Die ewige Königin
24. Juni 2015DW: Herr Professor Glees, die Königin ist 89 Jahre alt und macht immer weiter. Wie findet sie die Kraft dafür?
Glees: Darauf gibt es eine genetische Antwort. Die Mutter der Königin wurde 101, und alle Familienmitglieder der mütterlichen Seite lebten lang. Die der väterlichen Linie lebten eher nicht so lang, abgesehen von Königin Victoria, weil sie stark rauchten und tranken. Elizabeth raucht weder, noch trinkt sie viel. Sie trinkt zwar gern schonmal ein Gläschen Gin oder Dubonnet, vielleicht würde sie sogar sagen, das habe sie 89 Jahre jung gehalten. Aber es sind vor allem die Gene.
Andere europäische Monarchen wie der spanische König Juan Carlos, die niederländische Königin Beatrix oder der belgische König Albert haben irgendwann aus Altersgründen zugunsten ihrer Kinder abgedankt. Warum nicht die britische Königin, die schon heute deutlich älter als die drei Genannten ist?
Ich glaube, die Queen empfindet das Königtum ganz stark als Pflicht, die ihr von Gott auferlegt wurde. Wir sollten nicht vergessen, dass sie auch Oberhaupt der Kirche von England ist. Sie empfindet eine religiöse Pflicht, Staatsoberhaupt zu sein, und das gilt bis zu ihrem Tod. Sie nimmt diese Dinge sehr, sehr ernst. Sie ist natürlich keine Fanatikerin, aber sie ist ein tief religiöser Mensch.
Als die niederländische Königin Juliana zugunsten ihrer Tochter Beatrix abdankte, soll Königin Elizabeth dazu gesagt haben: "Typisch holländisch, abzudanken. Ich mache das nicht." Ja, sie ist gebrechlicher als früher, sie ist übrigens auch viel fröhlicher als früher. Aber sie hat nicht mehr so viel Energie. Sie verbringt viel Zeit auf Schloss Windsor, fliegt mit dem Hubschrauber zwischen Schloss Windsor und dem Buckingham-Palast hin und her, aber sie wohnt nicht mehr dauerhaft in London. Und ich glaube, sie möchte still in den Sonnenuntergang entschwinden, wenn ihre Zeit gekommen ist.
Sie sprachen von den fantastischen Genen der Königin. Aber man kann sich doch nicht wirklich eine hundert Jahre alte Königin auf dem Thron vorstellen, oder?
Wissen Sie was: Ich kann mir das durchaus vorstellen! Ich kann mir vorstellen, dass sie wirklich bis zum Ende ihres Lebens die Pflichten erfüllt, die mit dem Königtum verbunden sind. Es wird natürlich die Zeit kommen, in der sie ihre wichtigste verfassungsmäßige Pflicht nicht mehr erfüllen kann - nämlich die Eröffnung des Parlaments und ihre Thronrede zu halten. Und ich glaube, wenn sie dazu zu gebrechlich sein wird, wird es Prinz Charles übernehmen. Aber das Leben ist voller Überraschungen. Man hofft natürlich, dass Prinz Charles irgendwann den Thron besteigen wird, aber es ist in Großbritannien schon mehr als einmal vorgekommen, dass regierende Monarchen ihre jeweiligen Thronfolger überlebt haben.
Es wird immer mal darüber gesprochen, dass bei der Thronfolge eine Generation übersprungen werden könnte, dass also die Krone von Elizabeth nicht an ihren Sohn Prinz Charles übergeht, der oft kritisiert wird, sondern gleich an Elizabeths Enkel, den beliebten Prinz William. Wäre das denkbar?
Prinz Charles ist zweifellos eine kontroverse Figur. Das hat mit seiner gescheiterten Ehe mit Prinzessin Diana zu tun, die sehr, sehr beliebt war, obwohl Charles' Ehefrau Camilla, die Herzogin von Cornwall, ihre Rolle mit äußerster Sorgfalt und Würde spielt. Ich glaube, dass sie schließlich Königin werden wird.
Nein, ich glaube, die Vorstellung, dass eine Generation übersprungen wird, steht überhaupt nicht zur Debatte, ausgeschlossen. Das liegt einfach nicht in der Natur der britischen Monarchie. Man muss hier auf zwei Dinge der britischen Monarchie hinweisen: Erstens, sie wird von den Monarchen als gottgegebene Pflicht aufgefasst, und zweitens, die Monarchen danken deswegen nicht ab. Das Schlimmste, was der Monarchie im 20. Jahrhundert passierte, war die Abdankung von Edward VIII, dem Herzog von Windsor. Das wurde nie vergessen.
Professor Anthony Glees lehrt Politikwissenschaften an der Universität Buckingham.
Das Gespräch führte Christoph Hasselbach