Hypnose gegen Nikotin
31. Dezember 2014So gut wie alle Raucher wissen, dass ihr Laster Krebs und Herzkrankheiten auslösen kann. Aber trotzdem rauchen sie weiter. Das liegt daran, dass nicht die rationale Vernunft den Griff zur Zigarette steuert, sondern Bereiche des Unterbewusstseins, in der Psychologie auch als Unbewusstsein bezeichnet.
Diese Nischen im Unbewussten lassen sich allerdings knacken, und zwar durch Hypnose. In Deutschland wird die sogenannte Hypnotherapie oder auch Hypnose-Therapie seit 2006 sogar als offizielle Behandlungsmethode gegen das Rauchen anerkannt, auch wenn sie ein Imageproblem hat.
Das liegt daran, dass viele Menschen Hypnose mit spektakulären Vorführungen auf der Bühne oder im Fernsehen in Verbindung bringen, bei denen scheinbar willenlos Hypnotisierte Dinge tun, an die sie sich später nicht mehr erinnern können – etwa ein halbes Dutzend roher Eier herunterschlucken.
Das Unbewusste willentlich wahrnehmen
"Diese Show-Hypnosen haben nichts mit therapeutischen Hypnosen zu tun" sagt Norbert Schick, Hypnose-Psychotherapeut in Bonn. "Diese Menschen sind so tief in einer Hypnose drin, dass sie gar nicht mehr registrieren, was da überhaupt passiert, weil das kognitive Denken dann ausgeschaltet ist. Das ist wie ein Blackout."
Schick, der Patienten mit Angstzuständen oder Abhängigkeiten seit zwanzig Jahren behandelt, schätzt die Zahl derjenigen, die so tief hypnotisierbar sind, auf etwa dreißig Prozent der Bevölkerung.
Will jemand aber das Rauchen aufgeben, muss er nicht so tief hypnotisierbar sein. Er soll sich ja bewusst sein, was mit und in ihm vor sich geht. "Bei der therapeutischen Hypnose wissen die Patienten immer, was sie tun", erklärt Schick. "Hypnose ist ein ganz natürlicher Zustand."
Körperliche Reaktionen verstehen
Hypnose tritt zum Beispiel ein, wenn man ein Buch liest und dabei so tief darin versinkt, dass Gedanken und Gefühle hochkommen. "In diesem Trance-Zustand ist das Unbewusste ganz offen und die Gefühlswelt auch. Deshalb kann man sehr gut damit arbeiten."
Der Kölner Rechtsanwalt Jochen Gerhard hatte vierzig Jahre lang Tag für Tag mindestens ein Päckchen Zigaretten geraucht. Vor zwei Jahren hörte er dann von einem Tag zum anderen auf. Nach einer Bypass-Operation hatte ihm sein Arzt ein Ultimatum gestellt: Hör auf zu rauchen, oder du stirbst an einem Herzinfarkt! Auch den Rat zur Hypnotherapie hatte der Arzt ihm gegeben.
"Mein Wille aufzuhören war in dem Moment so stark, dass ich mir gesagt habe: 'ja, ich tue das'", erinnert sich Gerhard, der nichts zu verlieren hatte außer den 150,- Euro Beitrag für die eintägige Gruppensitzung.
Hilft der Hokus-Pokus wirklich?
Zuerst war Gerhard noch sehr skeptisch, vor allem als der Tag damit begann, dass der Therapeut anfing in einer geradezu gospelartigen Sprache zu sprechen, fast wie ein Baptistenprediger. "Er war sehr intensiv und engagiert. Er wurde laut und hat geschrien: 'Ja ihr könnte es' und dann haben wir auch gesagt: 'Ja, wir wollen – ja wir wollen. Wir wollen aufhören zu rauchen!' Dann hat er gesagt: 'Ihr seid Stark!' und wir haben gesagt: 'Ja wir sind stark!'."
Die bunt-zusammengewürfelte Gruppe aus Jungen und Alten, Frauen und Männern musste sich grässliche Bilder anschauen, etwa teergeschwärzte Raucherlungen oder gelb-verfärbte Zähne. Dann ging es raus, um die letzte Zigarette zu rauchen.
In den Raum zurückgekehrt, legten sie sich auf Matten und hörten sanfte Musik. Das Licht ging aus und eine Kerze wurde entzündet, um eine meditative Atmosphäre zu schaffen. "Aber ich fragte mich immer: 'klappt das denn? Ist das Quatsch? Du hast jetzt den ganzen Tag hier verbracht und jetzt kommt so ein Hokus-Pokus. Aber ich habe versucht mich auf die Stimme zu konzentrieren", erinnert sich Gerhard.
Dann hat der Therapeut alles, was er den ganzen Tag schon im Seminar gesagt hatte, nochmal wiederholt, "aber diesmal langsam, sehr deutlich und mit einer akzentuierten Stimme", erinnert sich Gerhard. Dann war es vorbei, das Licht ging wieder an und Gerhard warf seine letzte Zigarettenpackung in den Müll. "Ich habe seitdem nie wieder das Bedürfnis gehabt, zu rauchen", sagt Gerhard. "Ich vermisse nichts. Mir geht es nicht schlecht. Es geht mir gut und ich weiß nicht, woran es liegt."
Auch umgeben von Rauchern kein Rückfall
Sein Widerstandswille wurde dann zu Weihnachten nochmal auf eine harte Probe gestellt. Mit seiner Frau verbrachte Gerhard drei Tage lang Weihnachten bei Verwandten, die alle starke Raucher sind. "Es wurde um ihn herum ständig geraucht", erinnert sich seine Frau Sabine. "Aber er hat das geschafft und hat überhaupt nicht geraucht."
Bei früheren Versuchen, das Rauchen aufzugeben, war es ganz anders. "Die letzten Male, die er aufgehört hat, war er wirklich nicht mit der Kneifzange anzufassen. Das war ganz schrecklich. Und dieses Mal reagierte er überhaupt nicht so, er war die ganze Zeit normal und ausgeglichen."
Der Therapeut Norbert Schick kann erklären, was sich in der Hypnose abspielt. "Es ist so, als ob man das Unbewusste umprogrammiert. Die Zigarette spricht den Patienten immer weniger an, bis er ihr völlig gleichgültig gegenüber steht." In anderen Worten: Aus dem "Kleinen Freund" wird ein Stängel mit giftigem Kraut.
Keine offizielle Therapieempfehlung
Nach wie vor steht die Absicht, mit dem Rauchen aufzuhören, ganz oben auf der Liste, wenn man Menschen nach guten Vorsätzen fürs neue Jahr fragt. Der erste Versuch schlägt oft fehl. Dennoch ist es keine körperliche Abhängigkeit vom Nikotin, die Menschen nach Wochen wieder rückfällig werden lässt. Die betäubenden Chemikalien, die der Körper durch das Rauchen aufnimmt, sind nämlich kurzlebig und schon nach wenigen Tagen wieder abgebaut.
"Aufhören ist eine mentale Entscheidung", sagt Martina Pötschke-Langer. "Ist ein Mensch nicht bereit dazu, wird ihm keine Methode helfen." Die Medizinerin leitet die Krebsprävention am Deutschen Krebs Forschungszentrum in Heidelberg. "Über 80 Prozent der Menschen hören ganz ohne irgendwelche Methoden auf zu rauchen. Sie entscheiden, dass sie das wollen und tun es," sagt sie.
Der Anteil derjenigen, die Hypnose nutzen liege bei weniger als einem Prozent. "Es gibt auch keine Empfehlung von medizinischen Fachverbänden, ob Hypnose eine angemessene Methode ist, um mit dem Rauchen aufzuhören", fügt Pötschke-Langer hinzu. Aber es könne durchaus Einzelnen helfen, ihre Sucht zu besiegen, abhängig von den Fähigkeiten und Qualifikationen des Therapeuten.
Über eins gibt es jedoch keine Zweifel, wenn man für das neue Jahr einen guten Vorsatz fast: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg - ob mit oder ohne Hypnose.