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Fan-Rückkehr in die Stadien bleibt umstritten

Jörg Strohschein mit sid/dpa
25. September 2020

Die Bundesliga-Vereine sind froh, dass wieder Zuschauer zu den Spielen kommen dürfen - wenn auch nur eine begrenzte Anzahl. An den Teilöffnungen der Stadien gibt es aber auch Kritik.

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Deutschland | DFB Cup | FC Oberneuland v Borussia Mönchengladbach
Bild: Lars Baron/Getty Images

Von ausreichendem Abstand konnte in den Fan-Ecken des Budapester Stadions kaum die Rede sein. Die Begeisterung der mitgereisten Anhänger war zu groß, als dass mehrheitlich Masken getragen oder räumliche Distanz gewahrt wurden. 15.500 Tickets wurden laut Uefa für das Endspiel um den Supercup verkauft. Die meisten Besucher hielten sich an die Maßnahmen, aber einige eben auch nicht. Welche gesundheitlichen Auswirkungen das haben könnte, wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen.

"Das war ein wichtiger Schritt zurück zur Fußballkultur, zu Emotionen und Atmosphäre im Stadion", sagte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nach dem 2:1 n.V. seiner Bayern gegen den FC Sevilla und war sichtlich zufrieden. Es sei "ein herrliches Gefühl" gewesen, den Titel "wieder mit unseren Fans zu feiern". Diese Aussagen dürften an anderer Stelle allerdings gar nicht gut ankommen.

Weltärztebund kritisiert Reisen zum Supercup

Weltärzteverbands-Chef Frank Ulrich Montgomery kritisiert die Austragung des Supercup
Weltärzteverbands-Chef Frank Ulrich Montgomery kritisiert die Austragung des SupercupsBild: imago/photothek/T. Trutschel

Frank Ulrich Montgomery, der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, hat die Austragung des Supercup-Finales im Corona-Risikogebiet Budapest scharf kritisiert. "Der Fußball scheint offenbar Narrenfreiheit zu genießen. Das ist kontraproduktiv und ein falsches Signal", sagte Montgomery noch  am Donnerstagabend der "Passauer Neuen Presse".

"Wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ihre Ferien im Ausland verbringen können, aber Bosse und Spieler des FC Bayern in Hochrisikogebiete fliegen, ist das ein verheerendes Zeichen", kritisierte der 68-Jährige. Wenn Funktionäre und Spieler soziale Verantwortung übernehmen wollten, sollten sie nicht nur an ihre Portemonnaies und die Einnahmen aus Spielen denken, sagte der Chef des Weltärztebundes.

Auch die Bundesliga ist bemüht darum, möglichst viele Zuschauer zu den Spielen zuzulassen. Am vergangenen Wochenende gab es eine Bandbreite zwischen Null (Köln) und 9300 (Dortmund). Und auch an diesem wochenende geht das Ringen um Besucher, die nicht nur das eigene Team unterstützen, sondern auch ein wenig Geld in die Vereinskassen spülen sollen, weiter.

Allerorten Blicke auf die Inzidenzzahl

Und so geht der bange Blick von Fans und Klubs auch vor dem zweiten Saison-Wochenende auf die sogenannte Inzidenzzahl, die die Zahl an registrierten Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen beziffert. Nur bei einer Inzidenzzahl von unter 35 am jeweiligen Bundesliga-Standort sind überhaupt wieder Zuschauer in den Stadien zugelassen, bis zu einer Maximalgrenze von 20 Prozent der jeweiligen Stadionkapazität.

Darauf hatten sich die Bundesländer kurz vor dem Liga-Start geeinigt. Das letzte Wort bei der Zulassung von Fans haben immer die Gesundheitsbehörden vor Ort, die das lokale Infektionsgeschehen im Blick haben. "Es kann auch passieren, dass erst am Samstagmorgen entschieden wird, dass keine Fans zugelasen werden. Wir stehen in einem engen Austausch mit dem Gesundheitsamt", sagte ein Sprecher des FC Schalke 04 der DW am Mittwoch.

Angesichts der neuesten Corona-Infektionszahlen könnte das erste Saison-Heimspiel der Schalker am Samstag  vor Fans stattfinden. Die maßgebliche Anzahl der Neuinfizierten in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner sank unter die Verbotsschwelle von 35 auf 33,4, wie das Robert Koch-Institut am Freitag mitteilte. Schalke will nach früheren Angaben rund 11.000 Fans zuschauen lassen.

Vorsichtige Nachfrage in Mönchengladbach

Wie in allen andren Stadien planen die Verantwortlichen bei Borussia Möchnengladbach (Inzidenz: 6,5) am Samstag gegen Union Berlin ebenfalls mit Fans, 10.804 Zuschauer dürften laut Bestimmungen vor Ort sein. Bis Mitte der Woche waren aber nur 9200 Tickets verkauft."Wir merken, dass die Leute zögerlicher herangehen an den Kartenverkauf", sagte VfL-Geschäftsführer Stefan Schippers der Süddeutschen Zeitung. "Vielleicht, weil sie Respekt haben oder weil sie sich erst anschauen wollen, was bei einer Kapazität von 20 Prozent passiert."  Die Borussia hat sich und ihren Fans noch einmal ganz eigene Regeln verordnet. Es gilt eine dauerhafte Maskenpflicht auch während des Spiels und neben jedem Sitzplatz müssen auf beiden Seiten drei Plätze freibleiben.

Anders als am Niederrhein sieht der Zuschauer-Andrang bei Arminia Bielefeld (Inzidenz: 8,7) aus. 5400 Zuschauer dürften beim ersten Bundesliga-Heimspiel seit 2009 dabei sein. Bei über 100.000 Online-Ticketanfragen sind die Server unter der Woche zusammengebrochen, auch weil ein Hackerangriff aus China und Russland die Systeme lahmlegte. Die Euphorie ist also riesig in Ostwestfalen. Aber auch dort gibt es Kritiker für die Teilöffnungen der Stadien, die es eigentlich gut mit dem Verein meinen.  

"Aus einer politischen Perspektive nimmt das Formen an, die gegenüber anderen Bereichen nicht mehr vermittelbar sind, etwa dem Veranstaltungs- und Eventsektor, wo die Leute null Licht am Ende des Tunnels haben", sagt SPD-Politiker und Bielfeld-Anhänger Kevin Kühnert. "Wenn König Fußball dann doch Sonderrechte zugesprochen bekommt, finde ich das vermessen, weil das auch Vorbehalte gegen den organisierten Fußball schürt", ergänzte Kühnert. Er könne den Wunsch nach mehr Zuschauern "emotional verstehen, aber es erscheint mir übereilt. Es wurde kaum ausgewertet, wie das bislang gelaufen ist". Der 31-Jährige gab zu bedenken: "Wir reden bei aller Wichtigkeit immer noch über Fußball und nicht über die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Deutschland."