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KunstAfrika

Zwischen Raubkunst, Restitution und Realität

18. November 2021

Das Zentrum Kulturgutverluste debattiert über die Rückgabe kolonialer Objekte. Deutschland stehe dabei ganz am Anfang, so Staatsministerin Monika Grütters.

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Ein grinsender Leopard auf einem Szepter.
Dieses Artefakt aus dem einstigen Königreich Dahomey wurde jüngst von Frankreich an Benin zurückgegebenBild: Gao Jing/Xinhua/imago images

"Wenn wir uns mit Museen in einem kolonialen Kontext befassen, werden wir damit konfrontiert, dass historisches Trauma und gegenwärtiges Trauma koexistieren", sagt Noelle M.K.Y. Kahanu während der Konferenz des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Berlin zur Rückgabe von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Das Ergebnis dieser "hewa" (hawaiianisch für 'Sünde', Anmerk. der Red.), das Unrecht des ursprünglichen Diebstahls, bestehe fort. "Doch im Moment des Diebstahls liegt auch die Saat für ihre Rückkehr", so die Wissenschaftlerin der Universität von Hawaii weiter.

Versöhnliche Töne zum Auftakt dieser Konferenz, die aber auch zum Nachdenken anregen und zeigen, wie tief der Verlust von kulturellem Erbe auch in der Gegenwart wiegt. Aus Hawaii sind im Laufe der Jahrhunderte etliche Gegenstände in einem unrechtmäßigen Zusammenhang nach Europa gelangt, darunter sind sakrale Objekte sowie menschliche Gebeine. Nur langsam führen Restitutions- und Repatriierungsanfragen zu Ergebnissen. Im Oktober 2017 etwa restituierten die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen menschliche Gebeine an Nachfahren aus Hawaii. Dem voraus gingen 26 Jahre vergeblicher Repatriierungsanfragen von hawaiianischer Seite.

Der lange Weg der Restitution

Wie es dazu kommen kann, dass über so viele Jahre unbeantwortete Forderungen im Raum stehen, das beleuchten mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Expertinnen und Experten aus der ganzen Welt während der dreitägigen Online-Konferenz. Sie gehen dabei weit in die Vergangenheit zurück, zeichnen die Auseinandersetzungen zwischen den Museen und den Herkunftsgesellschaften nach, spüren auf, wo Unrecht in den Archiven verdeckt werden sollte und diskutieren, was die "Heimkehr" menschlicher Gebeine oder kultureller Gegenstände für Gesellschaften bedeuten können. 

Diese Debatte sei sehr willkommen und längst überfällig, konstatiert Hermann Parzinger, Leiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bei der Auftaktveranstaltung. "Die Frage der Dekolonisierung ist definitiv nicht nur eine Frage der Museen. Es ist eine Herausforderung für unsere gesamte Gesellschaft und für viele andere Institutionen, die ebenfalls davon betroffen waren."

Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit

Kulturstaatsministerin Monika Grütters merkte in ihrer Rede an, dass bereits einige "historische Wegmarken" in der Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte erreicht worden seien: So etwa die Rückgabe der Peitsche und der Bibel des lokalen Volkshelden Hendrik Witbooi an Namibia oder die Verpflichtung Deutschlands, die sogenannten Benin-Bronzen an Nigeria ab 2022 zu restituieren. Sie betonte aber weiter: "Dieses Thema muss und dieses Thema wird aber auch weiterhin eine hohe kulturpolitische Priorität haben, auch und gerade hier in Deutschland." Hierzulande stehe man bei der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit noch ganz am Anfang, politisch wie gesellschaftlich.

Eine Besucherin betrachtet die Peitsche Hendrik Witbooi bei einer Präsentation von Raub-Kulturgütern.
Diese Peitsche des Nama-Anführers Hendrik Witbooi war lange im Stuttgarter Linden-Museum ausgestellt Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Einer dieser "Anfänge" ist unter anderem die Förderung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, das zu der 500 Teilnehmer starken Konferenz eingeladen hat. 40 geförderte Projekte mit einer Gesamtsumme von rund 4,4 Millionen Euro ist die bisherige Bilanz des in Magdeburg ansässigen Zentrums.

Ein Schwerpunkt der Konferenz liegt auf der Debatte rund um die Rückgabe kultureller Gegenstände aus Subsahara-Afrika. Schätzungen zufolge befinden sich zwischen 80 und 90 Prozent seines kulturellen Erbes in westlichen Museen. Während der Kolonialzeit wurden viele Stücke unrechtmäßig erworben und landeten in europäischen Sammlungen. Seit einigen Jahren geht ein Ruck durch die europäische Museumslandschaft, doch bis sich Europa überhaupt gesprächsbereit für Restitution zeigte, war es ein langer Weg. 

Auf diesen Umstand ging etwa Wolbert G.C. Smidt ein, der an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena und an der Mekelle Universität in Äthiopien lehrt. In seinem Bericht führte er aus, dass es bereits in den 1870er-Jahren Rückgabeforderungen seitens des ostafrikanischen Landes gegeben habe, unter anderem von sakralen Gegenständen. Bis zum heutigen Tage sind einige dieser Insignien nicht zurückgegeben worden, "was de facto eine Untergrabung der äthiopischen Macht und der Selbstdefinition von Macht in Äthiopien und der äthiopischen Bevölkerung bedeutet", betonte Wolbert. 

Welche Lehren etwa aus solchen gescheiterten Restitutionsersuchen gezogen werden können, darum soll es unter anderem in der Abschlussveranstaltung der Konferenz am Freitag (19.11.) gehen. Für alle Beteiligten scheint aber schon jetzt klar, dass noch viel für die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit getan werden muss.