Wahl in Guinea-Bissau: Streit und Unsicherheit
23. November 2019Letzten Monat stand der Wahltermin noch auf der Kippe: Putschvorwürfe, militärische Patrouillen in der Hauptstadt und eine angespannte Lage ließen viele in Guinea-Bissau daran zweifeln, ob sie an diesem Sonntag ihre Stimme abgeben können. Das Land steckt schon seit Jahren in einer Krise: Die wichtigsten politischen Akteure sind sich uneins und blockieren sich gegenseitig.
"Es geht dabei nicht um politisch wichtige Inhalte, sondern um Manipulationen und Protestaktionen. Die Lage ist derzeit sehr fragil", sagt Jens Herpolsheimer von der Universität Leipzig im DW-Interview. Gerade die Streitereien zwischen dem bisherigen Präsidenten José Mário Vaz und seinem größten politischen Gegner Domingos Simões Pereira gingen tief: "Daran ist ein Netzwerk von persönlichen und ökonomischen Interessen geknüpft und somit auch der Griff auf das Amt und die Macht."
Kein eindeutiges Ergebnis zu erwarten
Trotzdem findet die Wahl nun wie geplant statt. Herpolsheimer befürchtet, dass es dabei auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt: "Bisher hat es noch kein Präsident geschafft, seine Amtszeit mit demokratischem Wandel abzuschließen." Doch genau darauf hoffe die internationale Gemeinschaft - und auch die Bevölkerung. Denn der Staat liegt im Grunde brach: Viele Schulen und Universitäten sind geschlossen, das Justizsystem ist zusammengebrochen, das Gesundheitswesen ebenso, der Drogenhandel boomt.
"Selbst wenn diese Wahl erfolgreich ist, bleibt abzuwarten, ob sie einen stabilisierenden Effekt auf die Situation im Land hat", sagt Herpolsheimer. Er erwartet keine eindeutigen Ergebnisse. Bei zwölf Kandidaten gilt es als sehr wahrscheinlich, dass niemand im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen erhält. Dann käme es zu einer Stichwahl.
Erbitterter Streit unter den Kandidaten
Mehrere der wichtigsten Kandidaten kommen aus dem gleichen politischen Lager: Domingos Simões Pereira ist Vorsitzender der größten Partei PAIGC ("Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und Cabo Verde"). Auch der Parlamentspräsident Cipriano Kassamá gehört der Partei an. Der amtierende Präsident José Mário Vaz, genannt Jomav, stammt aus demselben politischen Lager, tritt allerdings als unabhängiger Kandidat an: Er war bei der Partei in Ungnade gefallen, seit er 2015 seinen damaligen Premierminister Pereira gefeuert hat.
Bei den Parlamentswahlen im März konnte sich die PAIGC in einer Koalition mit drei kleineren Parteien eine Mehrheit im neuen Parlament sichern. Ein klarer Wählerauftrag für die Bildung einer Regierung unter dem 56-jährigen PAIGC-Vorsitzenden Pereira, sagen politische Beobachter. Laut Rinaldo Depagne von der Denkfabrik International Crisis Group steht Pereira für Modernität, gerade im Vergleich zum fünf Jahre älteren amtierenden Präsidenten: "Pereira hat internationale Beziehungen, ist weitgehend geschätzt in politischen Kreisen und genießt große Unterstützung in seiner Partei", sagt Depagne im DW-Interview. "Die älteren Kandidaten wie José Mário Vaz und Carlos Comes Júnior repräsentieren mehr die alten Wege der Politik." Auch Carlos Comes Júnior gehört zur Partei PAIGC, tritt als unabhängiger Kandidat an und war bereits Regierungschef. Er ist mit 69 Jahren der älteste Kandidat.
Präsident ohne Mandat
Präsident Vaz ist mit der Parteiführung zerstritten. Eine effektive Regierungspolitik gab es seit seiner Wahl vor fünf Jahren nicht. Aktuell ist er nur noch kommissarisch im Amt, seine Präsidentschaft ist im Juni abgelaufen. Seitdem regiert Aristides Gomes, den Vaz im April 2018 zum Premierminister gemacht hatte. Doch Ende Oktober ernannte Präsident Vaz einen neuen Premierminister - während sich Gomes weiter in dieser Funktion sieht. Unterstützt wird er dabei von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas), die in der politischen Krise in Guinea-Bissau vermittelt.
Auch die Afrikanische Union und Europäische Union sowie die Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder starteten immer wieder neue Initiativen zur Lösung des schwelenden Konflikts. "Ecowas hat bewirkt, dass sich das Militär bisher zurückgehalten hat. Sie hat ihre Missionen, die seit 2012 im Land sind, aufgestockt und Sanktionen angedroht, um eine weitere Eskalation zu verhindern", sagt Westafrika-Experte Herpolsheimer. Durch ständiges Engagement und Diplomatie habe es die regionale Organisation bisher geschafft, die politischen Störenfriede in Schach zu halten.
Insgesamt sind zwölf Kandidaten bei der Wahl zugelassen, aber laut Beobachtern haben nur wenige Chancen auf einen Wahlsieg beziehungsweise einen Einzug in die Stichwahl. Wichtig sei auch, dass die übrigen Kandidaten ihre Niederlagen akzeptieren, sagt Depagne von der International Crisis Group: „Das ist wirklich eine große Sorge". Denn sonst könnte die Armee eingreifen, wie es schon öfter in der Geschichte des Landes geschehen sei.