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Rammstein - Chronologie der Vorwürfe

Verena Greb | Philipp Jedicke
5. September 2023

Unter Drogen gesetzte Frauen, sexuelle Übergriffe: Die Vorwürfe gegen Rammstein wogen schwer. Doch Ende August stellte die Staatsanwaltschaft Berlin das Ermittlungsverfahren ein. Hier eine Chronik der Ereignisse.

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Ein Mann auf der Bühne im Kostüm mit brennenden Flügeln
Rammstein: Die Show geht weiterBild: Sebastian Dammark/Gonzales Photo/IMAGO

25. Mai 2023: Auf Instagram und Twitter, jetzt X, bringt die Irin Shelby Lynn den Stein ins Rollen. Sie schreibt: "Ich bin das Mädchen, das bei Rammstein unter Drogen gesetzt wurde." Auf Fotos ist ein mit blauen Flecken übersäter Körper zu sehen. Shelby Lynn war beim Auftakt der Rammstein-Tournee im litauischen Vilnius und bemerkte danach die Blutergüsse. Wie sie genau entstanden seien, wisse sie nicht, aber sie behauptet, auf der Preparty zum Konzert unter Drogen gesetzt worden zu sein. Sie gibt auch bekannt, dass der Sänger von Rammstein, Till Lindemann, mit ihr hätte Sex haben wollen, ihr Nein aber akzeptiert habe. Die örtliche Polizei untersucht den Fall.

28. Mai 2023: Rammstein melden sich auf Twitter: "Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt."

30. Mai 2023: Einige Medien behaupten, Shelby Lynn sei von Till Lindemann vergewaltigt worden. Sie stellt auf Twitter klar, dass sie nicht "berührt" worden sei und bittet darum, ihre Anschuldigungen richtig zu zitieren: "Bitte lesen Sie den gesamten Twitter-Thread für den vollständigen Kontext, bevor Sie Meldungen abgeben", schrieb sie. 

02. Juni 2023: In einem vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) und der Süddeutschen Zeitung (SZ) recherchierten Beitrag werden neue Vorwürfe gegen Till Lindemann erhoben. Darin beschreiben Informantinnen ein System, das Frauen gezielt für Sex mit dem Sänger rekrutiert haben soll. Zwei Frauen nennen sogar mutmaßliche sexuelle Übergriffe. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe beendet der Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi), der zwei Gedichtbände von Lindemann herausgebracht hatte, die Zusammenarbeit mit dem Sänger. In einer Pressemitteilung schreibt KiWi, dass "das Vertrauensverhältnis zum Autor unheilbar zerrüttet" sei. In einem im Netz kursierenden Pornovideo mit dem Titel "Till the End" zelebriere Till Lindemann sexuelle Gewalt gegen Frauen. Auch sein 2013 veröffentlichtes Buch "In stillen Nächten" dient dabei als Sexspielzeug. 2020 hatte der Verlag Lindemann in Zusammenhang mit Kritik an dessen Band "100 Gedichte" noch verteidigt. Diese "so eisern verteidigte Trennung zwischen dem 'lyrischem Ich' und dem Autor/Künstler" werde nun allerdings "vom Autor selbst verhöhnt", so der Verlag.

03.06.2023: Einen Tag später gibt die Band ein weiteres Statement heraus. Auf ihrem Instagram-Account äußern sie den Wunsch, nicht vorverurteilt zu werden. Im Statement heißt es: "Durch die Veröffentlichungen der letzten Tage sind in der Öffentlichkeit und vor allem bei unseren Fans Irritationen und Fragen entstanden. Die Vorwürfe haben uns alle sehr getroffen und wir nehmen sie außerordentlich ernst." Der Band sei wichtig, dass sich ihre Fans "vor und hinter der Bühne" sicher fühlten.

05. Juni 2023: Die Anwälte Lindemanns fordern Shelby Lynn dazu auf, die "unwahren" Vorwürfe und Behauptungen gegen ihren Mandanten nicht weiter zu veröffentlichen. Lynn hält sich nicht daran, betont aber erneut, dass sie nicht vergewaltigt wurde.

Eine junge Frau steht vor einer Fotowand
Kayla ShyxBild: Eventpress Golejewski/picture alliance

Die deutsche YouTuberin Kayla Shyx berichtet in einem über 30-minütigen Video von ihren Erlebnissen bei einem Rammstein-Konzert im Sommer 2022 und einem angeblichen Rekrutierungssystem bei den Konzerten. Im Video fällt der Name von Alena Makeeva, einer selbsternannten Assistentin der Band. Sie selbst titulierte sich als "Casting Director". Makeeva habe die Mädchen während des Konzerts angesprochen, zur Afterparty eingeladen und für ein Treffen mit Lindemann ausgewählt. Zudem soll sie über Social Media zahlreiche Frauen für die "Row Zero", also für einen exklusiven Bereich vor der Bühne, rekrutiert haben.

06. Juni 2023: Rammstein distanziert sich von Alena Makeeva und untersagt ihr laut Medienberichten den Zugang zu allen weiteren Konzerten.

Demonstrantinnen halten Schilder hoch wie "Keine Show für Täter
Demo gegen das Rammstein-Konzert in München am 7. JuniBild: Smith/IMAGO

07.-11. Juni 2023: Rammstein geben vier Konzerte im Münchener Olympiastadion. Zuvor hatten Politiker der bayerischen Landeshauptstadt einen Antrag gestellt, wonach geprüft werden sollte, ob die sogenannte "Row Zero" in bestimmten Fällen auch untersagt werden könne. Die Konzerte besuchen über 240.000 Menschen, aber es gibt auch Proteste vor dem Olympiastadion. Einige Fans wenden sich trotz der bestehenden Unschuldsvermutungen von Rammstein ab.

14. Juni 2023: Die Staatsanwaltschaft Berlin leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Till Lindemann wegen Vorwürfen "aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln" ein.

15. Juni 2023: Die Zeitung "Die Welt" macht die Aussage eines Veranstalters öffentlich, wonach es unter der Bühne bei Rammstein-Konzerten einen Raum gegeben haben soll, der als "Suck Box" bekannt gewesen sei. Dort solle es dem Artikel zufolge zu sexuellen Handlungen zwischen Lindemann und bei den Konzerten rekrutierten Frauen gekommen sein.

23. Juni 2023: Die Staatsanwaltschaft Vilnius erklärt, kein Ermittlungsverfahren gegen Lindemann einzuleiten. Dafür gebe es "keine objektiven Tatsachenbeweise".

26.06.2023: In einer Pressemitteilung der von der Band beauftragten Anwälte Simon Bergmann und Christian Schertz heißt es, eine bei der Kölner Rechtsmedizin beauftragte Untersuchung könne Till Lindemann entlasten. Shelby Lynns Blutergüsse seien dem Ergebnis nach wahrscheinlich ohne Fremdeinwirkung entstanden.

26. auf den 27. Juni 2023: In der Nacht darauf verüben Unbekannte einen Anschlag auf den Firmensitz der Rammstein GbR in Berlin-Reinickendorf, unter anderen werden mehrere Scheiben eingeschlagen. Auf einer Internetplattform erscheint am folgenden Tag ein Bekennerschreiben zu der Tat.

Ein ehemaliges Fabrikgebäude mit eingeschlagenen Scheiben und einer Schmiererei
Der Firmensitz von Rammstein wurde attackiert Bild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

10. Juli 2023: Lindemanns Anwälte gehen gegen eine  Petition vor, die die Absage dreier Rammstein-Konzerte Mitte Juli im Berliner Olympiastadion erreichen will. Unter anderem fordern die Anwälte dazu auf, die Verwendung bestimmter Formulierungen in der Petition zu unterlassen. Sie enthalte unwahre und diffamierende Tatsachenbehauptungen. Für die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner stehe Lindemann bereits als Täter fest und werde vorverurteilt.

14. Juli 2023: Das Landgericht Hamburg gibt einem Unterlassungsantrag Lindemanns gegen das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in Teilen statt. 

17. Juli 2023: NDR und "Süddeutsche Zeitung" berichten über Vorwürfe gegen ein weiteres Bandmitglied, Keyboarder Christian Lorenz, genannt "Flake". Zwei Frauen werfen ihm sexuelle Übergriffe vor mehr als zwanzig Jahren vor. In einem Fall soll die Frau minderjährig gewesen sein.

24. Juli 2023: Vor dem Landgericht Hamburg erwirkt Till Lindemann eine Unterlassungsverfügung gegen Kayla Shyx. Die 21-Jährige YouTuberin muss einige Aussagen aus ihrem Video von Anfang Juni schneiden, u.a. die Behauptung, dass bei einem Rammstein-Konzert Mädchen unter Drogen gesetzt wurden.

15. Juli: 2023: Vor dem Berliner Olympiastadion beteiligen sich etwa 300 Menschen an einer Demonstration gegen das dort stattfindende Rammstein-Konzert.

Demonstranten mit einem Transparent "Kein Rammstein in Berlin!"
Demo vor dem Olympiastadion in BerlinBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

04. August 2023: Der "Spiegel" berichtet von einer Frau, die 2011 ein sexuelles Verhältnis mit Till Lindemann gehabt haben soll. Die Frau erklärt, sie sei damals 15 Jahre alt gewesen und gibt dafür eine eidesstattliche Erklärung ab. Sie sei damals die beste Freundin der Tochter eines Rammstein-Mitglieds gewesen.

29. August 2023: Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt das Ermittlungsverfahren gegen Lindemann ein - wegen nicht hinreichenden Tatverdachts. Auch ein laufendes Verfahren gegen Alena Makeeva wird eingestellt.