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Theater

Rassismus an deutschen Bühnen

1. April 2021

Rassismus findet auch in der Kultur statt. Auf deutschen Theater- und Ballettbühnen werden Menschen diskriminiert. Das zeigten mehrere Vorfälle.

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Ron Iyamu vor einem pinken Hintergrund.
Ron Iyamu wirft dem Düsseldorfer Schauspielhaus Rassismus vorBild: Thomas Rabsch//Schauspielhaus Düsseldorf/dpa/picture alliance

"Ich erlebe jeden Tag Rassismus", sagte der Schauspieler Ron Iyamu in einem Video auf seinem Instagram-Account. Nach zweieinhalb Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus habe er als Ensemblemitglied die Situation nicht länger hinnehmen wollen und war deshalb mit einem Fernsehinterview im Westdeutschen Rundfunk an die Öffentlichkeit gegangen. Darin erzählte der Schauspieler mit nigerianischen Wurzeln, wie er die Arbeit in einem der renommiertesten Theaterhäuser in Deutschland erlebt hat. Und wirft diesem Versagen vor. "Schauspieler und Schauspielerinnen mit Migrationshintergrund können keine Ärzte oder Akademikerinnen und Akademiker spielen", sagt Iyamu.

Als er akzeptiert habe, in einem Theaterstück die Rolle eines haitianischen Freiheitskämpfers zu spielen, hätten Mitspielende und Regisseure rassistische Witze über ihn gemacht. Unter anderem sei er auch außerhalb der Rolle "Sklave" genannt worden. Auf seine Beschwerde habe niemand im Düsseldorfer Schauspielhaus seine Gefühle ernst genommen bzw. auf seine Vorwürfe reagiert. Konkret wirft Iyamu dem Intendanten Wilfried Schulz vor, im Schauspielhaus Regisseure arbeiten zu lassen, obwohl bekannt sei, dass diese "rassistische und sexistische Sprüche" über Ensemblemitglieder machten. Unter anderem habe ihn ein Regisseur mit dem N-Wort beleidigt, so Iyamu.

Die weiße geschwungene Fassade des Düsseldorfer Schauspielhaus.
Ron Iyamu ist Ensemblemitglied am Düsseldorfer SchauspielhausBild: Stefan Ziese/imageBROKER/picture alliance

Rassismus auf der Bühne - ein Tabuthema

Lange wurde in Deutschland wenig darüber gesprochen, doch inzwischen wehren sich Ensemblemitglieder an deutschen Bühnen zunehmend gegen rassistische Stereotype und gegen Spielpläne, die zu wenig divers gestaltet sind. Auch der Fall Chloé Lopes Gomes in Berlin hat hohe Wellen geschlagen: Eine Schwarze im sogenannten Corps de ballet sei nicht ästhetisch und die Gruppe dadurch nicht homogen. Diese und weitere rassistische Bemerkungen sollen von einer Ballettmeisterin des Berliner Staatsballetts stammen. Mit diesem Vorwurf ging Ensemblemitglied Chloé Lopes Gomes Ende vergangenen Jahres an die Öffentlichkeit. Sie erhob schwere Rassismusvorwürfe gegenüber einer Ballettmeisterin. Auch andere Tänzerinnen und Tänzer haben sich inzwischen mit der Französin solidarisiert.

Die Tänzerin kam 2018 zum Berliner Staatsballett - als erstes und bis heute einziges schwarzes Mitglied. Der Vertrag von Chloé Lopes Gomes wurde nicht verlängert, dagegen ging die Tänzerin rechtlich vor. Der Rechtsanwältin des Staatsballetts, Marion Ruhl, zufolge hat Rassismus keine Rolle bei der Entscheidung, den Vertrag nicht zu verlängern, gespielt. Chloé Lopes Gomes sei "nicht stark genug für die Anforderungen beim Staatsballett", so Ruhl.  Am 21. April 2021 einigte sich die Tänzerin mit ihrem Arbeitgeber vor dem Bühnenschiedsgericht, der Rechtsstreitigkeiten zwischen Theatern und Künstlern beilegt, auf einen Vergleich: Danach bleibt die Ballerina ein weiteres Jahr beim Staatsballett angestellt und erhält außerdem eine Entschädigungszahlung von 16.000 Euro.

Diskriminierung am Berliner Staatsballett

In seiner Pressemitteilung versprach das Staatsballett, "diskriminierendes Verhalten aufzudecken." Weiter heißt es: "Jegliche Form von Diskriminierung und Rassismus sind in unserer Compagnie nicht tragbar."

Handlungsbedarf sieht auch der Deutsche Bühnenverein. "Wenn kulturelle Einrichtungen nicht die Zusammensetzung unserer vielfältigen Gesellschaft spiegeln, dann muss man sich fragen, was falsch läuft. Das gilt überall und ganz besonders dort, wo der Anspruch herrscht, die großen gesellschaftlichen Fragen auf der Bühne zu verhandeln", formuliert es Marc Grandmontagne, Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, auf DW-Anfrage.

Schauspielhäuser wie das in Düsseldorf haben auf Initiative der Bundeskulturstiftung einen Diversitätsbeauftragten eingestellt; Ron Iyamu beklagte allerdings, dass dessen Aufgabe viel zu unklar sei. Marc Grandmontagne sieht in einem Diversitätsbeauftragten einen wichtigen Agenten für mehr Gerechtigkeit. Doch er gesteht ein: "Grundsätzlich lebt die Wirksamkeit einer solchen Stelle davon, wie sehr sie ernst genommen und mit einbezogen wird."

Anti-Rassismus-Klauseln in Verträgen seit 2019

Seit 2019 existiert eine Anti-Rassismus-Klausel, die Theater in Verträge aufnehmen können. Diese wurde von der Regisseurin Julia Wissert und der Rechtsanwältin und Dramaturgin Sonja Laaser entworfen. Die Klausel kann genutzt werden, um im Rahmen eines Vertragsverhältnisses Beteiligte vor rassistischen Äußerungen und Übergriffen zu schützen. Sonja Laaser spricht gegenüber der DW davon, "dass trotz einer regen Rassismus-Debatte viele Kulturinstitutionen bisher keine überzeugenden Handlungen unternommen haben, Rassismus in ihrem Arbeitsumfeld zu unterbinden".

Laaser bedauert, dass im Gegensatz zu Festivals und Häusern der Freien Szene "Stadttheater die Klausel kaum aufgenommen haben". Eine Ausnahme bilde das Theater an der Parkaue in Berlin. "Dort gab es einige Vorfälle, bei denen die Klausel produktiv zur Anwendung kam." Stadt- und Staatstheater hätten hingegen große Vorbehalte. "Das Eingeständnis eines strukturellen Rassismus an den Häusern ist häufig nicht gegeben", so Laaser.

Vier Tipps gegen Rassismus

"Dortmund goes Black"

Julia Wissert, Co-Autorin der Anti-Rassismus-Klausel, ist seit Sommer 2020 die erste weibliche schwarze Intendantin an einer deutschen Bühne. Sie versucht mit ihrem aktuellen Programm "Dortmund goes Black" schwarze Künstlerinnen und Künstler aus Dortmund und dem Ruhrgebiet sichtbarer zu machen. Dazu gehören Performances und Theaterstücke. In einem Open Call wurden Kunstschaffende, die eine Verbindung zum Ruhrgebiet haben und sich als Schwarz, Afro-Deutsch, Afrodiasporisch oder Afrikanisch positionierten, aufgefordert einen Projektvorschlag einzureichen.

Ron Iyamus Vorwürfe haben den Fokus erneut auf Rassismus an Bühnen gelenkt. Er sieht die Ursache im Machtmissbrauch an deutschen Theatern. Der Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses Wilfried Schulz sowie das Land NRW haben reagiert und angekündigt, die Vorfälle aufzuarbeiten und die Zustände verbessern zu wollen. Letztlich helfen aber wohl keine Absichtserklärungen, sondern klare Regeln, die eine Quote festsetzen. Nur so können alle Menschen angstfrei auf der Bühne stehen. 

Petition "Schluss mit dem Theater" 

Inzwischen haben am 01. April zweiundzwanzig schwarze Theatermacherinnen und Theatermacher die Petition "Schluss mit dem Theater!" - Wir sagen nein zu Rassismus an deutschen Theatern” gestartet. Sie sehen sich "weißen Theatermacher:innen gegenüber strukturell benachteiligt und in der Folge diskriminiert". Sie stellen sich hinter Ron Iyamu und fordern die Beauftragung einer externen Kommission von Fachexperten und Fachexpertinnen, "so dass entsprechend den Ergebnissen institutionelle Konsequenzen gezogen und strukturelle Maßnahmen eingeleitet und verankert werden."

Der Artikel wurde am 22. April 2021 aktualisiert.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion