Taiwans Präsidentin in Afrika
16. April 2018Mit großer Delegation reist Tsai Ing-wen am Dienstag für vier Tage nach Swasiland (Staatsflagge im Bild). Solch ein offizieller Staatsbesuch mit rotem Teppich ist für Taiwans Präsidentin ein seltenes Ereignis. Viele Länder, darunter auch die EU, lassen sie seit ihrem Amtsantritt gar nicht mehr einreisen – sonst würde China protestieren. In die Vereinigten Staaten darf sie zwar noch, aber Treffen im Weißen Haus sind dort ebenfalls tabu. Der afrikanische Zwergstaat dagegen ist eines von nur 20 Ländern, das mit Tsais Regierung diplomatische Beziehungen hat und sie als normalen Staatsgast empfängt.
Im Gegenzug erfährt Swasiland in Taiwan besondere Wertschätzung. Kleiner als Thüringen und mit weniger Einwohnern als Hamburg spielt das Königreich zwischen Südafrika und Mosambik auf internationaler Bühne sonst kaum eine Rolle. Für seinen VIP-Status in Taiwan verzichtet es auf offizielle Kontakte zur Volksrepublik China, denn Peking wie auch Taipeh brechen nach dem Motto "die oder wir" die Verbindungen mit jedem Staat ab, der die Gegenseite anerkennt.
Partner Swasiland wird nicht hinterfragt
Tsais Reise markiere mehrere Jubiläen, betonte Außenminister Joseph Wu kürzlich in Taipeh. Vor 50 Jahren wurde Swasiland unabhängig, und seit damals bestehen diplomatische Beziehungen zur Republik China, wie Taiwans offizielle Staatsbezeichnung lautet. Außerdem feiert König Mswati III. diesen Donnerstag seinen 50. Geburtstag. Er besuchte Taiwan bereits 16 Mal. Das Motto der Reise sei "dauerhafte Partnerschaft", so Wu.
Taiwans demokratische Ideale spielen dabei offensichtlich keine Rolle. Mswati III., der letzte absolutistisch herrschende Monarch des Kontinents, ist berüchtigt für seinen ausschweifenden Lebensstil. Sein Land ist und bleibt eines der ärmsten Afrikas. Im Human Development Index der Vereinten Nationen steht Swasiland auf Rang 148 von 188. Bei einer seltenen Demonstration, organisiert von Gewerkschaften gegen die schlechten Lebensbedingungen, kam es vergangenen Freitag in der Hauptstadt Mbabane zu Ausschreitungen.
Taiwans pragmatische Außenpolitik
Aus Sicht Taiwan müssten "pragmatische Aspekte überwiegen", sagte Hermann Halbeisen, Taiwanexperte an der Universität Köln, der DW bei einem Gespräch in Taipeh. Taiwan habe nicht die Einflussmöglichkeiten, auf innenpolitische Veränderungen in anderen Staaten zu drängen.
Halbeisen hält wenig von der Sichtweise, Taiwans diplomatische Beziehungen hätten nur noch symbolischen Wert. So könnten Taiwans Vertreter in den verbliebenen Botschaften noch immer wertvolle Kontakte zu anderen ausländischen Diplomaten knüpfen.
Weiterhin bedeuten die diplomatischen "Verbündeten", wie sie oft genannt werden, vor allem Legitimation: Sie sollen die vollwertige Eigenstaatlichkeit der Republik China belegen. Außerdem sprechen sie sich immer wieder in internationalen Organisationen für Taiwan aus, das wegen Pekings Machtansprüchen nicht selbst Mitglied sein kann. Neben den Vereinten Nationen betrifft dies besonders die Weltgesundheitsorganisation, bei deren Generalversammlung Taiwan zuletzt sogar der Beobachterstatus verwehrt wurde.
Ungleiche Konkurrenten Taiwan und Peking
Für die Partnerländer seien meist ökonomische Erwägungen ausschlaggebend, sagte Halbeisen. Taiwan biete ihnen etwa "Stärkung der Handelsbeziehungen, Investitionen in Entwicklung, Aufbau medizinischer Einrichtungen oder Hilfe bei Landwirtschaft." Eine Rolle spiele auch die großzügige Vergabe von Stipendien an Bürger dieser Länder zum Studium in Taiwan.
Tsai werde in Swasiland gezielt Entwicklungshilfe-Projekte besuchen, sagte Außenminister Wu: Ein Krankenhaus, das mit taiwanischer Unterstützung gebaut wurde, sowie Programme aus den Bereichen Berufsausbildung und Landwirtschaft.
Die Volksrepublik allerdings investiert seit längerem im ganz großen Stil in Afrika und sichert sich damit Einfluss und Rohstoffe. Mit ihrem ungleich größeren wirtschaftlichen und politischen Gewicht wäre es wohl kein größeres Problem, auch Taiwans verbliebene Verbündete zum Seitenwechsel zu bewegen. Außer Swasiland ist das in Afrika nur noch Burkina Faso, mit 17 Millionen Einwohnern zugleich der bevölkerungsreichste von Taiwans Partnerstaaten. Seit der Wahl Tsais sind bereits Gambia sowie São Tomé und Príncipe abspenstig geworden.
Obwohl Taiwan nach wie vor großzügig Entwicklungshilfe leistet, soll die Zeit der reinen Scheckbuchdiplomatie vorbei sein. Vor allem zu Beginn der 2000er Jahre ließen Taipeh und Peking sich zum gegenseitigen Überbieten verleiten. Manche Länder, wie Liberia oder Senegal, wechselten sogar mehrfach die Seiten.
Peking hält Druckmittel in der Hinterhand
Dass Taipeh noch immer mit 20 Staaten Beziehungen pflegt, liegt für Politologen Halbeisen vor allem daran, dass China es derzeit schlicht nicht darauf anlege, sich durchzusetzen. Es halte sich vielmehr Möglichkeiten offen, den Druck auf Taiwan in Zukunft weiter zu steigern und Taiwan seine "internationale Isolierung wieder mal vor Augen zu führen."
Seit Panama vergangenes Jahr die Seiten wechselte. Einzige Ausnahme sei noch der Vatikan. Dort arbeitet China aktuell mit Zugeständnissen daran, Papst Franziskus zu einem Seitenwechsel zu bewegen.
Taiwan und "soft power"
Taiwan konzentriere seine Kräfte zu sehr auf die diplomatischen Beziehungen, sagte Frederic Krumbein, Taiwanexperte der Stiftung für Wissenschaft und Politik, der DW. Es solle stattdessen stärker "gleichgesinnte Partner, wie auch Deutschland, und die globale Zivilgesellschaft umwerben". Gesellschaftliche Errungenschaften wie die kurz vor der Einführung stehende gleichgeschlechtliche Ehe könne es "für das eigene Ansehen nutzen." Zwar scheine Tsai diesen Ansatz seit ihrem Amtsantritt stärker zu verfolgen, doch sei Taiwans Außenministerium "eher konservativ und auf klassische Diplomatie fokussiert."
Dass der diplomatische Spielraum immer kleiner wird, zeigt auch Nigeria. Die dortige Regierung hatte Taiwan vergangenes Jahr gezwungen, sein Wirtschaftsbüro – die inoffizielle Vertretung in dem Land - aus der Hauptstadt Abuja nach Lagos zu verlegen. Verkündet hatte Nigeria das während eines Besuchs des chinesischen Außenministers im Januar 2017. Im Gegenzug fordert nun auch Taiwan die nigerianische Vertretung auf, sich neue Räume außerhalb der Hauptstadt Taipeh zu suchen.