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Rainer Lindner: "Mehrparteiensystem in Russland konstruiert"

15. März 2007

Im Gespräch mit DW-WORLD.DE/Russisch bewertet Rainer Lindner von der Stiftung Wissenschaft und Politik das Ergebnis der Regionalwahlen vom 11. März in Russland und dessen Bedeutung für die Duma-Wahlen im Dezember.

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Rainer Lindner vom Wahlergebnis nicht überraschtBild: SWP

DW-WORLD.DE: Herr Lindner, wie bewerten Sie den Ausgang der Regionalwahlen vom 11. März in Russland?

Rainer Lindner: Diese Wahlen haben natürlich große Bedeutung für eine Prognose zum Ausgang der nächsten Wahlen zur Staatsduma Russlands. Das gute Ergebnis der Partei "Einiges Russland", das wir im Prinzip auch erwartet hatten, wurde mit einer Medienkampagne erreicht, die schon seit langem anhält und eigentlich eine Kampagne ist, die auf die Duma-Wahlen abzielt. Im Lande wird ein Mehrparteiensystem konstruiert. Solche Parteien wie "Gerechtes Russland" von Sergej Mironow und möglicherweise auch "Freies Russland" sind bekanntlich erfunden und vom Kreml geschaffen. Ich gehe davon aus, dass diese Entwicklung anhalten wird.

Kommunistenführer Gennadij Sjuganow bezeichnete die Wahlen als "schmutzig". Stimmen Sie ihm zu?

Sie sind schmutzig, so wie wohl auch in gewissem Maße die Duma-Wahlen sein werden. Der Wahlkampf wird bereits auf der Ebene persönlicher Bewertungen geführt. In den russischen Medien greifen sich die Kandidaten gegenseitig zuweilen sehr scharf an. Eine solche Taktik ist ebenfalls Bestandteil ihres Wahlkampfes. Ich denke, dass die Kommunisten in Russland schon bald keine politische Kraft mehr darstellen werden, weil im Lande bereits neue linke Parteien konstruiert werden. Sjuganow ist, wie mir scheint, über die Ergebnisse der Regionalwahlen etwas verärgert.

Hat die russische Opposition überhaupt eine Chance, bei den Parlamentswahlen im Dezember in die Staatsduma einzuziehen?

Die Liberalen sind natürlich in einer sehr schwierigen Situation. Für sie wird es nicht leicht, bei den Wahlen zur Staatsduma die Siebenprozenthürde zu überwinden. Ich denke, im neuen russischen Parlament werden Vertreter der "Union Rechter Kräfte", von "Jabloko" und viele andere liberale oppositionelle Politiker wie Wladimir Ryschkow fehlen. Die Messlatte von sieben Prozent wurde eingeführt, um gerade den kleinen liberalen Parteien die Chance zu nehmen, in die Duma einzuziehen. Der Kampf um die Mandate ist sehr brutal. Heute tagen dort schon etwa 200 Millionäre, die ihren Abgeordnetensessel nicht verlieren wollen. Außerdem sind aus Sicht der Russen die Ideen der Liberalen heute diskreditiert, ferner arbeiten die Medien für die finanziell stärkeren Parteien.

Muss man mit einer noch stärkeren Machtkonzentration des Kreml rechnen?

Diese Entwicklung hängt eng mit den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen zusammen. In Russland entwickelt sich weiterhin ein Parlamentarismus der Fassaden oder Ornamente. Auf Weisung von oben werden Parteien mit vorgegebenen Ausrichtungen geschaffen. Beispielsweise ist "Einiges Russland" eher national, "Gerechtes Russland" eher sozial und "Freies Russland" angeblich liberal - in ihr dürfen aber nur "konstruktive" Liberale vertreten sein und keine oppositionellen. All dies kann man wohl kaum als Merkmale einer Demokratisierung Russlands bewerten.

Das Gespräch führte Sergej Wilhelm
DW-WORLD.DE/Russisch, 13.3.2007, Fokus Ost-Südost