat die Entscheidung der Den Haager Anklägerin Signalwirkung. Der Internationale Strafgerichtshof ist insbesondre unter afrikanischen Regierungen und Staatschefs umstritten, da sich die meisten seiner Verfahren bislang gegen Afrikaner richteten und diese so diskriminierten. Sudans Präsident Baschir brüstete sich entsprechend nach dem Ende der Ermittlungen gegen ihn, mit seinem Erfolg gegen das "Kolonialgericht". Vor diesem Hintergrund sei die Einstellung der Darfur-Ermittlungen eine weitere "Katastrophe für den weltweiten Stand des Internationalen Strafgerichtshofs", sagte Ulrich Delius, Afrikareferent der deutschen Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker, der DW.

Laurent Gbagbo mit seiner Frau Simone bei einer Feier Foto: EPA/NIC BOTHMA
Der ivorische Ex-Präsident Laurent Gbagbo sitzt inzwischen in Den Haag in UntersuchungshaftBild: picture-alliance/dpa/N. Bothma

Delius forderte gegenüber der Deutschen Welle von den Mitgliedern des Weltsicherheitsrats, aber auch von der der deutschen Bundesregierung den IStGh nicht nur mit Worten und einem "monatlichen Scheck" zu unterstützen, sondern seine Beschlüsse auch mit entsprechendem Druck politisch durchzusetzen. In den vergangenen Jahren habe sich in der deutschen Außenpolitik mehr und mehr die Ansicht durchgesetzt, etwa den Sudan nicht zur Zusammenarbeit mit dem Gericht zu zwingen, um Baschir als politischen Partner etwa für eine Lösung des Konflikts im Südsudan zu gewinnen, sagte Delius. "Es kann aber nicht sein, dass für bestimmte Staaten aus politischen Gründen Ausnahmen gemacht werden." Das habe die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs zerstört.

Porträt Fatou Bensouda. Foto: AFP/Getty Images
IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda fühlt sich vom Weltsicherheitsrat im Stich gelassenBild: AFP/Getty Images

Absehbares Scheitern

Auch der niederländische Völkerrechtler Harmen van der Wilt glaubt nicht, dass der "Weckruf" der Den Haager Chefanklägerin die erhoffte Wirkung haben wird. "Der Versuch, auch die Herrschenden vor Gericht zu stellen, ist gescheitert", sagt van der Wilt. Die Enttäuschung vor allem unter Menschenrechtlern über die Entscheidung kann er jedoch nicht nachvollziehen, denn das Scheitern sei absehbar gewesen. Die Idee, einer universellen Strafgerichtsbarkeit, wie etwa UN-Generalsekretär Annan sie propagiert habe, sei von Beginn an naiv gewesen, so van der Wilt. Denn das Gericht und letztlich auch der Weltsicherheitsrat könnten Staaten gegen deren Willen kaum zur Kooperation zwingen.

Das heiße aber keineswegs, dass der Gerichtshof als Ganzes gescheitert sei. Andere Fälle wie die der kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga und Germain Katanga habe der IStGh erfolgreich abgeschlossen. Mit Laurent Gbagbo aus der Elfenbeinküste stehe derzeit zudem auch ein ehemaliger Staatschef vor Gericht. Diese Fälle waren anders als der Kenyattas und al-Baschirs von den betroffenen Staaten selbst an den IStGh überwiesen worden. "Natürlich kann man argumentieren, dass so nur Verlierer vor Gericht kommen, die keine politische Macht in ihrem Land mehr ausüben", sagt van der Wilt. Doch auch solche Urteile seien von großer Bedeutung, denn jeder Staatschef müsse damit rechnen, eines Tages seine Macht vielleicht wieder zu verlieren.