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Politik

Rassismus im rumänischen Fußball

Cristian Stefanescu
9. Dezember 2020

Nach einem Rassismus-Vorwurf gegen einen rumänischen Schiedsrichter wurde am Dienstagabend ein Champions-League-Spiel abgebrochen. Im rumänischen Fußball gibt es viel Intoleranz - und die scheint keinen zu stören.

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Champions League -Spiel Paris Saint Germain - Istanbul Basaksehir
Bild: Francois Mori/AP Photo/picture alliance

Dem rumänischen Schiedsrichter Sebastian Colțescu, Vierter Offizieller beim Spiel zwischen Paris Saint Germain und Istanbul Basaksehir, wird eine angeblich rassistische Äußerung vorgeworfen. Die türkische Mannschaft zog sich am Dienstagabend vom Spielfeld zurück, gefolgt von den französischen Gastgebern. Nach Diskussionen in einem Krisenstab der UEFA wurde das Spiel auf den nächsten Tag verschoben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte die UEFA höchstpersönlich auf, mit den "nötigen Maßnahmen" auf die rassistischen Äußerungen gegen den aus Kamerun stammenden Co-Trainer der türkischen Mannschaft zu reagieren.  

Ob der rumänische Referee tatsächlich rassistische Absichten hatte, ist allerdings schwer zu sagen. Denn der rumänische Begriff "negru", mit dem er den Kameruner Pierre Webó bezeichnete, ist keine Übersetzung des beleidigenden N-Worts in der englischen Sprache - dafür gibt es im Rumänischen ein anderes Wort. "Negru" heißt "schwarz" und ist eine neutrale Farb-Bezeichung, ähnlich wie der Begriff "black", den auch die anti-rassistische Bewegung "Black Lives Matter" verwendet.   

"Colțescu weiß einfach nicht, dass der Ausdruck negru rassistisch ist, ohne weitere Interpretationsmöglichkeiten", kritisierte aber Csaba Asztalos, der Präsident des Rumänischen Rats für Antidiskriminierung, im Gespräch mit dem Sport-Magazin Gazeta Sporturilor. "Das zeigt seinen Kenntnisstand, er ist völlig unvorbereitet, was die sehr klaren Regeln von FRF, UEFA und FIFA in Sachen Rassismus betrifft."

Der rumänische Sportminister Ionut Stroe erklärte am Morgen nach dem abgebrochenen Spiel in Paris, der Fall Colțescu sei "ein Einzelfall, der nicht repräsentativ ist für den rumänischen Sport". 

Tribünen voller Hass

Der Präsident des Rumänischen Fußballverbands, Răzvan Burleanu, betonte schon im vergangenen Jahr: '"Im rumänischen Fußball gibt es genug Probleme, aber man kann auf keinen Fall über unsere Fans sagen, sie seien rassistisch." Doch Rassismus und Xenophobie sind auf den Tribünen der rumänischen Stadien immer noch präsent. Seit Jahrzehnten sind Sprechchöre gegen ethnische Minderheiten gang und gäbe: "Wir hatten und werden immer eine Abneigung gegen Zigeuner haben" und "Raus, raus mit den Ungarn aus dem Land!" 

Rassistische Ausfälle sind nicht nur von den Fans zu hören, sondern auch von den höchsten Fußball-Funktionären. Gigi Becali, der Besitzer des prominentesten Fußballclubs Rumäniens Steaua Bukarest, scheute sich nicht vor rassistischen Witzen gegen die Rivalen von Rapid Bukarest: 2010 sagte er, wenn sich Rapid aus der Meisterschaft zurückziehe, werde diese "weißer".

Die Rapid-Fans, die genau wie ihre Lieblingsmannschaft oft als "Zigeuner" beschimpft werden, sind selbst alles andere als ein Musterbeispiel für Fairplay und Toleranz. 2014 bewarfen sie den brasilianischen Stürmer einer gegnerischen Mannschaft mit Bananen. Schockierend war auch die Reaktion des Schiedsrichters bei jenem Spiel: Er erteilte dem Spieler, der rassistisch beleidigt wurde, eine gelbe Karte.  

Die antiziganistischen Äußerungen von Gigi Becali gegen Rapid Bukarest sind bei weitem nicht seine einzigen Ausfälle: Er untersagte, dass im Stadion seines Clubs der Song "We will rock you" von Queen gespielt wird, weil Lead-Sänger Freddie Mercury homosexuell war. Frauen bezeichnete er gerne als "Sklavinnen des Mannes". Außerdem machte Becali keinen Hehl daraus, die Spieler nach Religion und Hautfarbe auszuwählen.

Gigi Becali
Club-Besitzer Gigi Becali ist bekannt für seine rassistischen, antiziganistischen und homophoben Sprüche Bild: picture alliance/AP Photo

Der Stadionsprecher des Clubs Steaua trat 2012 zurück, nachdem er am Mikrofon den Ton angab für rassistische Sprechchöre, die bis vor die FIFA kamen. Trainer war damals der ehemalige Bundesliga-Spieler Laurențiu Reghecampf. Aus seiner Zeit bei Energie Cottbus kannte er zwar die Bemühungen, xenophobe Ausfälle auf den Tribünen zu bekämpfen. Doch er tat nichts, um seine Fans zu mäßigen.     

Der "Zoo" in den Köpfen  

Nicht nur Reghecampf, sondern auch sein ehemaliger Bundesliga-Teamkollege von Energie Cottbus, Vasile Miriuță, scheint die Erfahrungen aus Ostdeutschland schnell vergessen zu haben. Als Trainer von Dinamo Bukarest bezeichnete Miriuță einen kongolesischen Spieler aus seiner eigenen Mannschaft als "Zigeuner". "So nennen ihn nun mal die Kollegen im Umkleideraum", fügte er hinzu.    

In Sachen Rassismus gibt bei Dinamo Bukarest auch der international bekannte ehemalige Fußballer Cornel Dinu den Ton an, der inzwischen zur Führungsriege des Clubs gehört. Einem gegnerischen Club, der einen brasilianischen Spieler unter Vertrag genommen hatte, warf er vor, sich einen "Affen" angeschafft zu haben. Als prominenter Gast in TV-Studios gibt er außerdem immer wieder damit an, dass er einst mit dem serbischen Kriegsverbrecher Arkan befreundet war. Wenn sich die Führung eines Clubs so verhält, braucht sich niemand über die Affen-Geräusche der Fans zu wundern.

In Craiova, einer Hochburg des rumänischen Fußballs, wurde im vergangenen Jahr ein holländischer Spieler mit dunkler Hautfarbe aus der Mannschaft des rumänischen Fußballstars Gheorghe Hagi als "stinkende Krähe" beschimpft. In derselben Stadt sagte der frühere Bürgermeister über einen Fußballspieler aus der Elfenbeinküste: "Wenn ich ihn meiner Tochter zeige, erschreckt sie sich! Ich sag ihr: Schau mal, ein Affe. Schau mal, er spricht!" 

Politisch erfolgreiche Ultras  

Sogar die rumänische Nationalmannschaft wurde wegen rassistischen und xenophoben Ausfällen sanktioniert und musste im Oktober 2019 ein Heimspiel gegen Norwegen vor leeren Rängen austragen. Nur einen Monat später wurde in Bukarest ein Länderspiel gegen Schweden unterbrochen, weil sich die Gäste über rassistische Sprechchöre beschwerten.

Wenn es um Intoleranz geht, geben die Gruppen von den Ultras "Honor et Patria" und "Vereint unter der Trikolore" den Ton an. Ihre Anführer, George Simion und Cristian David, sind gleichzeitig die Gründer der rechtsradikalen Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), die jetzt zum ersten Mal ins rumänische Parlament einzieht. Diese Ultras sind schon häufig aufgefallen durch Banner mit politischen, islamophoben und Anti-Flüchtlings-Botschaften (wie "Ein Flüchtling = ein Anschlag", bei einem Spiel gegen Serbien, als die Steaua-Fans von der anderen Tribüne "Serbien, Kosovo, Serbien, Kosovo!" schrien). Die nationalistischen Ultras brüllen lauthals gegen Ungarn an - sogar bei Spielen, an denen kein einziger Ungar beteiligt ist. "Die Dinge werden sich nicht ändern, nur weil die UEFA eine Sanktion verhängt. Es gibt keine halben Sachen. Wir tun diese Dinge, weil wir sie eben einfach tun", kommentierte Cristian David in einem Interview mit dem Magazin Pro Sport.      

Nach dem Zwischenfall vom Dienstag in Paris erklärte der Rumänische Fußballverband, er distanziere sich "von jeder Handlung oder Erklärung mit einer rassistischen oder xenophoben Tendenz". Und dennoch: jedes Mal, wenn eine Sanktion angedroht wird, erinnern deren Initiatoren an wiederholte Beweise für Rassismus in rumänischen Stadien, die im Laufe der Zeit zusammengetragen wurden - schriftliche Botschaften oder sogar Bilder prominenter Vertreter des rumänischen Faschismus aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Adaption aus dem Rumänischen: Dana Alexandra Scherle