Putsch in Niger: Ende des ECOWAS-Ultimatums naht
Veröffentlicht 6. August 2023Zuletzt aktualisiert 6. August 2023Eine Woche lang hatte die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den Putschisten gegeben, um den demokratisch gewählten und am 26. Juli gestürzten nigrischen Staatschef Mohamed Bazoum in sein Amt zurückkehren zu lassen. Wenn dies nicht geschehe, sei ein "Einsatz von Gewalt" nicht auszuschließen, bekräftigte der Staatenbund am Freitag.
Während mehrere westafrikanische Staaten, darunter Senegal, die Elfenbeinküste und Nigeria, eigene Soldaten entsenden würden, lehnte Nigers Nachbarland Algerien - das jedoch kein ECOWAS-Mitglied ist - eine Militärintervention "kategorisch" ab.
Tebboune: "Keine Lösung ohne Algerien"
Ein militärisches Eingreifen im Niger sei "eine direkte Bedrohung für Algerien", sagte der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune in einem Fernsehinterview. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es "keine Lösung" ohne Algerien geben werde. "Wir sind die Hauptbetroffenen, Algerien teilt eine fast eintausend Kilometer lange Grenze mit dem Niger", sagte Tebboune. Er warnte, dass im Falle einer militärischen Intervention "die gesamte Sahelzone in Flammen aufgehen" werde. Algerien werde keine Gewalt gegen seine Nachbarn anwenden, sagte er.
Auch der Tschad, Nigers östlicher Nachbar und eine wichtige afrikanische Militärmacht, aber ebenfalls kein ECOWAS-Staat, kündigte an, sich nicht an einer Intervention im Niger zu beteiligen.
Die Putschisten unter dem neuen selbsternannten Machthaber Abdourahamane Tiani drohten ihrerseits für den Fall "jeglicher Aggression" einen "sofortigen Gegenschlag" an.
Frankreich - ehemals Kolonialmacht im Niger - erklärte dagegen, es unterstütze die Bemühungen der ECOWAS "mit Stärke und Entschlossenheit". Es gehe um "die Zukunft des Niger und die Stabilität der ganzen Region", bekräftigte das Außenministerium in Paris.
Nachbarn sehen Militäreinsatz als Kriegserklärung
Die Militärjuntas in Mali und Burkina Faso machten deutlich, dass sie eine Militärintervention von außen als "Kriegserklärung" auch gegen sich selbst betrachten würden. Beide Länder sind wegen früherer Putsche derzeit von der ECOWAS vorläufig ausgeschlossen.
In Mali ist auch die russische Söldnertruppe Wagner aktiv, auch Burkina Faso pflegt Kontakte zu der russischen Truppe. Nach Angaben von französischen Diplomaten gilt als sicher, dass Niamey bereits Kontakte zu Wagner geknüpft hat.
Man könne nicht sagen, dass Russland direkt in den Staatsstreich in Niger verwickelt ist, sagte eine Sprecherin des französischen Außenministeriums dem Sender BFM. Jedoch gebe es "eindeutig eine opportunistische Haltung seitens Russlands, das versucht, Destabilisierungsbemühungen zu unterstützen, wo immer es sie findet", sagte Anne-Claire Legendre weiter. Nach der Machtübernahme durch die nigrische Junta schwenkten Einwohner immer wieder auf den Straßen russische Flaggen. Die Sprecherin bezeichnete Wagner als ein "Rezept für Chaos".
Nächtliche Kontrollen durch Bürgerwehren
Derweil haben Jugendliche in Nigers Hauptstadt Niamey Bürgerwehren gegründet. Hunderte Jugendliche richteten in der Nacht zum Sonntag an mehreren Kreisverkehren Verkehrskontrollpunkte ein und unterstützten Sicherheitskräfte dabei, Autos zu kontrollieren und nach Waffen zu suchen.
"Ich bin hier, um das Militär zu unterstützen. Wir sind gegen (den regionalen Block). Wir werden bis zum Ende kämpfen. Wir sind nicht einverstanden mit dem, was Frankreich gegen uns tut. Wir sind fertig mit der Kolonisierung", sagte einer der patrouillierenden Anwohner.
Die Putschisten hatten die Bevölkerung aufgefordert, "wachsam" gegenüber "Spionen und ausländischen Kräften" zu sein und jede "Bewegung verdächtiger Personen" zu melden. Die Jugendlichen sollen den Unterstützungskomitees angehören, die zuvor bereits Demonstrationen zugunsten der neuen Militärmachthaber im Niger ausgerichtet hatten.
ust/se (afp, ap, dpa, rtr)