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Rassismus und Armut - zwei Seiten einer Medaille?

7. Mai 2024

Schwarze, muslimische und asiatische Menschen sind in Deutschland laut einer Studie stärker armutsgefährdet. Auch gute Bildung schützt davor nur bedingt.

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"Gleichheit für alle", steht auf einem braunen Pappschild, das jemand auf einer Demonstration in die Höhe hält.
Schwarze, muslimische und asiatische Menschen sind noch stärker von Armut gefährdet als Deutsche ohne MigrationshintergrundBild: Christian Ditsch/imago

Rassismus ist in Deutschland weit verbreitet. Doch welche konkreten Folgen hat das für die Betroffenen? Dieser Frage widmet sich das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin. Die Sozialwissenschaftlerinnen Zerrin Salikutluk und Klara Podkowik wollten wissen, ob es einen Zusammenhang zwischen Rassismus und Armutsgefährdung gibt. Die Antwort: ja. 

Grundlage der Analysen ist der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa), für den Salikutluk mitverantwortlich ist. "Wenn man sich die offiziellen Statistiken anschaut oder die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung, wird das meistens nach Migrationshintergrund aufgeteilt und nach dem Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft. Wozu wir bisher nichts sagen konnten, ist, wie es Menschen ergeht, die in Deutschland von Rassismus betroffen sind."

Alltägliche Diskriminierung

Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, habe man unterschiedliche Bereiche beleuchtet, erläutert die Expertin im Gespräch mit der Deutschen Welle: das Bildungssystem, den Arbeitsmarkt, den Wohnungsmarkt und den Gesundheitsbereich. Schon andere Studien hätten gezeigt, dass es zum Beispiel bei der Jobsuche zu Diskriminierung komme. All dies erhöht das Risiko, unterhalb der Armutsschwelle leben zu müssen.

Als armutsgefährdet gilt in Deutschland, wer weniger als 60 Prozent des statistischen Durchschnittseinkommens für sich zur Verfügung hat. Im Jahr 2023 waren das 1310 Euro im Monat. Unter diesem Wert lagen nach eigenen Angaben trotz einer Vollzeitbeschäftigung fünf Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund. Bei schwarzen, muslimischen und asiatischen Menschen waren es hingegen durchschnittlich 20 Prozent.

Gut ausgebildet und trotzdem armutsgefährdet

Auch eine gute Ausbildung – vom Meisterabschluss in einem Handwerksbetrieb bis zur Promotion an einer Universität– schützt nur bedingt vor prekären finanziellen Verhältnissen. Von den Deutschen ohne Migrationshintergrund bezeichneten sich zum Zeitpunkt der Befragung fünf Prozent als armutsgefährdet. Menschen mit rassistischen Erfahrungen hatten hingegen ein zwei- bis siebenmal höheres Risiko.     

Rassismus in Deutschland

Muslimische Männer sind dabei mit 33 Prozent deutlich am stärksten betroffen. Studien-Autorin Zerrin Salikutluk hat dafür eine Erklärung: Etwa 20 Prozent der befragten muslimischen Menschen seien seit 2013 nach Deutschland gekommen - vor allem aus Syrien und Afghanistan. Also aus Ländern, die stark von Krieg und Armut betroffen sind. "Und bei Geflüchteten ist es bekannt, dass sie aufgrund ihres erschwerten Zugangs zum Arbeitsmarkt einer höheren Armutsgefährdung ausgesetzt sind."

Wenn der Name ausländisch klingt…

Aber auch Menschen mit ausländischen Wurzeln, die noch viel länger in Deutschland leben oder hier geboren wurden und die deutsche Staatbürgerschaft haben, werden immer noch diskriminiert. Salikutluk verweist auf Experimente, bei denen identische Bewerbungsunterlagen mit unterschiedlichen Namen verschickt wurden. Das Ergebnis: "Menschen, die zum Beispiel einen türkisch klingenden Namen haben, haben eine geringere Chance, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden."

Die Befunde der Befragung unterstreichen aus Sicht der Sozialwissenschaftlerin die Notwendigkeit, gezielte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zur Förderung der Chancengleichheit für benachteiligte Gruppen zu ergreifen. Konkrete Vorschläge finden sich in der Studie: Insbesondere sollten Bildungs- und Berufsqualifikationen, die im Ausland erworben wurden, anerkannt werden.

Sozialwissenschaftlerin Zerrin Salikutluk über Rassismus und Armutsgefährdung

Integration beschleunigen

"Dies würde den Eintritt von Geflüchteten und anderen Migrant*innen in den deutschen Arbeitsmarkt beschleunigen und Fachkräften mit ausländischen Abschlüssen Zugang zu passenden Berufen ermöglichen", heißt es in der Studie. Für die raschere Arbeitsmarktintegration wünscht sich das Team um Zerrin Salikutluk einen schnelleren Zugang zu Sprach- und Integrationskursen. 

Das fordert auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er hält die Ergebnisse der Studie einerseits für "schockierend", sieht anderseits aber ein "riesiges Potenzial". Dabei denkt der international bestens vernetzte Wissenschaftler vor allem an die über drei Millionen Flüchtlinge in Deutschland. 

Wirtschaftsforscher appelliert an die Politik

Nach Fratzschers Einschätzung haben die meisten Unternehmen großes Interesse daran, diesen Menschen Perspektiven zu bieten, weil sie Auszubildende bräuchten. Deshalb sieht der DIW-Chef auch die Politik in der Pflicht: "Das erfordert viel Flexibilität nicht nur bei der Anerkennung der Qualifikationen, sondern vor allem im Ausbildungssystem selbst", meint Fratzscher. 

Passend dazu ist das Fazit der Studie zum Zusammenhang zwischen Rassismus und Armutsgefährdung: Denn: Nur wenn sichergestellt werde, dass der Verdienst aus einer Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt decke, könne die hohe Armutsquote unter Geflüchteten gesenkt werden.

Dieser Artikel wurde am 07.05.2024 veröffentlicht und am selben Tag aktualisiert.

 

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland